16.04.2019
Glaube, Liebe, Hoffnung – vermittelt die Institution Kirche das noch? Podiumsdiskussion am 17. April
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Der Religionsstifter im rechten Licht der Sonne. Detail aus der »Pastor Roller Kirche« in Weixdorf/Lausa.
Ein Diskussionsforum beleuchtet im Lingnerschloss Selbstverständnis und gesellschaftliche Realität
Die Kirche in Ostdeutschland – nicht nur im protestantischen Sachsen – befindet sich in einer besonderen Situation. Mit einer schon in DDR-Zeiten auf circa 20 Prozent geschrumpften Mitgliedschaft ist sie einerseits nur noch für eine Minderheit seelsorgerischer Ansprechpartner, hat aber gleichzeitig ihre kulturelle Strahlkraft (architektonisch, musikalisch) für die Gesellschaft bewahrt. Das Lingner-Podium »Zwischen Amt und Engagement – Kirche heute« am 17. April 2019 will die Frage erörtern, welche Rolle Kirche in einer säkularen und politisch unruhigen Zeit spielen kann, die von wachsender sozialer Unsicherheit und Werteverlust gekennzeichnet ist. Ihre moralische Autorität, ihre »Nützlichkeit«, wird dabei von ihrer Präsenz und Glaubhaftigkeit mindestens ebenso abhängen wie von den spirituellen Grundbedürfnissen des Menschen.
Das UJ sprach zum Thema mit dem evangelischen Theologen Prof. Christian Schwarke.
UJ: Seit Jahren kämpft die Institution Kirche mit Mitgliederschwund, mit Skandalen und Konkurrenzen. Woher kommt aber die immer noch starke Position der Kirche in der Gesellschaft?
Prof. Christian Schwarke: Trotz enormer gesellschaftlicher Gegensätze in Ost- und Westdeutschland zu Zeiten des Kalten Krieges war in den 70er- und 80er-Jahren ein enormer Anstieg der Bedeutung der Kirchen zu beobachten. Sie wirkte jeweils zu gleichen, aber auch gänzlich verschiedenen Themen in die säkularen Gesellschaften hinein. Waren es im Westen Umwelt, atomare Aufrüstung und Friedensbewegung, war Kirche im Osten Schutzraum und Dach der neben ersten ökologischen Bewegungen – zum Beispiel Umweltbibliothek – und der Friedensbewegung »Schwerter zu Pflugscharen« zart wachsenden politischen Opposition.
Wir kommen aus einer Tradition, in der die Institution Kirche eine enorme gesellschaftliche Rolle hatte. Und die Kirche selbst fühlt sich nach wie vor gesamtgesellschaftlich verantwortlich. Da ist zum einen die diakonische beziehungsweise caritative Aufgabe, die die Kirchen in der Gesellschaft wahrnehmen. Zum anderen will Kirche auch Anhaltspunkte geben, wie wir zusammenleben können.
Hat die Institution Kirche heutzutage noch eine Daseinsberechtigung?
Alle Gesellschaften benötigen Bezugspunkte jenseits des »normalen« Gesellschaftslebens, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt ermöglichen. Einzelne Menschen können recht gut ohne Religion zurechtkommen, ganze Gesellschaften eher weniger. Daneben bieten Institutionen neben »dem Staat« immer die Chance, Freiheit zu eröffnen. Deshalb ist eine Institution wie die Kirche trotz der gegenwärtigen Institutionenmüdigkeit und aller berechtigter Kritik als Institution wichtig.
Die Kirche ist aber auch heute noch eine Anlaufstelle für spirituelle Bedürfnisse vor allem bei besonderen Anlässen wie Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen und Feiertagen. Daneben spielt sie faktisch auch im diakonischen Bereich und im Bildungswesen eine große Rolle.
Soll Kirche nun in der Gesellschaft zu aktuellen Geschehnissen Position beziehen oder soll sie nur vermitteln? Oft spielen bei diesen nicht immer sachlich geführten Diskussionen Ängste und Emotionen eine wichtige Rolle.
Oft ist es ein Nebeneinander beider Aspekte. Kirche definiert sich aus der Tradition des Christentums heraus als Schutzschild für die Schwachen, Nächstenliebe ist das Credo. Hier hat die Kirche eine ziemlich klare Position. Allerdings muss zwischen politisch notwendigen und moralisch richtigen Handlungsweisen unterschieden werden. Vereinfacht auf aktuelle Geschehnisse bezogen: Quoten für Zuwanderung muss man nicht gut finden, man kann und darf aber darüber diskutieren. Menschenjagden und Hasspropaganda aber sind inakzeptabel und durch nichts zu entschuldigen.
Gleichzeitig muss man Ängste und Emotionen der Individuen ohne moralischen Zeigefinger ernst nehmen. Das bedeutet nicht, dass man die darin ausgedrückten Positionen teilen muss. Es geht darum, Emotionen und manchmal geradezu religiösen Eifer von politischen Fragen zu trennen. Hier kann Kirche Räume für Diskussionen und Meinungsbildung bieten. Schließlich gehen die meisten Dissense über die richtige Politik ja auch mitten durch die Kirchen hindurch.
Das Gespräch führte Konrad Kästner.
Zum Thema »Zwischen Amt und Engagement – Kirche heute« findet am 17. April 2019 ab 19 Uhr im Lingnerschloss das nächste Lingnerpodium statt. Moderiert vom Publizisten Hans-Peter Lühr diskutieren Christian Behr (Superintendent Kreuzkirche Dresden), Dr. Ellen Ueberschär (Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin), sowie Jan Witza (Referent für gesellschaftspolitische Jugendbildung im Landesjugendpfarramt Dresden). Der Eintritt zugunsten der Sanierung des Lingnerschlosses kostet zehn Euro (ermäßigt acht Euro).
www.lingnerschloss.de
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 07/2019 vom 9. April 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.