04.10.2024
GreenPharming: Wegweisendes Projekt zur Arzneimittelproduktion in der Lausitz gestartet
Forschung und Gesellschaft stehen vor der Aufgabe, ressourcenschonende Lösungen für die Herstellung von biologischen Arzneimitteln zu finden. Das so genannte „GreenPharming“ bezeichnet die pflanzenbasierte Produktion von Wirkstoffen für die Arzneimittelproduktion. Es kommt nun im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes in der Lausitz erstmals zum Einsatz. Ziel ist es, die Arzneimittelproduktion ressourcenschonender und damit zukünftig nachhaltiger und so umweltfreundlicher zu gestalten. Gelingen soll dies mit biogenen, also auf pflanzlicher Basis hergestellten Grundstoffen.
Das GreenPharming ist Teil einer visionären Strategie zur Bewältigung zahlreicher aktueller Herausforderungen. In der Lausitz werden zunächst Tabakpflanzen, die Nicotiana benthamiana, angebaut. Sie werden nach der Ernte im Rahmen einer vollständig integrierten Kreislaufwirtschaft und unter Einsatz erneuerbarer Energien klimaneutral zu Arzneimitteln verarbeitet.
Ein weiterer Fokus des Projekts liegt auf der Produktion therapeutischer Antikörper. Hierfür sollen die Tabakpflanzen unter realistischen Laborbedingungen über Biosynthese Wirkstoffproteine herstellen. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden, wie der Produktion in Säugetierzellen oder Bakterien, bieten Pflanzen zahlreiche Vorteile, wie geringere Ansprüche an die Kultivierung. Wichtiger aber ist darüber hinaus die Fähigkeit der Pflanzen, komplexe Veränderungen von Proteinen nach Abschluss der Proteinherstellung vorzunehmen. Dieser Schritt ist für die Funktionalität vieler Proteine unerlässlich. Zudem sind in Pflanzen produzierte Proteine frei von menschlichen Krankheitserregern, was das Risiko für Infektionen stark reduziert.
Prof. Ali El-Armouche, Direktor des Integrativen Zentrums für Pharmakologie und Toxikologie der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, betont: „Dieses Projekt könnte nicht nur die pharmazeutische Produktion transformieren, sondern auch einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten.“
Der Freistaat Sachsen fördert das Projekt „GreenPharming“ mit rund 5,3 Millionen Euro aus Mitteln des Just Transition Fund (JTF) im Rahmen des Programms InfraProNet 2021-2027. In Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät und der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden sowie der Hochschule Zittau/Görlitz werden die nachhaltigen Methoden zur Arzneimittelproduktion entwickelt. Gleichzeitig soll die Förderung den Strukturwandel in der Lausitz und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft vorantreiben.
„Dieser Ansatz ist ein Beispiel für moderne pharmakologische Forschung“, so Prof. Dr. med. Dr. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. „GreenPharming ist ein Projekt, das zeigt, wie Forschung, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung Hand in Hand gehen können. Durch die Nutzung pflanzlicher Systeme zur Arzneimittelproduktion setzen wir nicht nur neue Schwerpunkte in der biopharmazeutischen Forschung, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit und zum Umweltschutz.“
Neben der Produktion ist die umfassende Optimierung der gesamten Produktionskette – von der Wirkstoffbiosynthese in Pflanzen bis hin zur Verwertung von Reststoffen in einem geschlossenen Kreislauf – ein wesentlicher Aspekt des fakultätsübergreifenden Projektes. Prof. Michael Beckmann, Dekan der Fakultät Maschinenwesen und Direktor des Instituts für Verfahrenstechnik und Umwelttechnik, entwickelt hierzu ein Konzept, das die Integration erneuerbarer Energien und eine CO₂-neutrale Produktion in vollautomatisierten Gewächshäusern ermöglicht. Diese Gewächshäuser beziehen ihre Energie aus regenerativen Quellen und nutzen Reststoffe effizient, um den Produktionsprozess so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. „Mit diesem Projekt bewegen wir uns einen großen Schritt in Richtung einer Circular Economy“, sagt Prof. Michael Beckmann.
Das GreenPharming-Projekt in der Lausitz könnte demnach die pharmazeutische Industrie grundlegend verändern und zukunftsfähige Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen wie der Lausitz etablieren. Durch die Kombination modernster biotechnologischer Verfahren mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit wird ein Schritt auf dem Weg zu einer klimaneutralen und ressourcenschonenden Produktion vollzogen. Im Rahmen des „Green Deal“ der Europäischen Union, der das Ziel verfolgt, bis 2050 eine klimaneutrale Pharma- und Chemische Industrie zu etablieren, wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit als treibende Kraft für Innovationen in der Branche unterstrichen. Das GreenPharming-Projekt in der Lausitz ist ein Beispiel für den notwendigen Wandel hin zu nachhaltigen Produktionstechnologien. Es zeigt auf, wie im Spagat zwischen Hightech und Natur zukunftsweisende Lösungen geschaffen werden können. Beispielsweise lassen sich weitere komplexe Moleküle, bei denen strukturelle Details entscheidend für die Wirksamkeit eines Medikaments sind, durch den Einsatz pflanzlicher Systeme effizient und umweltfreundlich herstellen.
Gunda Röstel, stellvertretende Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung und Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden GmbH, sagt: „Die Zukunft der Arzneimittelproduktion könnte in der integrativen Betrachtung von Umwelt und Effektivität liegen. Durch den Einsatz biogener Grundstoffe und pflanzenbasierter Produktionstechnologien in einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft werden hier neue Maßstäbe für nachhaltige Arzneimittelproduktion gesetzt.“
Kontakt:
Prof. Ali El-Armouche
Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie
Tel.+49 351 458-6255
https://tu-dresden.de/med/mf/kph