18.03.2013
Das Wundermaterial für die Elektronik und die Energieumwandlung der Zukunft: Graphen
Das Element Kohlenstoff zählt zu den fundamentalsten, vielseitigsten und bedeutendsten Bausteinen des Lebens. Es steht aber auch im Mittelpunkt der modernen Nanotechnologie und gilt als vielversprechender Baustein der Elektronikindustrie der Zukunft. Denn allein durch eine unterschiedliche Anordnung der Kohlenstoffatome entstehen Materialien mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften. Graphen ist eines dieser Materialien. Es besteht aus Kohlenstoffatomen, die in einer extrem dünnen hexagonalen Schicht angeordnet sind. Seit der ersten Herstellung durch die beiden Nobelpreisträger Andre Geim und Konstantin Novoselov im Jahr 2004 hat Graphen Interesse ungeahnten Ausmaßes geweckt. Seine einzigartigen elektronischen Eigenschaften sind so faszinierend, dass für Graphen sogar prophezeit wird, es könne Silizium ablösen, auf dem die heutige Mikroelektronik basiert. Um das enorme Potenzial dieses neuen Materials auszuschöpfen, hat die EU erst kürzlich beschlossen, im Rahmen der Europäischen Flaggschiff-Initiative, an der auch die TU Dresden an zwei Projekten beteiligt ist, die Forschung und Entwicklung im Rahmen des „Graphen-Flaggschiffs“ in den nächsten zehn Jahren mit einer Milliarde Euro zu fördern.
Zwei aktuell erschienene Publikationen der TU Dresden im renommierten Nature Magazin „Scientific Reports“ befassen sich mit dem erstaunlichen Potenzial, welches Graphen für zukünftige Anwendungen besitzt. Um es in der Massenfertigung anwenden zu können, müssen noch signifikante Hürden in der effizienten Herstellung von qualitativ hochwertigen Graphenstrukturen überwunden werden. Wissenschaftler der TU Dresden, des Instituts für Festkörper und Werkstoffforschung Dresden (IFW) und der Universität Delft (Niederlande) zeigen in ihrem Artikel (http://dx.doi.org/10.1038/srep01115 ), wie sich amorpher Kohlenstoff, also ungeordnete Kohlenstoff-Atome, zu einem höchst geordneten hexagonalen Bienenwaben-Gitter reorganisieren und auf diese Weise reines, defektfreies Graphen bilden. „Es ist erstaunlich zu beobachten, wie sich ungeordnete Atome fast von selbst zu kristallinen Graphen-Schichten anordnen“, meint Dr. Mark H. Rümmeli von der TU Dresden. „Der von unserem Team entwickelte Prozess geht über das eigentliche Herstellungsverfahren sogar noch einen Schritt hinaus: Unerwünschte Defekte können vom Material selbst geheilt werden, was es höchst zuverlässig für verschiedenste Anwendungen in der modernen Elektronik macht“, setzt Rümmeli fort.
Der zweite Artikel (http://dx.doi.org/10.1038/srep01228 ) an dem ebenfalls Wissenschaftler der TU Dresden beteiligt sind, befasst sich mit den thermischen Eigenschaften von Graphen. Eine der Besonderheiten dieses Materials ist die höchste je beobachtete Wärmeleitfähigkeit – allerdings macht dies Graphen zu einem schlechten Kandidaten für Thermoelektrika, in denen Temperaturgradienten in elektrischen Strom umgewandelt werden und umgekehrt. Aber die Möglichkeit, Graphen-Streifen einfach und maßgeschneidert zu entwerfen, führt schließlich zu extrem effizienten Komponenten für thermoelektrische Anwendungen. Die von den Wissenschaftlern vorgestellte Methode des sogenannten „Graphen-Tailorings“ basiert auf einem Bottom-up-Ansatz: Hierbei werden „Bausteinmoleküle“, bestehend aus unterschiedlichen Kohlenstoffisotopen, zu maßgeschneiderten Graphen-Streifen synthetisiert. In ihren Simulationen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Wärmeleitfähigkeit um bis zu 98.8 Prozent reduziert werden kann, ohne die hervorragenden elektrischen Leitungseigenschaften zu beinträchtigen – eine Grundvoraussetzung für effiziente Thermoelektrika. Als Ergebnis konnten schließlich thermoelektrische Gütezahlen erreicht werden, die die Zielvorgaben für technische Anwendungen erfüllen.
„Kaum jemand hat erwartet, dass Graphen in einer solch einfachen Art und Weise synthetisiert und auch als solch effizienter thermoelektrischer Wandler eingesetzt werden kann. In beiden Veröffentlichungen haben wir neue Wege in der Graphen-Forschung aufgezeigt, die das Material einen Schritt weiter in Richtung Anwendung und Marktfähigkeit bringen“, sagt Prof. Gianaurelio Cuniberti, Inhaber der Professur für Materialwissenschaften und Nanotechnik an der TU Dresden, in dessen Arbeitsgruppe wesentliche Teile beider Projekte entstanden sind : „Diese Arbeit wäre ohne die enge Zusammenarbeit von verschiedenen Institutionen hier in Dresden auf den Gebieten der Materialforschung, der Mikroskopie und der Modellierung nicht möglich gewesen. Dieser Synergie-Ansatz ist Kernpunkt des DRESDEN-concept und der Schlüssel für den Erfolg der Dresdner Wissenschaftslandschaft in der Exzellenzinitiative. Es steht außer Frage: Die Forschung in Dresden zeigt Wirkung und die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft wächst stetig weiter.“
Informationen für Journalisten:
Prof. Dr. Gianaurelio Cuniberti | Dipl.-Phys. Florian
Pump
Tel.: 0351 463-31409