30.11.2021
Im Jahr 1813 besuchte Goethe Tharandt
Die Stadt ehrte den Dichterfürsten mit einer Gedenktafel, die jetzt wieder aufgestellt wurde
Prof. Otto Wienhaus
Das zerstörerische Hochwasser der Wilden Weißeritz im August 2002 führte zur erheblichen Schädigung der einmaligen Spezialbibliothek für Forst- und Jagdliteratur im Altbau der Fachrichtung Forstwissenschaften und zu massiven Schäden am früheren Roßmäßler- Bau (Albert-Salon), in dem sich früher die Mensa befand. So suchte man dringend nach einer Möglichkeit für den Neubau eines entsprechenden Gebäudes im sogenannten Campusgelände. Die Wahl fiel auf das Stadtbad-Hotel. Das war keine einfache Entscheidung, da dieses Gebäude von dem königlichen Hofbaumeister Gottlieb Friedrich Thormeyer errichtet wurde und seit der Einweihung am 7. Juni 1806 ein wichtiges Baudenkmal der Stadt war. Bis in die 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde es intensiv und gern von Gästen aus nah und fern genutzt. Dennoch wurde die Entscheidung für den Abbruch (ein Umbau war wegen der hohen Deckenlast durch die später einzubringenden Bücher nicht möglich) und einen Neubau gefällt. Für die Mitarbeiter des Denkmalschutzes, denen in Tharandt sehr viel zu verdanken ist, war dies eine sehr schwerwiegende Entscheidung, die aber erleichtert wurde, als bei der Begehung entdeckt worden war, dass die Außenwände aus ausgefachtem und verputztem Fachwerk bestanden und die Strukturelemente an der Fassade nicht aus Sandstein, sondern aus getriebenem und angestrichenem Zinkblech gefertigt waren.
Eine wesentliche Auflage des Denkmalamtes war neben der Dokumentation des Thormeyer-Baus die Bergung und die Wiederanbringung der Bronzetafel, die an den Besuch von Johann Wolfgang von Goethe in Tharandt erinnert. Nachdem der von dem ostdeutschen Architekten Ulf Zimmermann projektierte Bibliotheks- und Mensa- Bau (neuer Roßmäßler-Bau) eingeweiht war, konnte man zunächst die Bronzetafel nicht wiederfinden. Behelfsweise wurde eine Kopie am Eingang des Roßmäßler- Baus angebracht, die allerdings in keiner Weise der Bedeutung dieses Ereignisses für die Forststadt Rechnung trug.
Nun zu dem Ereignis selbst: Albert Richter schreibt in seinem Buch »Heinrich Cotta – Leben und Werk eines deutschen Forstmannes« (zitiert aus Goethes Tages-und Jahresheften 36): »Freitag, den 23. (April 1813) fuhren wir nach Tharandt. Der Weg dahin durch ein Tal an der Weißeritz hinauf, das sich bald sehr verengt und zu schönem Feldbau Gelegenheit gibt, ist höchst angenehm. Die Lage des Badeörtchens selbst ist wirklich sehr gefällig. An dem Punkt, wo zwei Täler zusammenkommen, steht die Ruine eines großen und weitläufigen Schlosses auf einer isolierten Anhöhe. Um dieselbe und in die beiden Täler hinaus ist der Ort gebaut, das Badehaus groß und geräumig und auch zum Logieren eingerichtet. Ich erneuerte die Bekanntschaft mit Herrn Forstrat Cotta, dessen Anstalt junge Leute zum Forstwesen zu bilden, sehr gut gedeiht.« Ist das nicht eine wunderbare Beschreibung der Stadt und ihrer Hochschuleinrichtung aus der Feder Goethes?
In einer anderen Beschreibung wird berichtet, dass Goethe zunächst von einem der Söhne Cottas empfangen wurde, da Cotta eine Vorlesung hielt. Die Lehre hatte damals, wie man sieht, absoluten Vorrang. Nach einem gemeinsamen Mittagessen im Stadtbad-Hotel hatte Goethe »eine lehrreiche Unterhaltung mit Forstrat Cotta« und besichtigte die mineralogischen Sammlungen Cottas, die 1845 auf Anraten Alexander von Humboldts für das Königliche Mineralogische Cabinett in Berlin angekauft wurde. Am Folgetag sah sich Goetheden Einzug des russischen Zaren Alexander I. und des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. in Dresden an, wo er bei Gerhard von Kügelgen für ein Porträt Modell saß. Danach fuhr er nach Teplitz weiter.
Im Zusammenhang mit dieser Reise hielt sich der mineralogisch und geologisch interessierte »Dichterfürst« dann auch am 22. April 1813 in dem böhmischen Bergbauort Krupka (Graupen) auf, wo er 1820 die Burgruine auch später noch skizzierte. An diese Aufenthalte erinnert auch hier ein 1926 eingeweihter repräsentativer Gedenkstein. Die Bergbaulandschaft Krupka ist heute ein Ort, der im UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge speziell eingeordnet wurde. Hier ergibt sich also auch eine neuzeitliche grenzübergreifende Verbindung zwischen den beiden Gedenkorten.
Wie bereits erwähnt, befand sich am ehemaligen Stadtbad-Hotel – dem späteren Gästehaus des Edelstahlwerkes – vor dessen Abbruch eine Bronzetafel, die an diesen Tag des hohen Besuchs im Jahr 1813 erinnerte. Eine Auflage des Landesamtes für Denkmalpflege für den Abbruch des Badehotels war es, dass diese Tafel im Bereich des Neubaus wieder angebracht werden muss. Nachdem die Tafel zunächst nicht aufzufinden war, konnte diese nach intensiver Suche, initiiert vom Landesbeauftragten für Bestandserhaltung der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB), Dr. Michael Vogel, sowie unter anderem durch einen Artikel in der Sächsischen Zeitung im Jahr 2016, wieder gefunden werden.
Nun ging am 9. November 2021 eine an den Tharandter Bürgermeister gerichtete E-Mail von Dr. Vogel ein, die die freudige Mitteilung enthielt, dass in Abstimmung zwischen dem Staatlichen Sächsischen Immobilien- und Baumanagement und der SLUB vor einigen Tagen ein Gneisblock mit Quarzeinschlüssen im Bereich des Roßmäßler-Baus aufgestellt wurde, an dem die Gedenktafel montiert werden soll. Zwischenzeitlich ist diese Montage – zusammen mit dem Anbringen einer kleinen Tafel, die an den Vorgängerbau erinnert – auch erfolgt.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 19/2021 vom 30. November 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.