19.07.2019
Kaffeeverfälschungen aufdecken: Lebensmittelchemie der TU Dresden will HPLC-Verfahren beschleunigen
Kaffee ist das meistkonsumierte Getränk in Deutschland und nach Erdöl das wichtigste Handelsgut weltweit. 25 Millionen Menschen sind weltweit im Kaffeeanbau, in der Kaffeeverarbeitung und im Kaffeehandel tätig. Alleine 2017 wurden 1,1 Millionen Tonnen nach Deutschland importiert, Tendenz steigend. Weltweit die größte wirtschaftliche Bedeutung haben die beiden bekanntesten Kaffeearten Arabica und Robusta. Arabicakaffee wird in höhergelegenen Gebieten ab 1000 Höhenmeter angebaut, wo die Kirsche aufgrund der niedrigen Temperatur nur langsam wächst und reift. Dies wirkt sich auf den angenehmen milden Geschmack des Kaffeegetränkes aus. Dahingegen kann die Robustapflanze auch in flacheren Regionen mit höheren und schwankenden Temperaturen gut gedeihen. Nicht nur bezüglich des Klimas, sondern auch hinsichtlich diverser Krankheiten oder Schädlingen ist sie tendenziell resistenter. Das Getränk weist eine erdige dumpfe Note auf. Dies spiegelt sich auch im Preis wider: Auf dem Weltmarkt kann der Kilopreis der empfindlicheren Arabicabohne fast das Doppelte betragen.
Um die Lebensmittelsicherheit, Qualität und letztendlich auch den Verbraucherschutz zu gewährleisten, werden seit 2011 in weltweit koordinierten Opson-Operationen Lebensmittelbetrüger verfolgt und überführt. Dabei arbeiten verschiedene Organisationen wie Zoll, Europol und Interpol länderübergreifend mit den Lebensüberwachungsbehörden der einzelnen Länder zusammen. 2019 wurden drei Fälle im Zuge der „Operation OPSON VIII“ in Deutschland aufgedeckt, bei denen teurerer Arabica-Kaffee mit preisgünstigerem Robusta-Bohnen versetzt war, ohne dass dies deklariert wurde. Der Kaffee enthielt einen Inhaltsstoff, der ausschließlich in Robusta-Kaffee vorkommt: 16-O-Methylcafestol.
Professor Dr. Karl Speer (Professur für Spezielle Lebensmittelchemie und Lebensmittelproduktion) entdeckte im Rahmen seiner Habilitation in den achtziger Jahren ein neues Diterpen im Kaffee und konnte es als 16-O-Methylcafestol (16-OMC) identifizieren. Bis heute wurde das 16-OMC ausschließlich in Robusta-Bohnen nachgewiesen. Das Diterpen bleibt auch bei drastischen Temperaturbedingungen der Kaffeeröstung weitgehend stabil, sodass es als Marker sowohl für Roh- und Röstkaffees als auch für Kaffeeprodukte eingesetzt wird. In Deutschland ist das HPLC-Verfahren zur Bestimmung des Gehaltes an 16-O-Methylcafestol in Röstkaffee vom Deutschen Institut für Normung in der DIN 10779 1999 veröffentlicht und 2004 bestätigt worden. Des Weiteren wird seit kurzem eine noch nicht zertifizierte NMR-Methode vorrangig zum Screening des 16-OMC genutzt: „Diese liefert schneller Ergebnisse, erfordert aber den Einsatz eines sehr hochpreisigen Analysengerätes“, so Professor Speer.
Auf seiner konstituierenden Sitzung des DIN-Arbeitsausschusses „Authentizität“ im Februar 2019 wurde beschlossen, dass der im Juni in Berlin erstmals tagenden europäischen Arbeitsgruppe „Food Authenticity“ empfohlen werden sollte, eine standardisierte europäische Norm für die Bestimmung des 16-O-Methylcafestols in Roh- und Röstkaffees mittels NMR sowie HPLC zu entwickeln. Nach Annahme des Antrages wurde Prof. Karl Speer zum Leiter der Arbeitsgruppe „Kaffee und Kaffeeprodukte“ bestimmt. „Neben der Einbringung der NMR-Methode in ein Normungsverfahren, ist es ein weiteres Ziel, die bestehende DIN HPLC-Methode 10799 so zu optimieren, dass auch diese innerhalb eines Tages Ergebnisse liefert“, erläutert Professor Speer. Um die Tauglichkeit einer entwickelten Methode zu überprüfen, werden sogenannte Ringversuche durchgeführt. Dabei bekommen verschiedene Labore die gleichen Proben, die dann mit der vorgegebenen Methodenvorschrift untersucht werden müssen. Aus den Ergebnissen der teilnehmenden Laboratorien kann dann erkannt werden, ob die Methode vergleichbare Werte liefert und mit welchen statistischen Abweichungen gerechnet werden muss. Diese Daten sind dann Bestandteil der entwickelten CEN-Methoden.
Mit einer kleinen Forschungsgruppe an der TU Dresden beschäftigt sich Professor Speer neben der Kaffeeanalytik mit der Untersuchung von verschiedenen heimischen Heilpflanzen, aber auch mit der Entwicklung von Analysenverfahren zum Nachweis von Kontaminanten und Pestiziden in Lebensmitteln. Seit seiner Promotion werden aber auch Verfahren zur Authentizität von Sortenhonigen entwickelt. So konnte sein Team kürzlich Verfälschungen des sehr teuren neuseeländischen Manukahonigs eindeutig mit den im Arbeitskreis entwickelten Analyseverfahren aufzeigen.
Ob 100 Prozent Arabica in einer deklarierten Packung stecken, kann der Verbraucher geschmacklich nicht feststellen: „Erst ab ca. 15 bis 20 Prozent können sehr geübte Kaffeetrinker eventuell einen Unterschied schmecken. Mit der chemischen Untersuchung werden aber bereits Robusta-Anteile von 1-2% sicher erkannt und somit Fälschungen zuverlässig aufgedeckt“, so Professor Speer. Es ist ihm jedoch wichtig zu betonen, dass es sich bei der Frage Arabica oder Robusta vorrangig um ein Qualitätsmerkmal handelt gemäß dem Motto: Wenn 100 % Arabica ausgelobt und bezahlt werden, dann sollen auch 100 % Arabica enthalten sein.
Durch Anwendung validierter international anerkannter CEN-Methoden durch alle mit der Authentizität von Kaffee befassten Institutionen (Kaffeeröster, Handel, Lebensmittelüberwachung) wird eine gleichartige Beurteilung erreicht und zudem der Verbraucher besser vor Irreführung und Täuschung geschützt. „Mit der HPLC-Methode können wir auch bereits den 16-OMC-Gehalt in Instantkaffee nachweisen. Wie dies genau erfolgt, bleibt aber vorerst unser Geheimnis“, verkündet Professor Speer und lächelt verschmitzt.
Kontakt für Journalisten:
Prof. Dr. Karl Speer Professur für Spezielle Lebensmittelchemie und Lebensmittelproduktion Telefon: + 49 351 463 33132 E-Mail: