26.01.2011
Wenn die „Möwe“ mit dem „Kiebitz“...
Durch moderne molekularbiologische Analyseverfahren wird die
Züchtung neuer Kartoffelsorten vereinfacht. Die TU Dresden
arbeitet hierfür im Verbundprojekt „Retrokartoffel“ mit, das
die Entwicklung molekularer Werkzeuge für Züchtung,
Sortenidentifizierung und Genbankerhaltung von Kartoffeln zum
Ziel hat.
Birte, Laura oder Salome; ein Kenner, wer sie
auseinanderschmeckt. Von der Wildform bis zu hoch entwickelten
Kultursorten reicht das Spektrum der Kartoffel heute; tausende
Varianten lassen sich nur genetisch unterscheiden. Dennoch
werden aus den bekannten „Eltern“ jedes Jahr neue,
leistungsfähige Kartoffelsorten gezüchtet. Ein langer Prozess
ist das: Von der ersten zielgerichteten Kreuzung bis zur
Markteinführung vergehen nicht selten mehr als 14
Jahre.
Um die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen verschiedenen Kartoffelsorten bestimmen zu können, identifizieren Molekularbiologen der Technischen Universität Dresden bestimmte genetische Marker, so genannte SINEs (Short Interspersed Nuclear Elements) in der Kartoffel-DNA. SINEs sind wenige hundert Basenpaare lang; einmal in das Kartoffel-Genom integriert, verbleiben sie bei Sortenkreuzungen meist an ihrem Ort. So können die Forscher einen „Kartoffelstammbaum“ konstruieren.
SINEs – robuste Marker für die Genomanalyse
„Wenn Sie Ihre Kartoffeln immer im Supermarkt kaufen, kennen
Sie vermutlich nur drei Sorten: mehlig, festkochend und
vorwiegend festkochend,“ bemerkt Thomas Schmidt trocken. Das
Team um den Dresdner Professor für Zell- und Molekularbiologie
der Pflanzen möchte dafür sorgen, dass das wieder anders wird.
Mithilfe der SINEs identifizieren und überprüfen sie - in einem
Verbundprojekt mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und
Kulturpflanzenforschung Gatersleben (IPK) - die
Sortenechtheiten und Sortenreinheiten von „Möwe“, „Kiebitz“
oder „Pirol“, aber auch von weniger bekannten,
südamerikanischen Knollen. „SINEs helfen der
Kartoffel-Genbanksammlung dabei, herauszufinden, ob hinter
verschiedenen Namen vielleicht dieselbe genetische Sorte
steckt,“ sagt Schmidt; „oder ob sich vielleicht sogar hinter
einem eingebürgerten Sortennamen verschiedene Züchtungen
verbergen.“ Durch ein an der TU Dresden entwickeltes Verfahren
können SINEs der Kartoffel optimal charakterisiert und ihre
biologische Vielfalt genauer beschrieben werden - nicht zuletzt
eine Verbesserung, die dem Verbraucherschutz zugute
kommt.
Die im Genom gespeicherte Information bestimmt auch
größtenteils die Eigenschaften der Kartoffel. Deshalb sind die
Erkenntnisse der Dresdner so wichtig für die Züchter. Für den
Industriepartner des Projekts, die NORIKA GmbH, wird der
Züchtungsprozess auf diese Weise übersichtlicher. Die
universitäre Grundlagenforschung hilft den Kartoffelzüchtern,
genetische Zusammenhänge zu verstehen und zu nutzen und so
zielgerichtet neue Sorten zu entwickeln. Sie durchsuchen die
Gene der Kartoffel auf Resistenzen, prüfen die ackerbaulichen
Merkmale von Sorten und kreuzen sie, um neue verbesserte
Kombinationen der Qualitätseigenschaften zu erhalten.
Die Retrokartoffel auf der Grünen Woche
Auf der „Grünen Woche“ informieren die Projektpartner über die Züchtung von Kartoffeln und die Forschung am Kartoffelgenom. Dargestellt und erklärt werden die Geschichte der Kulturkartoffel, die deutsche Kartoffel-Genbanksammlung und die Erforschung von DNA-Sequenzen des Kartoffelgenoms. Interessenten können sich über aktuelle Sorten und geplante Züchtungen kundig machen.
Autor: Martin Morgenstern
Informationen für Journalisten:
Prof. Dr. rer. nat. habil. Thomas Schmidt
Lehrstuhl für Zell- und Molekularbiologie der Pflanzen
Institut für Botanik
Technische Universität Dresden
01062 Dresden
Tel.: +49 (0)351 463-39588
Fax: +49 (0)351 463-39590