04.11.2019
Körper-Kränkungen. Der menschliche Leib als Medium der Herabsetzung
Zu klein, zu dick, zu groß, zu dünn, zu …
Wie und warum werden Menschen wegen ihres Körper gedemütigt? Wie wird der eigene Körper eingesetzt, um andere herabzusetzen? Und wie reagiert der Körper darauf?
Im Mittelpunkt der Jahrestagung des SFB 1285 „Invektivität“ steht der menschliche Körper. Vom 13.-15. November 2019 diskutieren Wissenschaftler aus historischer, gegenwartsbezogener und systematisch-konzeptueller Perspektive die Möglichkeiten, über den eigenen Körper herabgewürdigt zu werden.
Die Vorstellung von einer naturgegebenen Identität des menschlichen Körpers ist zunehmend eine Illusion. Kategorien wie Geschlecht, Natürlichkeit und körperliche Verfassung können aufgrund von kosmetischen, technischen und medizinischen Möglichkeiten kaum noch angewendet werden. Selbst der Unterschied zwischen Mensch und Maschine verschwimmt heute immer mehr.
Der Körper ist und bleibt Bezugspunkt und Ausdruck individueller wie kollektiver Identitätsvorstellungen. Körperideale, wie eine bestimmte Körperform, Aussehen oder Gepflegtheit bauen mehr denn je einen Konformitätsdruck auf, der geeignet ist, Reaktionen wie Selbsthass und -ekel auszulösen. So können Menschen durch Hervorhebung und Stigmatisierung bestimmter Körpermerkmale abgewertet werden. Der Körper selbst kann auch zur Herabsetzung verwendet werden, z.B. durch schmähende Gesten wie den Stinkefinger oder die herausgestreckte Zunge.
Diese Erfahrungen gehen nicht spurlos am Köper vorbei. Demütigungen können kurzfristige körperliche Reaktionen wie Erröten, Herzrasen oder Weinen auslösen. Sie können aber auch Ursache für langfristige Erkrankungen sein, wie z.B. Essstörungen, Depressionen oder soziale Phobien. Der Körper ist sowohl Produzent als auch Empfänger von Zeichen und unterliegt physischen wie symbolischen Handlungen. In dieser Funktion ist er angreifbar oder kann zum Aggressor werden.
In Vorträgen und Diskussionen von Dresdner und auswärtigen Wissenschaftlern werden so unterschiedliche Themen wie: „Körperliche Besonderheiten in römischen Invektiven“, „Mittelalterliche Exkommunikationsrituale“, „Der Streit um die Vorhaut in jüdisch-christlicher Polemik“, „Stigmatisierung durch medizinische Diagnosen“, „Fat Shaming“, „Vom Kampfgeist der Vulva in der Kunst seit den 1960er Jahren“ oder „Das Schmähen von Machthabern in aktuellen Protestbewegungen“ behandelt. Der Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme (Humboldt-Universität zu Berlin) rundet das Programm mit einem öffentlichen Abendvortrag am 14. November 2019 um 19:00 Uhr zum Thema „Verwerfung, Schändung, Kränkung des Körpers“ ab.
Weitere Informationen und Anmeldung unter https://tu-dresden.de/gsw/sfb1285/veranstaltungen/jahrestagung-2019
Tagungskonzept: Prof. Dr. Uwe Israel/Prof. Dr. Jürgen Müller
Informationen für Journalisten:
Dr. Antje Junghanß
Bernhard Kaiser, M.A.