20.06.2023
Licht ins Dunkel - so wird die Wegstrecke der Protonen sichtbar
Ziel der Protonen-Strahlentherapie gegen Krebs ist es, möglichst viele Tumorzellen abzutöten und dabei das umliegende, gesunde Gewebe zu schonen. Da es bisher keine Methode gibt, um den Strahl während der Dosisabgabe bildlich sichtbar zu machen, arbeiten Mediziner:innen mit Sicherheitsabständen um den Tumor herum, was die Konformität der Dosisverteilung beeinträchtigt und die Zielgenauigkeit verringert. Dresdner Wissenschaftler:innen um Prof. Aswin L. Hoffmann vom Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie - OncoRay ist es mit einem „In-beam MRT“-Prototyp gelungen, die Wegstrecke des Protonenstrahls in einem flüssigkeitsgefüllten Phantom zu visualisieren und mit dieser Methode die Reichweite des Protonenstrahls während der Bestrahlung aufzuzeigen. Die Ergebnisse publizierte das Team im international renommierten Journal Proceedings of the National Academy of Science. (DOI: 10.1073/pnas.2301160120)
Im Vergleich zu Photonen besitzen Protonen einen wichtigen Vorteil: sie haben eine definierte Reichweite, also einen Punkt, an dem sie ihre maximale Energie abgeben. Diese Eigenschaft ermöglicht es, in der Protonen-Strahlentherapie die Strahlen im Tumorgewebe stoppen zu lassen, dort eine hohe Bestrahlungsdosis zu applizieren, und gleichzeitig die in das umliegende gesunde Gewebe eingetragene Dosis stark zu reduzieren. Daher wird die Protonen-Strahlentherapie vor allem zur Behandlung von Kindern, aber auch bei Erwachsenen mit Tumoren in der Nähe sehr strahlenempfindlicher Normalgewebe eingesetzt. Zur Kontrolle der Dosisabgabe ist eine direkte Methode notwendig, die die Reichweite des Strahls im Verhältnis zur Anatomie des Patienten während der Dosisabgabe misst und abbildet. Da bisher kein solches Verfahren in der klinischen Routine angewendet wird, werden bisher Sicherheitssäume um das Tumorgewebe eingebaut, was zur Bestrahlung von Normalgeweben führt und die maximal mögliche Dosis im Tumor einschränkt.
Seit 2016 forscht die Gruppe um Hoffmann an der technischen Integration von Magnetresonanztomographie (MRT) und Protonentherapie. Mit einem „In-beam MRT“-Prototyp ist es Hoffmann und seiner Gruppe weltweit erstmals gelungen, den Protonenstrahl in einem flüssigkeitsgefüllten Phantom zu visualisieren und mit dieser Methode die Reichweite des Protonenstrahls während der Bestrahlung aufzuzeigen. „Das Ergebnis unserer Arbeit kann die Qualitätssicherung in der Protonentherapie maßgeblich verändern. Dazu wird der Protonenstrahl vor der eigentlichen Patientenbehandlung in Wasser appliziert, um verschiedene Strahleigenschaften vorab zu kontrollieren. Bislang waren diese Kontroll-Messungen indirekt und zeitaufwendig, nun kann die Abbildung des Protonenstrahls direkt während der Messung geschehen“, erklärt Hoffmann. „Mein Traum ist es, dieses Verfahren künftig für die Überwachung von Patientenbehandlungen einsetzen zu können. Dafür suchen wir ein MR-Verfahren, welches den Protonenstrahl nicht nur in Wasser oder anderen Flüssigkeiten, sondern auch im menschlichen Gewebe darstellt.“
In der Studie wurde die Machbarkeit einer Visualisierung des Protonenstrahls in flüssigen Medien verdeutlicht. Wie vorhergesagt, zeigten die während der Bestrahlung aufgenommenen MRT-Bilder, dass die Eindringtiefe mit zunehmender Protonenenergie zunahm und so auch die Stärke des MRT-Signals mit zunehmendem Protonenstrom. „Dieses Ergebnis ist ein wichtiger Schritt in der bildgestützten Protonentherapie“, sagt Prof. Mechthild Krause, Direktorin des OncoRay. „Die Echtzeit-MRT-Bildgebung hat bereits Einzug in die herkömmliche Strahlentherapie mit Photonen gehalten. Professor Hoffmann und sein Team arbeiten am Prototyp eines neuen Bestrahlungsgeräts, das die Echtzeit-MRT-Bildgebung auch in der Protonentherapie etablieren soll.“
Die Ergebnisse der Gruppe um Hoffmann geben Hoffnung, dass eine neue Dimension der Behandlung von Krebspatient:innen ermöglicht wird. Aktuell wird ein neues MRT-Großgerät im OncoRay-Gebäude installiert. Mit diesem wird es erstmals möglich sein, Protonenbestrahlung und Echtzeit-MRT gleichzeitig durchzuführen, und zudem die Richtung und Stärke des Magnetfeldes relativ zum Patienten zu variieren. Hiermit könnte die Protonentherapie in einigen Jahren für bewegliche Tumoren noch präziser eingesetzt werden, um das gesunde Gewebe noch besser zu schonen und das Tumorgewebe mit einer höheren Dosis zu bestrahlen.
Prof. Aswin Hoffmann
Gruppenleiter Experimentelle MR-integrierte Protonentherapie
am HZDR / OncoRay–
Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie
Stephan Wiegand
Öffentlichkeitsarbeit & Marketing
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
der Technischen Universität Dresden
Tel.: +49 351 458-19389
Internet: http://tu-dresden.de/med/