05.03.2015
Biomolekulare Krafterzeugung nach dem Prinzip einer Gasdruckfeder
Die mechanische Basis der Zellkernteilung ist bisher nur
bruchstückhaft verstanden. Wissenschaftler der TU Dresden
konnten nun dem Mosaik der zellbiologischen Mechanismen ein
weiteres Teil hinzufügen, wie sie in der aktuellen Ausgabe der
renommierten Fachzeitschrift Cell am 5. März 2015
berichten.
Wenn Zellen sich teilen, wird das Erbgut in einem hoch
komplexen Prozess an beide Tochterzellen weitergegeben. Eine
wichtige Rolle spielen dabei kleine zylinderförmige
Proteinröhrchen, die Mikrotubuli. Sie bilden das Gerüst des
Spindelapparates, der dabei hilft, das Erbgut in den
Chromosomen während der Zellteilung auf die beiden
Tochterzellen aufzuteilen. Neben der Aufgabe, direkt an den
Chromosomen anzudocken und diese auseinanderzuziehen, sind die
Mikrotubuli auch für die Stabilisierung des Spindelapparates
von großer Bedeutung. Dazu überlappen die Mikrotubuli in der
Zellmitte und verbinden so die gegenüberliegenden Spindelpole
miteinander. In Zellen beobachtet man während der Zellteilung,
dass diese überlappenden Mikrotubuli zunächst von so genannten
Motorproteinen gegeneinander verschoben werden, dann jedoch
abstoppen, bevor sie sich voneinander trennen. Bisher konnten
die Wissenschaftler den Mechanismus nur bruchstückhaft
erklären, durch den die Bewegung gebremst und die Verschiebung
gestoppt wird.
Eine internationale Wissenschaftlergruppe um Professor Dr.
Stefan Diez (Heisenberg-Professor am ZIK B CUBE – Center for
Molecular Bioengineering der TU Dresden und Gruppenleiter am
Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik)
hat in Kooperation mit Wissenschaftlern aus den Niederlanden
(Universität Wageningen und AMOLF) nun zeigen können, dass ein
aus der Physik altbekanntes Prinzip auch in der Biologie
relevant ist: Schwach bindende Proteine, die sich bevorzugt
zwischen überlappenden Mikrotubuli anlagern, verhalten sich wie
diffundierende Gaspartikel in einem geschlossenen Behälter.
Jene Gaspartikel reagieren auf eine Volumenverkleinerung mit
einem ansteigenden Druck. Nach diesem einfachen Prinzip, das
man sowohl vom idealen Gasgesetz als auch von haushaltsüblichen
Fahrradpumpen kennt, erzeugen auch die schwach gebundenen
Proteine zwischen den überlappenden Mikrotubuli beim
Auseinandergleiten einen immer größer werdenden Gegendruck.
Dadurch wird die Bewegung gebremst und die Verschiebung
gestoppt. Dieser biomolekulare Mechanismus entspricht dem einer
Gasdruckfeder.
Die Wissenschaftler konnten diesen Mechanismus in Experiment
und Theorie nachweisen. Darüber hinaus gelang es ihnen, die
entstehenden Kräfte unter Verwendung einer optischen Pinzette
direkt zu vermessen. Abschließend konnten sie zeigen, dass der
gasähnliche Druck der schwach bindenden Proteine ausreichend
ist, um die Kraft der Motorproteine zu kompensieren und das
Auseinanderfallen der überlappenden Mikrotubuli zu
verhindern.
Damit wurde nicht nur ein Minimalmechanismus zur Stabilisierung
von überlappenden Mikrotubuli gefunden und experimentell
nachgewiesen, sondern auch ein weiterer allgemeingültiger
Mechanismus in das Repertoire der zellbiologischen
Wirkmechanismen aufgenommen.
Die Studie wurde am 5. März 2015 im renommierten Fachjournal
"Cell" online veröffentlicht und erscheint am 12. März 2015 in
der gedruckten Ausgabe.
Originalpublikation:
Zdenek Lansky, Marcus Braun, Annemarie Lüdecke, Michael
Schlierf, Pieter Rein ten Wolde, Marcel E Janson, Stefan Diez,
Diffusible crosslinkers generate directed forces in microtubule
networks, DOI:10.1016/j.cell.2015.01.051
Bild: Die Expansion komprimierter,
schwach gebundener Proteine (grün) führt zur einer Kraft,
welche die gerichtete Bewegung zweier überlappender
Mikrotubuli gegeneinander hervorruft. Der obere Teil des
Bildes zeigt die schematische Darstellung der Bewegung
zweier überlappender Mikrotubuli (rot und orange) zusammen
mit typischen fluoreszenzmikroskopischen Aufnahmen. Der
untere Teil des Bildes zeigt eine Gasdruckfeder, das
makroskopische Analogon des biomolekularen Systems, in
welcher das Gas durch die Wirkung einer äußeren Kraft
komprimiert wird und späterhin wieder expandiert, sobald die
äußere Kraft verringert wird (Abb.: Stefan Diez (ZIK B
Cube).
Informationen für Journalisten:
Prof. Dr. Stefan Diez
Heisenberg-Professur für BioNanoWerkzeuge
Technische Universität Dresden
ZIK B CUBE – Center for Molecular Bioengineering
Tel.: +49 (0)351 463-43010
Fax: +49 (0)351 463-40322
http://www.tu-dresden.de/bcube
Über das B CUBE an der TU Dresden
Das Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) B CUBE - Center
for Molecular Bioengineering wurde 2008 im Rahmen der
BMBF-Förderinitiative „Unternehmen Region“ an der TU Dresden
eingerichtet. Das Zentrum widmet sich der Erforschung und
Entwicklung biologischer Materialien in den drei
Hauptrichtungen BioProspektion, BioNano Werkzeuge sowie
Biomimetische Materialien und trägt damit entscheidend zur
Profilierung der TU Dresden im Bereich moderner Biotechnologie
und Biomedizin bei.