Nov 13, 2014
Nachahmung als kulturelles Prinzip
Das neue wissenschaftliche Netzwerk „Imitation: Mechanismen eines kulturellen Prinzips im europäischen Mittelalter“ ist im November 2014 gestartet. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Netzwerk vereint 15 internationale Wissenschaftler, die über drei Jahre hinweg die kulturtragenden Mechanismen des Imitierens im Mittelalter erforschen. Eingeworben hat es Dr. Jörg Sonntag von der Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte (FOVOG) der TU Dresden. „Schlagwörter wie Plagiat oder Imitationskultur prägen unser heutiges – anders als im Mittelalter – zumeist negatives Verständnis von Imitation.“, sagt der Mediävist. „Der ‚postmoderne’ Mensch scheint nach Originalität und freier Entfaltung seiner Individualität, nach dem Authentischen selbst zu streben. Dennoch geht der schlechte Beigeschmack des Imitierens in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen verloren.“
Jenseits des wirkmächtigen Motivs der Nachahmung Christi nämlich zeigt sich gerade im Mittelalter eine immense Anzahl von Idealfiguren, deren Taten und Geisteshaltungen in vielfältiger Weise nachgeahmt wurden. Könige sollten agieren wie David oder Salomo, die kirchliche Hierarchie fand ihre Analogien bei den Engelschören oder den Propheten des Alten Israel. Mythische Kriegergestalten wie Hektor und Achill prägten die adlig ritterliche Kultur. Als Vorbilder dienten zugleich auch die Natur, etwa die Bienen, politische Systeme der Vergangenheit oder künstlerische Arrangements in Ikonographie, Musik und Literatur.
Mit dem Netzwerk „Imitation“, das Dr. Jörg Sonntag gemeinsam mit Dr. Gerald Schwedler von der Universität Zürich leitet, entsteht ein dynamischer, multidisziplinärer Forschungsverbund, der die Qualität jener Nachahmungen in ihren moralischen, sozialen, rechtlichen, politischen, theologischen und künstlerisch-kreativen Dimensionen empirisch erhebt. Die Einzelergebnisse sollen in den mittelalterlichen Lebensbereichen von Stadt, Hof, Kirche und Kloster verglichen und die Kraft des Illusorischen für die vergangene wie gegenwärtige Kultur des Abendlandes untersucht werden.
Dr. Jörg Sonntag, der in Dresden und Marburg mittelalterliche Geschichte und Theologie studierte und 2007 an der TU Dresden promovierte, forscht seit 2009 an der Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte (FOVOG). Seit 2013 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sächsischen Akademie der Wissenschaften im Projekt „Klöster im Hochmittelalter. Innovationslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle“.
www.fovog.de
www.netzwerk-imitation.de
Informationen für Journalisten:
Dr. Jörg Sonntag
Tel.: 0351 479-34182