25.05.2021
Neue Forschungsergebnisse zur Akutbehandlung von Schlaganfällen im Hirnstamm
Jedes Jahr erleiden in Deutschland etwa 270.000 Menschen einen Hirninfarkt. Dabei bildet sich in einem der Blutgefäße des Gehirns ein Gerinnsel. Die Folgen können schwerwiegend und sogar lebensbedrohlich sein. Daher ist es entscheidend, schnell die richtige Behandlung zu erhalten. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Dresdner Neurovaskulären Centrums (DNVC) untersuchte die Wirksamkeit einer neuen Behandlungstechnik, wenn das Gerinnsel in einem Blutgefäß im Bereich des Hirnstamms auftritt.
Wenn ein Gerinnsel ein großes Blutgefäß des Gehirns verschließt, ist in neun von zehn Fällen die Arteria cerebri media betroffen. Die Folge ist eine Funktionsstörung im sogenannten vorderen Stromgebiet des Gehirns. Bereits 2015 haben Studien gezeigt, dass sich Patienten mit einem solchen Blutgerinnsel besser erholen, wenn das Gerinnsel lokal entfernt wird. Dabei wird ein Katheter in die Blutbahn eingeführt und das Gerinnsel abgesaugt oder mechanisch entfernt. Ob diese Behandlungsmethode auch Vorteile bietet, wenn das Gerinnsel im hinteren Stromgebiet des Gehirns auftritt und die Arteria basilaris betroffen ist, hat nun ein internationales Team aus Forscherinnen und Forschern untersucht. Die Ergebnisse wurden am 20. Mai 2021 in der führenden Fachzeitschrift New England Journal of Medicine (DOI: 10.1056/NEJMoa2030297) veröffentlicht.
"Wir wollten wissen, ob die neue Technik, die mittlerweile für das vordere Stromgebiet einen Standard in der Schlaganfalltherapie darstellt, auch beim Verschluss eines Blutgefäßes im hinteren Stromgebiet des Gehirns, der Arteria basilaris, gut funktioniert. Dieses Blutgefäß versorgt den lebenswichtigen Hirnstamm. Die betroffenen Patienten befinden sich oft in einem schlechten klinischen Zustand, sind vielfach beidseitig gelähmt oder komatös", sagt Prof. Volker Pütz, Schlaganfallexperte und Oberarzt am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. Er hatte gemeinsam mit Dr. Johannes Gerber, Leitender Oberarzt am Institut für Neuroradiologie, und dem Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus, die Koordination der Studie für die in Deutschland beteiligten Zentren übernommen. Sie dauerte zehn Jahre, es waren 23 Krankenhäuser aus sieben Ländern beteiligt und insgesamt konnten die Daten von 300 Patienten ausgewertet werden. Bei der Hälfte von ihnen wurde das Gerinnsel lokal über einen Katheter entfernt. Die andere Hälfte erhielt starke Blutverdünner, die das Gerinnsel auflösen sollten.
Es zeigt sich insgesamt ein leichter Vorteil der neuen Behandlungstechnik, der jedoch nicht statistisch signifikant war. Nur in der Untergruppe der Patienten, die vor der Behandlung schwere neurologische Ausfälle hatten, ergab sich ein Vorteil der neuen Technik. Dies betraf etwa vier von fünf der in der Studie untersuchten Patienten. "Die lokale Entfernung des Gerinnsels ist damit zwar auch im hinteren Stromgebiet sicher, aber insgesamt vermutlich weniger effektiv als die Entfernung im vorderen Stromgebiet", so das Fazit von Prof. Pütz und seinem Kollegen Dr. Gerber, die Co-Autoren der Studie sind. Es sei daher naheliegend, dass sich zukünftige Forschung um eine weitere Verbesserung der Behandlungstechniken und Kriterien für die Auswahl von Patienten, die von dieser Therapie profitieren, bemühen müsse, so das Dresdner Forscherteam weiter.
Für Prof. Heinz Reichmann, Dekan der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus an der TU Dresden, ist der vorläufige Abschluss der über zehnjährigen Forschung auch ein Beleg für das erfolgreiche Arbeiten des Dresdner Neurovaskulären Centrums (DNVC) im Neurovaskulären Netzwerk Ostsachen/Südbrandenburg (SOS-NET) und der AG Schlaganfallforschung am UKD. 2018 erstmals zertifiziert, stellt das SOS-NET die Behandlung von Patienten mit neurovaskulären Erkrankungen auf höchstem Niveau sicher. "Die enge und professionelle Zusammenarbeit hat Leben gerettet und ermöglicht es, aufgrund der Patientenzahlen valide Daten zusammenzutragen, auf deren Basis noch effektivere Therapieansätze gefunden werden können", sagt Prof. Heinz Reichmann, zugleich Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Carls Gustav Carus in Dresden.
Kontakt:
Dresdner Neurovaskuläres Zentrum (DNVC)
Neurovaskuläres Netzwerk Ostsachsen/Südbrandenburg (SOS-NET)
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Institut für Neuroradiologie
Prof. Volker Pütz
AG Schlaganfallforschung
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Uniklinikum Carls Gustav Carus an der TU-Dresden
Tel.: +49 351 458-3565
www.uniklinikum-dresden.de
www.sos-net.de