14.01.2020
Richard Paulick – einer der bedeutendsten DDR-Architekten
Er begann sein Architekturstudium 1923 an der TH Dresden und arbeitete später bei Walter Gropius in Dessau
Tanja Scheffler
Im Café Sibylle in Berlin ist aktuell eine sehr interessante Ausstellung über Richard Paulick (1903–1979) zu sehen. Sie beleuchtet viele neue, bislang kaum bekannte Aspekte seines Lebens- und Berufsweges.
Paulick war einer der wichtigsten Architekten und Stadtplaner der DDR. Er hatte als »Leiter des Aufbaustabs« die organisatorische und baustellentechnische Oberleitung über den ersten klassisch-monumentalen Bauabschnitt der von einer größeren Gruppe von Architekten zusammen konzipierten Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin, dem wichtigsten ostdeutschen Prestigeprojekt der 1950er-Jahre. Dabei entwarf er auch den Block C (1953), in dem sich das legendäre Café Sibylle befindet, in dem sich früher die Redakteure und Models der gleichnamigen DDR-Frauenzeitschrift trafen.
Studienbeginn an der TH Dresden
Richard Paulick wurde in der später nach Dessau eingemeindeten Stadt Roßlau geboren. Er begann sein Architekturstudium 1923 an der Technischen Hochschule Dresden, der heutigen TUD. Einer der damals führenden deutschen Architekten – und anfangs auch Paulicks großes Vorbild – war Hans Poelzig. Dieser war 1916 bis 1920 Stadtbaurat in Dresden und gleichzeitig auch Honorarprofessor an TH Dresden gewesen, hatte später jedoch eine Professur an der TH Berlin-Charlottenburg angenommen. Trotzdem war er weiterhin mit verschiedenen Projekten in Dresden präsent. Dabei wurde sein Bauvorhaben eines monumentalen Geschäftshauses mit integriertem Hotel auf dem damaligen Bismarck- und heutigen Friedrich-List-Platz, das sich – wenn es realisiert worden wäre – genau zwischen den Hauptbahnhof und das althergebrachte, im Zweiten Weltkrieg zerstörte Hauptgebäude der TH geschoben hätte, jahrelang heiß diskutiert (siehe UJ 20/2016).
Wechsel an die TH Berlin-Charlottenburg
Paulick wechselte, um bei Poelzig studieren zu können, 1925 an die TH Berlin-Charlottenburg (heute TU Berlin) und hatte ab diesem Zeitpunkt als Pendler zwischen Heimat- und Studienort auch engen Kontakt zum mittlerweile nach Dessau umgezogenen Bauhaus. Bereits als Student drehte er Informationsfilme wie »Das Bauhaus und seine Bauweise« und entwarf zusammen mit Georg Muche das »Stahlhaus« in Dessau. Ab 1927 arbeitete er in dem damals im Bauhaus-Gebäude untergebrachten Architekturbüro von Walter Gropius unter anderem am Dessauer Arbeitsamt und der Siedlung Törten mit. Nachdem Gropius das Bauhaus verlassen hatte, betreute Paulick die vor Ort noch abzuschließenden Projekte, folgte ihm danach nach Berlin und arbeitete bis 1930 weiterhin in dessen Atelier. Parallel dazu realisierte er aber auch erste eigene moderne Projekte.
Emigration nach China und Rückkehr in die DDR
1933 emigrierte Paulick nach Shanghai und kam erst 1950 nach Berlin zurück: zu einer Zeit, als in der DDR die historisierende Architekturlinie der »Nationalen Traditionen« politisch vorgegeben war.
Er konnte, obwohl er sich anfangs gegen diese gestalterische Linie massiv wehrte, aufgrund seines traditionellen Studiums in Dresden, das stark auf das Kopieren und Nachahmen von althergebrachten Bauwerken abzielte, sehr gut historische Stile zeitgemäß weiterentwickeln. Im Zuge der Realisierung der als Vorbildprojekt fungierenden, später in Karl-Marx-Allee umbenannten Stalinallee stieg Paulick schnell zur wichtigen Leitfigur auf. Er wurde 1953 von der Bauakademie beauftragt, die bereits teilweise realisierten Wiederauf- und Neubauplanungen der Technischen Hochschule Dresden zu überarbeiten.
Ein Campus für das Verkehrswesen
Paulick konzipierte einen später nur ansatzweise umgesetzten neuen Bebauungsplan für einen südöstlich des Hauptbahnhofs gelegenen, nur dem Verkehrswesen vorbehaltenen Campus. Das dazugehörende Hauptgebäude der neu gegründeten früheren Hochschule für Verkehrswesen, in dem sich heute die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) befindet, sollte dabei auf der Ostseite des heutigen Friedrich-List-Platzes errichtet werden. Über die konkrete Form dieses Gebäudes gab es jedoch jahrelang heftige Diskussionen. Anfangs versuchte Paulick (mit Poelzigs altem, von der Ausrichtung her gedrehtem Verwaltungsgebäude-Entwurf im Hinterkopf) durch die Übernahme einiger bereits bei der Stalinallee bewährter Gestaltungselemente eine den Ansprüchen der »Nationalen Traditionen« entsprechende Kubatur und Architektursprache zu entwickeln.
Bauvorgaben lockerten sich nach Stalins Tod
Beim stetigen Austesten der sich nach Stalins Tod immer mehr lockernden Vorgaben wurden seine Entwürfe durch den sukzessiven Verzicht auf Säulenvorhalle, Balustraden und weiteren Bauschmuck dann immer schlichter und blockhaft-monumentaler. Der erste Bauabschnitt wurde 1959 übergeben, der zweite 1962, der dritte 1965. Für das zentrale Treppenhaus konnte Paulick sogar eine geometrisch-abstrakte Innenwandgestaltung durchsetzen. Sie ist heute noch ein Blickfang.
Die aktuelle Ausstellung zeichnet aber auch noch viele weitere Facetten seines Berufsweges – vom Bauhaus in Dessau über seine Projekte während der Emigration in Shanghai bis zu den neuen Planstädten der DDR – detailreich nach. Er leitete, weil er sich seit seiner Mitarbeit an der Versuchssiedlung Dessau-Törten mit Kranbahnen und der Fließfertigung von Bauteilen auskannte, während der DDR-Zeit auch den Aufbau der großen neuen Industriestädte Hoyerswerda, Schwedt und Halle-Neustadt und konnte so den ostdeutschen Städtebau dieser Ära maßgeblich prägen und mitgestalten.
Ausstellung:
Bauhaus, Shanghai, Stalinallee, Ha-Neu. Der Lebensweg des Architekten Richard Paulick 1903–1979.
Ausstellung der Hermann-Henselmann-Stiftung im Café Sibylle, Karl-Marx-Allee 72, 10243 Berlin, bis Ende April 2020, Mo-So: 10-19 Uhr, danach im Bauhaus Dessau
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 1/2020 vom 14. Januar 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.