03.07.2017
Spitzenforschung in Sachsen: Symbiose der Hochtechnologiefelder „Leichtbau mit Carbon“ und „Energiespeicherung“
Wissenschaftlern der TU Dresden (TUD) ist es gelungen, eine neue interdisziplinäre Nachwuchsforschergruppe „e-Carbon“ ins Leben zu rufen. Chemiker, Textilingenieure und Kunststofftechniker werden in den nächsten drei Jahren gemeinsam maßgeschneiderte und multifunktionale Kohlenstofffasern für die Speicherung hoher Energiedichten entwickeln. Die Ergebnisse sollen der Batterietechnik und der Elektromobilität zum industriellen Durchbruch verhelfen. Das Projekt wird von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert (ESF-SAB 100310387).
Energiespeicherung und Leichtbau sind vor dem Hintergrund globaler Megatrends wie der Verknappung von natürlichen Ressourcen bei gleichzeitig zunehmend individualisierter Lebensweise wesentliche Schlüsseltechnologien, unter anderem im Bereich innovativer Mobilitätskonzepte. Bei der Entwicklung neuer Hightech-Produkte in diesen Branchen am Standort Sachsen Spielt der nachhaltige Einsatz von neuartigen Werkstoffen mit hoher Funktionsdichte eine besondere Rolle. Kohlenstofffasern haben dabei ein enormes Potenzial.
Dieser komplexe Themenstellung widmen sich Nachwuchswissenschaftler vom Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM), Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) sowie von der Professur für Anorganische Chemie I (AC1). Die interdisziplinäre Ausrichtung des Konsortiums schafft weltweit einzigartige Voraussetzungen für eine intensive wissenschaftliche und industrielle Vernetzung der Nachwuchsforscher in neuen Forschungsgebieten mit hoher praktischer Relevanz auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Qualifizierung und Weiterbildung von Fachkräften für den sächsischen Arbeitsmarkt sowie auf der Ausgründung von Start-Ups und der Übernahme unternehmerischer Verantwortung in der Hochtechnologiebranche.
Professor Chokri Cherif, Koordinator der Nachwuchsforschergruppe und Direktor des ITM: „Die Arbeiten der Nachwuchsforschergruppe geben die Initialzündung für die weiterführende Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung auf dem Gebiet der Kohlenstofffasern. Wir werden einen neuen Maßstab in der Kohlenstofffaserentwicklung setzen und besondere Impulse weltweit ausstrahlen.“
Die notwendigen Maschinentechniken und Gerätschaften entlang der gesamten Entwicklungskette sind an den drei Instituten der TU Dresden bereits installiert. 2016 wurde das Research Center Carbon Fibers Saxony (RCCF), ein Forschungszentrum für Kohlenstofffasern durch das ITM und ILK der TU Dresden gegründet, um die einzigartigen Kompetenzen im Bereich der Entwicklung, Erforschung und Herstellung von Kohlenstofffasern frühzeitig am Leichtbaustandort Dresden zu bündeln. Somit steht nun für „e-Carbon“ bereits eine vollständige Stabilisierungs- und Carbonisierungsanlage zur Verfügung.
Mit den neuen Kohlenstofffasern lassen sich nicht nur Steifigkeiten und Festigkeiten noch deutlich erhöhen, die Struktur kann auch für weitere Funktionen gezielt eingestellt werden. Mit ihrer großen inneren Oberfläche, die bisher nicht zugänglich ist, bieten die Kohlenstofffasern ein enormes Potenzial für Energiespeichersysteme, die zukünftig im Fokus der Nachwuchsforschergruppe stehen werden. Dies wird maßgeblich durch ein Porensystem ermöglicht, also durchgängig vernetzte Hohlräume definierter Größe in den Fasern. Ein bedeutender Vorteil bei der erweiterten Energiespeicherung besteht darin, dass hierbei die mechanischen Eigenschaften der konventionellen Kohlenstofffasern nicht beeinträchtigt werden und diese sowohl als Aktivmaterial als auch als Stromableiter fungieren.
„Das Maßschneidern der Kohlenstofffasern und die Hybridisierung der Werkstoffe auf der Mikroskala wird deutlich höhere Batteriekapazitäten als bisher erschließen und vollständig neue Konstruktionsbauweisen für die Elektromobilität von der Mikro- bis zur Makroskala ermöglichen“, erklärt dazu Professor Hubert Jäger vom Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK). „Maßgeschneiderte Kohlenstofffasern bedeuten präzise Materialeigenschaften und sind eine Voraussetzung für hochbelastbare und energiereiche Batteriekonzepte mit hohem Leichtbaupotenzial. Das wird unser Beitrag für die Entwicklung neuartiger Elektromobilitätssysteme sein.“
Innerhalb verschiedener Forschungsschwerpunkte der Nachwuchsforschergruppe sollen Energiespeichersysteme auf Basis von Lithium-Schwefel-Batterien mit hoher Energiedichte Anwendung finden und perspektivisch Konzepte zur Übertragung der erarbeiteten Erkenntnisse im Bereich flexibler Doppelschichtkondensatoren mit schneller Energiespeicherung erstellt werden. Der Chemiker Professor Stefan Kaskel stellt heraus: „Die Integration von elektrischen Speicherelementen in Bauteile wird neue Märkte für Kohlenstoffmaterialien eröffnen. Sie bildet einen wichtigen Schritt für die Etablierung dezentraler Energiespeichersysteme“.
Gefördert wird das Projekt durch:
Informationen für Journalisten:
Prof. Chokri Cherif
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
Tel.: +49 (0) 351 463-39300
Prof. Hubert Jäger
Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK)
Tel.: +49 (0) 351 463-37915
Prof. Stefan Kaskel
Fachrichtung Chemie und Lebensmittelchemie
Professur für Anorganische Chemie 1 (AC 1)
Tel.: +49 (0) 351 463-34885
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
Die Forschungsaktivitäten am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden mit 240 Mitarbeitern unter der Leitung von Prof. Chokri Cherif sind auf die Bereiche Maschinen-, Technologie- und Produktentwicklungen (Faserverbundwerkstoffe, Bautextilien, Bio- und Medizintextilien, Textilien für Sensornetzwerke/Funktionstextilien, konfektionierte Produkte/Preforming) fokussiert. Sie beinhalten u.a. die Verarbeitung von faserbasierten High-Tech Werkstoffen insbesondere von Carbon-, Glas-, Aramid-, Stahl- und Keramikfasern nach unterschiedlichen Verarbeitungstechnologien sowie die funktionsintegrierte Entwicklung von textilen 3D-Halbzeugen und Textilprodukten. Ergänzt werden die Forschungsaktivitäten durch die Modellierung und Simulation von Strukturen und Prozessen entlang der gesamten textilen Kette.
Die textile Wertschöpfungskette wurde in jüngster Zeit durch die Anschaffung einer Bikomponenten-Schmelzspinnanlage im Rahmen der Exzellenz-Initiative der TU Dresden „Support-the-Best“ erweitert. So steht dem ITM neben der bereits vorhandenen hochflexiblen Lösungsmittel-Nassspinnanlage zur Erspinnung von bspw. PAN-Precursorfasern für Carbonfasern mit der hochmodularen Schmelzspinnanlage nun auch Möglichkeit zur Verfügung, die Kompetenzen der Fasererspinnung sowohl im Bereich der technischen Thermoplaste, wie z.B. Polyetheretherketone (PEEK) aber auch biobasierte Materialien wie Lignine weiter auszubauen.
Zusätzlich verfügt das ITM über eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur mit modernster Maschinentechnik und Geräten entlang der gesamten textilen Prozesskette.
Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK)
Das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) ist eine Forschungseinrichtung der Fakultät Maschinenwesen und der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der Technischen Universität Dresden. Auf dem Gebiet des ressourcenschonenden Leichtbaus hoher Material- und Energieeffizienz führen rund 240 Mitarbeiter umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durch. Die Arbeit am ILK ist geprägt vom Dresdner Modell eines "Funktionsintegrativen Systemleichtbaus in Multi-Material-Design" und basiert auf einem werkstoff- und produktübergreifenden Ansatz. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ILK betrachten bei der Entwicklung neuer Konzepte, Prozesse und Produkte die gesamte Entwicklungskette: Werkstoff – Konstruktion – Simulation – Fertigung – Prototypentests – Qualitätssicherung – Kosten. Geleitet wird das ILK von einem vierköpfigen Vorstand: Prof. Maik Gude (Professur für Leichtbaudesign und Strukturbewertung), Prof. Hubert Jäger (Professur für Systemleichtbau und Mischbauweisen), Prof. Niels Modler (Professur für Funktionsintegrativen Leichtbau) sowie Prof. Werner Hufenbach (Seniorprofessur).
Professur für Anorganische Chemie 1 (AC1)
Der Lehrstuhl Anorganische Chemie 1 unter Leitung von Prof. Kaskel an der TU Dresden mit über 40 Mitarbeitern fokussiert sich seit vielen Jahren auf die Forschung und Entwicklung von porösen und nanostrukturierten anorganischen Materialien für die Energiespeicherung. Nanoporöse Materialien werden dabei sowohl in der Gasspeicherung wie auch als Elektrodenmaterialien eingesetzt. Mit spezifischen Oberflächen von über 4000 m2/g sind sehr hohe Werte erzielbar. Damit gehört AC1 zu den technologischen Spitzenreitern. Diese Ergebnisse beziehen sich auf die Klasse der „DUT-n“ Materialien und sollen auf die kohlenstoffbasierten Strukturen übertragen werden.
Arbeiten zu kohlenstoffbasierten Elektrodenmaterialien wurden daher auch in der regionalen Exzellenzinitiative des Landes Sachsen (ECEMP) gefördert. Hierbei wurden skalierbare Methoden zur Herstellung von Kohlenstoffelektroden mit Oberflächen bis 3000 m²/g für Superkondensatoren und Li/Na-Schwefel-Batterien in Kooperation mit dem Fraunhofer IWS entwickelt. So konnten für Li-Schwefel-Batterien erstmalig Schwefel/Kohlenstoff-Composite-Kathoden mit bis zu 1200 mAh/g mit 4 µl/mg-Schwefel realisiert werden. Prof. Kaskel fungierte als Koordinator des DFG-Schwerpunktprogramms SPP 1362 (Poröse keramische Materialien).