10.03.2014
TUD-Professor Gerhard Fettweis stellt „Taktiles Internet“ auf der CeBIT vor
„Es handelt sich um nichts weniger als eine neue Stufe der
digitalen Revolution“, erklärt Professor Gerhard Fettweis,
Vodafone Stiftungslehrstuhl Mobile Nachrichtensysteme der
Technischen Universität Dresden. Der Koordinator des Center for
Advancing Electronics Dresden (cfaed) ist federführend bei
einer gemeinsamen Initiative deutscher Forschungsinstitute und
Industrieunternehmen zum „Taktilen Internet“, die am 10. März
2014 auf der CeBIT in Hannover präsentiert wurde. Global werden
– zum Beispiel unter dem Betriff fünfte Mobilfunkgeneration
(5G) – Milliardenbeträge in die Forschung zu diesen Systemen
investiert.
In diesem Zusammenhang steht auch eine geplante Zusammenarbeit
der TU Dresden mit dem King's College in London und der
Universität von Surrey zur Entwicklung des superschnellen
mobilen Internet-Standards 5G.
Es ist offensichtlich, dass die Querschnittbedeutung dieser
zukünftigen, digitalen Infrastruktur weit über den Mobilfunk
hinaus erkannt wurde und der Wettbewerb um die
Technologieführerschaft international große Priorität genießt.
Innovationen in Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau, der
Automobilindustrie, Transport und Logistik, dem
Gesundheitswesen und der öffentlichen Verwaltung werden
langfristig nur dann in Deutschland und Europa entstehen, wenn
sie vor Ort entwickelt, getestet und genutzt werden
können.
„Die Weiterentwicklung der europäischen Technologieführerschaft
im Bereich der Netzwerktechnologien ist – wie die NSA
Aktivitäten deutlich demonstriert haben – nicht nur eine
wirtschaftliche Notwendigkeit“, betont der Koordinator des
TUD-Exzellenzclusters für Mikroelektronik. Der
Querschnittscharakter der zukünftigen
Kommunikationsinfrastruktur macht eine prägende und führende
Rolle der deutschen und europäischen Forschung und Entwicklung
in diesem Bereich, basierend auf internationalen Standards, zu
einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Notwendigkeit.
„Deutschland hat auf Grund der ausgezeichneten
Forschungslandschaft gute Voraussetzungen, bei der Erforschung
und Einführung von Schlüsseltechnologien für das Taktile
Internet eine führende Rolle zu spielen“, sagt Prof. Gerhard
Fettweis. „Die starke Position Deutschlands sowohl bei den
Entwicklern grundlegender Technologien als auch bei den
beschriebenen Nutzergruppen erlaubt es Synergien zu nutzen, die
beiden Gruppen einen Vorsprung im internationalen Wettbewerb
verschaffen werden. Dies garantiert der deutschen Gesellschaft
und Wirtschaft die Verfügbarkeit der weltweit
fortschrittlichsten Kommunikationsinfrastruktur.“
Aus dieser Situation ergeben sich nach Fettweis folgende
dringende Handlungsempfehlungen: Die deutsche Forschung muss in
enger Kooperation der beschriebenen Anwendergruppen,
Hersteller, Netzwerkbetreiber und Forschung eine führende Rolle
in der Entwicklung zukünftiger Kommunikationsinfrastrukturen
spielen. Hierbei sollten ergänzend zu europäischen Engagements
zu 5G insbesondere Themen getrieben werden, die für zukünftige
Innovationen wichtiger deutscher Branchen von großer Bedeutung
sind. Koordinierte Forschungsförderung ist insbesondere in den
folgenden Bereichen erforderlich:
- Neuartige Funkzugangsnetze, die ressourceneffizient höchste Anforderungen an die Ende-zu-Ende Latenz, die Zuverlässigkeit und die Robustheit erfüllen.
- Netzwerkbezogene Sicherheitskonzepte, die auch an die Nutzerbedürfnisse angepasste Konzepte zum Schutz der Privatsphäre beinhalten.
- Innovative und adaptive Netzwerkarchitekturen auf der Basis von Mobile Edge Clouds, sowie
- Sensorik und Aktorik für die beschriebenen taktilen Anwendungen der nächsten Generation.
Diese technologiegetriebenen Forschungsaktivitäten sollten
durch interdisziplinäre Programme ergänzt werden, die Anwender
mit höchsten Anforderungen an die Vernetzung mit den
entsprechenden Technologieentwicklern zusammen bringen. „Die
Weiterentwicklung der deutschen und europäischen
Technologieführerschaft in allen Aspekten der
Netzwerktechnologien muss als Grundlage für die selbstbestimmte
Weiterentwicklung unserer Wirtschaftsstrukturen aber auch
unserer Gesellschaft erkannt werden“, betont der TUD-Professor.
„Öffentliche Verwaltung, Bildung und Gesundheit sind besonders
wichtige gesellschaftliche Bereiche. Sie müssen künftig durch
eine professionelle digitale Infrastruktur geprägt werden.“ Nur
die Technologieführerschaft im Bereich der
Kommunikationstechnologie garantiere auch zukünftig, dass
Deutschland und Europa immer über die leistungsfähigste
Kommunikationsinfrastruktur verfügen werden. „Die Forschung und
Entwicklung vieler wichtiger Branchen wird ohne die
professionelle Infrastruktur des Taktilen Internets Deutschland
verlassen müssen“, warnt der Cluster-Chef. „Investitionen in
Forschung und Bildung, Regulierung und öffentliche
Investitionen müssen dem Rechnung tragen.“
Hintergrund-Info: Was kann das „Taktile Internet“ für die
Gesellschaft bedeuten?
Bildung, Weiterbildung, lebenslanges Lernen:
Moderne Lernmethoden wie E-Learning, Blended-Learning und
Massive Open Online Courses, aber auch Bewegungssimulatoren wie
z. B. Flugsimulatoren können um interaktive Elemente erweitert
werden, die weit über heutige einfache eingebettete Tests oder
spielerische didaktische Elemente hinausgehen. Durch die extrem
geringen Verzögerungen des Taktilen Internets wird es zukünftig
sogar möglich sein, Lehrende und Lernende haptisch zu
überlagern, was zu völlig neuen Lernerfahrungen, insbesondere
beim Einüben feinmotorischer Fähigkeiten führen wird.
Medizin:
Die vernetzte Expertise von Ärzten bei Tele-Diagnose und
Behandlung sowie die Kombination des Tastsinns erfahrener
Operateure in Verbindung mit höchster räumlicher Präzision bei
robotergestützten Tele-Operationen, auch über Distanzen hinweg,
resultieren in qualitativen Verbesserungen bei einer Vielzahl
von Eingriffen. Darüber hinaus führt sie Unterstützung
behinderter oder älteren Menschen durch Prothesen und
Kraftverstärker auf der Basis von Exoskeletten zu einer
erhöhten Mobilität und Beweglichkeit und ermöglicht dadurch
über einen längeren Zeitraum hinweg ein selbstbestimmtes
Leben.
Persönliche Sicherheitsumgebung:
Das Taktile Internet ermöglicht die Einrichtung einer
persönlichen räumlichen Sicherheitszone, die mit anderen
Objekten in der Umgebung in Wechselwirkung steht. Im
öffentlichen Verkehr beispielsweise kann langfristig eine
erhöhte Sicherheit für Kinder oder ältere Menschen erreicht
werden, indem Fahrzeuge sehr schnell kritische Situationen
erkennen, darauf situationsgerecht reagieren und andere
Verkehrsteilnehmer in ihrer Umgebung warnen. Auch in
Produktionsumgebungen kann eine erhöhte Arbeitssicherheit
erreicht werden, indem vernetzte Produktionseinrichtungen dem
Menschen ausweichen und somit Unfälle verhindert werden.
Verkehrssteuerung:
Die Vernetzung von Fahrzeugen ermöglicht kooperative
Verkehrssysteme, die den einsehbaren Fahrerhorizont erweitern
und die Steuerung des Individualverkehrs unter Berücksichtigung
von lokalen Gefährdungspotenzialen und makroskopischen
Verkehrsparametern, wie beispielsweise der Verkehrsdichte in
Stadtzentren erlauben. So können die Verkehrssicherheit und
Verkehrseffizienz nachhaltig verbessert, sowie die Unfallzahlen
und vor allem die Anzahl der Unfallopfer reduziert werden. Mit
dem Taktilen Internet kommunizieren Fahrzeuge wesentlich
schneller als mit existierenden Systemen zur lokalen
Gefahrenwarnung. Dadurch werden beispielsweise kooperative
Sicherheitsanwendungen zur automatischen Kollisionsvermeidung
unterstützt. Neue Verkehrsmodi wie automatisiertes Fahren und
Kolonnenfahren ermöglichen einen kontinuierlichen und
energieeffizienten Verkehrsfluss.
Energiewende, Elektrizitätsversorgung:
Das Taktile Internet ermöglicht in dezentralen Stromnetzen
Verbraucher und Lasten phasengenau zu schalten, und
Blindleistung zu minimieren. Es stellt eine funktionale
Erweiterung des Smart Grids dar und leistet damit einen Beitrag
zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur
Versorgungssicherheit.
Fotodownload (Foto: Jürgen
Lösel)
Informationen für Journalisten:
Birgit Holthaus, cfaed-Pressereferentin
Telefon 0351 463-42848
Prof. Gerhard Fettweis, Tel.: 0173 3601159