28.04.2020
»Wir wünschen uns ein soziales und verständiges Miteinander.«
Wie der Notbetrieb die TUD-Verwaltung verändert
Nichts führt uns den Dualismus von Gut und Schlecht derzeit so spürbar vor Augen wie die Veränderungen aufgrund des Corona-Virus. Seine tödlichen Folgen sind indiskutabel. Auf der anderen Seite erweckt jedoch der einende Gedanke, dieses Virus zu bekämpfen, die idealisierende Vorstellung von einer Gemeinschaft über die Grenzen der Familie hinaus. Das soziale Klima verbessert sich hinsichtlich Solidarität, Geduld, Hilfsbereitschaft und Verständnis, solange es nicht um Toilettenpapier geht. Arbeitskonstellationen und Versorgungsstrukturen, die denkbar, aber vermeintlich nicht umsetzbar waren, funktionieren. Wie wirken sich diese Veränderungen auf den Alltag der Universitätsmitarbeiter aus?
Seitdem die Universität am 21. März in den Notbetrieb wechselte, laufen Lehre und Verwaltung über Homeoffice und digitale Formate, während die sozialrelevanten Bereiche wie Medizin und Postlieferung weiter vor Ort arbeiten. Persönliche und berufliche Herausforderungen erlebt etwa das Sachgebiet 4.4, das für zentrale technische Dienste verantwortlich ist. Kathrin Brömmer steht unter anderem den Aufgabengebieten Transport, Gebäudebewirtschaftung und Umweltschutz vor: »Mein Team hat den Notbetrieb für das Dezernat 4 mit aufgebaut und setzt dies jetzt seit über vier Wochen mit um«, sagt die Sachgebietsleiterin. »Wir hatten teilweise mehr zu tun als sonst und ich bin stolz auf das außergewöhnliche Engagement meiner Mitarbeiter.« Dieses Team klärt zahlreiche praktische Details, die im Ausnahmezustand relevant werden. »Wir nutzen über 200 Gebäude und viele haben Besonderheiten, die es zu berücksichtigen gilt«, erklärt Brömmer. »Viele Gebäude sind im Eigentum des Freistaates Sachsen, andere angemietet. Wir müssen die Hausmeister und den Sicherheitsdienst koordinieren, Wasserleitungen prüfen, Zuständigkeiten klären. Wer ist verantwortlich für das jeweilige Schließsystem? Wie organisieren wir die Müllentsorgung im Notbetrieb, beispielsweise auch von Gefahrenstoffen?« Kathrin Brömmer resümiert: »Die Uni bleibt nie stehen.« Ihre Erfahrungen aus der Hochwasserzeit oder der Hörsaalbesetzung machen sich auch im Notbetrieb bezahlt: »Wir konnten ein Krisenmanagement mit Maßnahmen, Abläufen und Strukturen im Sachgebiet schaffen. Es gibt außerdem so viele tatkräftige, stille Helfer, die den Betrieb mit ihrem Engagement aufrechterhalten.«
Zwei davon sind Dirk Nüssler und Steffen Maurer vom Fuhrpark. Sie übernehmen die Auslieferung von Post und Hilfsgütern, die DRESDEN-concept bereitstellt. Ihre Arbeit vermittelt das beruhigende Gefühl, dass die Grundversorgung steht und es auch in der Krise weitergeht. »Die Tätigkeit ist derzeit konspirativ, denn wir sehen bei den regulären Auslieferungen kaum jemanden«, berichtet Dirk Nüssler. Auf seinen Diensteinsätzen verteilt er unter anderem TU-interne Post: »Es wurden provisorische kleine Packstationen eingerichtet, an denen wir Briefpost annehmen und zustellen. Das ist ungewohnt, aber wir wollen in der Situation unterstützen.« Sein Kollege Steffen Maurer sorgt wöchentlich dafür, dass das Leergut von Helium, Stickstoff und Trockeneis wieder befüllt werden kann und zurück an die Institute gelangt. Hinzu kommen Bereitschaftsdienste für Hilfsgüter. Im Transporter sind dann beispielsweise Folienzuschnitte, Kopfhalterungen und Gummilochbänder für Gesichtsvisiere, die die DRESDEN- concept und biosaxony-Partner im 3-D-Drucker herstellen. »Ich hole das Material in großen Stückzahlen von den Sammelstellen, den Forschungsinstituten und Unternehmen ab und bringe es an das Medizinisch-Theoretische Zentrum (MTZ), wo es zu Bausätzen verarbeitet wird. In dieser Zeit fahre ich fertige Bausätze zum Uniklinikum, an Krankenhäuser in Chemnitz und Freiberg sowie an Pflegeeinrichtungen, die Bedarf an Gesichtsvisieren haben.« Dort sind die Abnehmer mit ihrer Freude und Erleichterung alles andere als zurückhaltend: »Gerade bei der Verteilung der Hilfsgüter kommt sehr viel Dank. Neulich ist mir eine Frau mit Tränen in den Augen fast um den Hals gefallen, als ich Gesichtsvisiere für Pflegepersonal ausliefern konnte«, sagt Maurer. Sein Kollege Nüssler ergänzt: »Alle Stationen sind froh, wenn Lieferungen kommen. Wir wollen die Engpässe schließen, merken aber, dass es überall an Schutzausrüstung fehlt.« An der Auslastung hat sich für Steffen Maurer nichts geändert: »Seit Schließung habe ich tagtäglich Arbeit gehabt und empfinde das Pensum nicht als belastend.« Auch ihre Kollegen Heiko Endig, Oliver Weichert, Dirk Hofmann und Peter Schink sind für die TUD unterwegs. »Alle Fahrer fahren derzeit freiwillig, nehmen gern Aufträge entgegen, planen miteinander und sind jederzeit einsatzbereit«, lobt Fuhrparkleiter Sven Urbanek.
Derweil wird im Sachgebiet 4.4 die Wiederaufnahme des Universitätsbetriebs mit vorbereitet. Kathrin Brömmer: »Im Krisenstab der TUD und in den Teams entstehen viele gute Ideen, worauf man jetzt verstärkt achten muss.« Zum Beispiel sind mobile Trennwände eine zusätzliche Maßnahme der Corona- Prävention. »Was wir bekommen konnten, können wir wenigstens dort verteilen, wo der meiste Publikumsverkehr herrscht. Die Details dazu werden gerade abgestimmt.« Als besonders wichtig erachtet sie Lösungen für die Risikogruppen. Befindlichkeiten ernst zu nehmen sei jetzt notwendig, damit sich jeder am Arbeitsplatz wohlfühlen könne, wenn wieder vor Ort gearbeitet werden darf. Die Sachgebietsleiterin denkt an die Ausbruchszeit Anfang März zurück, in der das Desinfizieren für einige zum gedachten »Allheilmittel« wurde. Leider kann die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln für alle Beschäftigten auch beim Wiedereinstieg nicht stattfinden, da die Liefermengen sehr beschränkt sind. Auch gab es im März Diebstähle von Desinfektionsmittel an der Universität. »Das hat mich wütend und traurig gemacht. Wir statten gerade schrittweise die Gebäude mit einer sehr geringen Anzahl an Spendern aus.« In Sachen Hygiene wird auch der SIB ein wichtiger Partner werden, denn über ihn laufen die Verträge mit den Reinigungsdienstleistern. »Wir wünschen uns an gewissen Stellen ein Mehr an Hygiene – an Türklinken, Handläufen, Fahrstühlen, sanitären Anlagen. Das gilt es in den nächsten Tagen zu klären. Trotzdem sind Eigenverantwortung und richtiges, intensives Händewaschen der Schlüssel zum Erfolg«, lautet die Empfehlung von Brömmer. Während das Gesundheitsmanagement den Drahtseilakt zwischen Service und Eigenverantwortung vollbringt, sollten Personal und Studenten bei allen Gegenständen besonnen überlegen, »wer fasst das alles an?« und gegebenenfalls selbst präventiv Nachwischen.
Neben dem gesamten Homeoffice laufen private Verpflichtungen in der Familie weiter. »Anfangs war alles neu und spannend, aber dann schnell auch anstrengend«, erzählt Brömmer. »Wir haben dem Tag eine klare Struktur gegeben und sind nun eingespielt. Man lernt viel als Familie und wird disziplinierter, weil man es schaffen will.« Der Tag strukturiert sich um die Schulaufgaben der neunjährigen Tochter herum. Ihre Spielzeit und die Abendstunden sind dann zusätzliche Arbeitszeit für die Eltern. Trotz der Doppelbelastung erlebt die Sachgebietsleiterin eine Entschleunigung: »Man hat mehr Zeit zum Nachdenken, was sein muss und was nicht. Gerade im Hinblick auf Umwelt und Klima sehen wir, dass sich der Arbeitsalltag auch ohne kostenintensive Reisen gestalten lässt.« Überlegungen zur Rolle der Arbeit stellt auch Dirk Nüssler vom Fuhrpark an und freut sich auf die Rückkehr zur Normalität: »Die leeren Zeitfenster lassen sich kaum mit Sozialleben füllen, daher muss die Arbeit wieder in vollem Umfang losgehen. Wenn wir nicht nützlich sein können, leidet das Wohlbefinden.« Steffen Maurer teilt seinen Enthusiasmus: »Wenn ich gerufen werde, bin ich da. Ich liebe meinen Job.« Einen Ausblick auf die Zeit nach Corona unternimmt Kathrin Brömmer: »Der Campus lebt nur, wenn Leute hier sein dürfen. Wir lernen gerade alle neue Regeln und wünschen uns ein soziales und verständiges Miteinander, damit sich der ›TU-Dresden-Spirit‹ wieder entfalten kann. Mit dieser Aussicht halten wir durch.« Es bleibt zu hoffen, dass die Motivation den Ausnahmezustand weiterhin überstrahlt und dass die humanistischen Ideale, zu denen man dieser Tage gedanklich gelangt, nachhaltig sein werden.
Magdalena Selbig
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 8/2020 vom 28. April 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.