May 06, 2022
»Ein unbezahlbares Jahr«
Einige Einrichtungen der TU Dresden ermöglichen jungen Menschen die Erfahrung eines Freiwilligen Sozialen Jahres
Beate Diederichs
Das Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) bietet seit 2016 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Wissenschaft an. »Damit möchten wir bei den jungen Leuten frühzeitig Begeisterung für die Wissenschaft wecken und auch Nachwuchsförderung betreiben«, sagt Judith del Mestre, die Koordinatorin für das FSJ am CRTD. Mehr als 40 Freiwillige haben das Angebot bisher durchlaufen. Für Solveig Arndt, die ihr FSJ im Juni beenden wird, ist diese Praxiserfahrung schon jetzt etwas, das sie nicht missen möchte.
Die Entscheidung, einen bestimmten Beruf zu ergreifen, sollte gut bedacht sein. Investiert man doch oft mehrere Jahre seines Lebens in die Ausbildung, und zwar umso mehr, je anspruchsvoller diese ist. So handelte die 19-jährige Dresdnerin Solveig Arndt sehr überlegt, als sie zwischen ihrem Schulabschluss am Sportgymnasium Dresden und dem geplanten Studienstart zunächst die Praxis kennen lernte: »Damit wollte ich gewissermaßen meinen Wunschberuf auf die Probe stellen und herausfinden, wie es wirklich ist, in der biomedizinischen Forschung zu arbeiten. Gleichzeitig war es mein Wunsch, den Alltag in einem Forschungsinstitut zu erleben und praktische Erfahrungen zu sammeln, die mir im Studium nützlich sein könnten, wie im Labor zu arbeiten oder Experimente zu planen.« Einige Monate vor dem Start des Freiwilligen Sozialen Jahrs in der Wissenschaft am Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD, die Abkürzung für die englische Bezeichnung Center for Regenerative Therapies Dresden) bewarb sich Solveig Arndt über den Träger, das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Im Anschluss wurden sie und die anderen FSJ-Interessierten zu Vorstellungsgesprächen ins CRTD eingeladen, bei denen sie die verschiedenen Forschungsgruppen kennen lernen konnten. So stellt das CRTD sicher, dass Freiwillige und Arbeitsgruppen gut zusammenpassen. Solveig begann ihr FSJ dann in der AG Calegari. Diese forscht im neurobiologischen Bereich und möchte die Entwicklung des Gehirns vom Embryo bis zum Erwachsenen besser verstehen und potenziell Erkrankungen wie Alzheimer gezielt therapieren oder vielleicht gar aufhalten. Seit September 2021 arbeitet sie dort und wird das noch bis Juni tun. An einzelnen Tagen innerhalb dieser Zeit besucht sie Seminarwochen oder Seminartage des Trägers DRK zu verschiedenen Themen und tauscht sich dabei mit anderen FSJlern aus. Rund zwei Monate vor Ende des FSJs zieht Solveig ein durchweg positives Fazit: »Jede Erfahrung, die ich hier gemacht habe, ist wertvoll. Dieses knappe Jahr ist unbezahlbar für mich: Da ich Medizin studieren möchte, kann ich so ziemlich alles anwenden, was ich hier gelernt habe.« In den letzten Monaten hat die junge Frau nicht nur biomedizinische Forschungsmethoden erlernt, wie Statistiken zu erstellen, Protokolle zu schreiben, Zellen zu züchten und genetisch zu verändern, zu mikroskopieren, Gewebeschnitte anzufertigen und zu färben. Sondern sie erwarb auch »Soft Skills«, wie im Team und unter Zeitdruck zu arbeiten, mit Vorgesetzten und der Kollegenschaft zu kommunizieren, mit Rückschlägen und Problemen umzugehen. »Ich habe unglaublich viel über die wahre wissenschaftliche Arbeitswelt erfahren. Als Schüler oder Student hat man eigentlich keine Ahnung, was es bedeutet, irgendwo angestellt zu sein, geschweige denn, ob die Vorstellungen vom Traumberuf tatsächlich mit der Realität vereinbar sind.« Solveig Arndt hat durch diese Einblicke für sich eine wichtige Entscheidung getroffen: Sie ist immer noch fasziniert von der biomedizinischen Forschung, findet aber, das Arbeitsmodell der Wissenschaftswelt passt nicht zu ihr. Daher wird sie ein Medizinstudium beginnen, von dem sie einen geregelteren Alltag beispielsweise in einer Arztpraxis oder einem Krankenhaus erwartet. Vielleicht kann sie auch dabei von den Eindrücken profitieren, die sie im Umfeld der internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am CRTD sammelt: »Wir kommen hier mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Kulturen zusammen. Englisch habe ich im FSJ erst richtig gelernt, weil ich es von Anfang an sprechen musste, da außer unserer Technischen Assistentin und mir in der Arbeitsgruppe niemand aus Deutschland kommt. Am Anfang war es nicht einfach, die verschiedenen Akzente, wie den italienischen und den brasilianischen, zu verstehen, doch jetzt komme ich gut klar.«
Im Falle Solveig Arndts erfüllt sich das, was das Team des CRTD damit bezweckt, ein FSJ in der Wissenschaft anzubieten. »Wir möchten damit frühzeitig Begeisterung für die Wissenschaft wecken und hoffen, dass unsere Themen über die Freiwilligen auch in die Gesellschaft getragen werden«, sagt Koordinatorin Judith del Mestre. Sie ist Ansprechpartnerin für die Freiwilligen, für diejenigen, die sie in den Arbeitsgruppen betreuen, und Schnittstelle zum Team Freiwilligendienste des Trägers DRK. Seit dem ersten Jahrgang, der unter Judith del Mestres Vorgängerin, der promovierten Wissenschaftlerin Maren Henneken, im Jahr 2016/2017 startete, haben reichlich vierzig junge Frauen und Männer das FSJ am CRTD absolviert. »Der überwiegende Teil fühlt sich durch den Freiwilligendienst darin bestärkt, ein Studium oder eine Ausbildung im wissenschaftlichen oder medizinischen Bereich zu beginnen«, betont die Koordinatorin.
Das Ziel, wissenschaftlichen Nachwuchs zu gewinnen, hat das FSJ bei Florian Salomon in idealer Weise erfüllt: Der heutige Masterstudent absolvierte sein FSJ am CRTD von 2017 bis 2018. »Zu meinen Aufgaben gehörte es, bei der Tierpflege zu helfen und Laborarbeiten durchzuführen, wobei ich meist Doktoranden in der Arbeitsgruppe Yun bei ihrer Tätigkeit unterstützte. Ich bekam sogar ein eigenes Forschungsprojekt zur bioinformatischen Sequenzanalyse verschiedener DNA-Sätze zugeteilt und wurde dadurch Co-Autor in einem Manuskript.« Die wissenschaftliche Arbeit als Freiwilliger begeisterte Florian so sehr, dass er danach Molekulare Biologie auf Bachelor an der TUD studierte und dann zum Wintersemester 2021/22 den Masterstudiengang Regenerative Biology and Medicine am Center for Molecular and Cellular Bioengineering begann, der Zentralen Wissenschaftlichen Einrichtung der TUD, zu der das CRTD gehört. Was er in seinem Jahr am CRTD gelernt hat, kann er dabei in vielfältiger Weise nutzen, ist Florian Salomon überzeugt. Er steht immer noch in Kontakt und Austausch mit Studierenden, Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs aus allen Teilen der Welt. Das Wissen aus dem Jahr hat ihm geholfen, seinen Studienwunsch zu konkretisieren und selbstsicher ans Studium und die unterschiedlichen Praktika heranzugehen. Es war hilfreich, als es darum ging, für das Masterstudium ausgewählt zu werden. »Am Ende des Grundlagenstudiums konnte ich zudem in das Labor meiner damaligen Arbeitsgruppe zurückkehren und dort an der Regeneration am Axolotl forschen«, berichtet Florian Salomon abschließend.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 8/2022 vom 3. Mai 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.