Nov 02, 2021
Eine Geschichte über den Schmerz
Kopfschmerzen – ein weites Feld mit Handlungsbedarf
Dagmar Möbius
Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen werden noch immer unterschätzt. Deshalb waren sie ein Schwerpunkt des hybrid durchgeführten Deutschen Schmerzkongresses 2021.
PD Dr. Gudrun Goßrau, Leiterin der Kopfschmerzambulanz im Interdisziplinären Universitätsschmerzzentrum am Universitätsklinikum Dresden (UKD), fungierte als eine von zwei Kongresspräsidentinnen. Sie sagt: »Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind ein weites Feld. Sie sollten auf keinen Fall bagatellisiert werden.« So zeigten nordeuropäische Langzeitstudien, dass die Kopfschmerzhäufigkeit bei Schülerinnen und Schülern in den letzten 30 Jahren deutlich zunahm. Als Gründe werden veränderte soziale Gewohnheiten, weniger Bewegung, erhöhter emotionaler Stress und erhöhte Leistungsanforderungen in der Schule genannt.
Schon vor der Coronapandemie, im März 2019, veröffentlichte ein interdisziplinäres Forscherteam des Universitätsklinikums Dresden in der Fachzeitschrift »Cephalgia« Ergebnisse einer Querschnittsstudie (»The prevalence of headache in German pupils«), die die Häufigkeit von Kopfschmerzen und Begleiterscheinungen bei Dresdner Schülerinnen und Schülern untersucht hatte. Dazu erhielten 5419 Schülerinnen und Schüler an Primar- und Sekundarschulen anonymisierte Fragebögen. Ziel war, Daten zu Demografie, Kopfschmerzhäufigkeit, Schmerzmittelkonsum, Schulabwesenheit sowie zum Lebensstil zu erheben. 2706 Kinder nahmen teil, davon 1362 Mädchen und 1344 Jungen. Mehr als zwei Drittel von ihnen gaben einen monatlichen Kopfschmerztag innerhalb der letzten drei Monate an, ein weiteres Drittel zwei Kopfschmerztage. Knapp die Hälfte der Kinder nahm in Eigenregie frei verkäufliche Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol ein. »Medikamente sollten ärztlich verordnet werden. Werden sie unkontrolliert eingenommen, können sie die Beschwerden verstärken, manche Mittel sind für Kinder gar nicht geeignet«, betont die Schmerzexpertin.
Aber: »Rund 68 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit zwei Kopfschmerztagen pro Monat hatten keine ärztliche Diagnose erhalten.« Betroffene fehlen zudem öfter in der Schule. »So können sie in einen Teufelskreis aus Leistungsabfall, Schulangst und sozialer Isolation geraten, der ihre Zukunft gefährdet«, warnt Dr. Gudrun Goßrau. Die Kenntnisse bei Laien, aber auch bei medizinischem Personal über die Problematik, seien noch nicht so gut ausgeprägt. Kinder und Jugendliche mit häufigen Kopfschmerzen sollten in spezialisierten interdisziplinär arbeitenden Ambulanzen diagnostiziert und betreut werden, wobei die bestehenden Strukturen den Bedarf weit übersteigen.
Das Dresdner Kinderkopfschmerzprogramm (DreKiP) setzt hier mit seinem multimodalen Gruppentherapieprogramm an. Dabei lernen Kinder und Jugendliche in acht Terminen das richtige Verhalten bei akuten Kopfschmerzen, sie stellen ihren Tages- und Schlafrhythmus sowie Ernährungs- und Trinkgewohnheiten um, bewegen sich mehr und regelmäßig und lernen Entspannungsmöglichkeiten kennen. »Diese einfachen therapeutischen Maßnahmen können die Kopfschmerzen oft deutlich lindern«, fasst Dr. Gudrun Goßrau zusammen. Auf der Website der Kinderkopfschmerzambulanz am UKD kann außerdem ein 40-seitiges Comic-Heft heruntergeladen werden, das kindgerechte Informationen vermittelt.
Weitere aktuelle Themen des Deutschen Schmerzkongresses 2021 waren unter anderem akute und chronische Schmerzen bei COVID-19, speziell COVID-assoziierte Kopfschmerzen, Migräne, »sensible Neuronen«, Fibromyalgie und Cannabis in der Medizin.
Infos und Kontakt zur Kopfschmerzambulanz am UKD:
https://www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/universitaetscentren/usc/behandlungsangebote
Link zum Deutschen Schmerzkongress: https://deutscherschmerzkongress.de
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 17/2021 vom 2. November 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.