18.05.2021
Experiment des Perspektivwechsels
Das vierte Zukunftslabor befasst sich mit der »Ressource« Universitätskultur und findet großen Anklang
Magdalena Selbig
Ukulelen-Musik, ein Beitrag des Universitätsorchesters und Stretching-Übungen mit 219 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Pause. Für Zukunftslabor vier »Was bedeutet (uns) Universitätskultur?« scheuten Prorektorin Prof. Roswitha Böhm und ihr Organisationsteam keine Mühen.
»Unsere Universitätskultur ist eine wichtige Ressource, die wir stärken müssen«, eröffnet Rektorin Prof. Ursula M. Staudinger die Veranstaltung. Auch die Prorektorin Universitätskultur, Prof. Roswitha Böhm, wies auf die Bedeutung eines partizipativen, vertrauensvollen und nachhaltigen Miteinanders hin: »Der von uns angestrebte Kulturwandel wird nicht zuletzt von unser aller persönlichem Engagement getragen werden. Perspektivenvielfalt befähigt uns, Lösungen zu finden.« Solche Lösungsansätze, angeregt in den Zukunftslaboren 2018, sind bereits Teil des TUD-Service. Seit 2019 gewährleisten beispielsweise das Gleichstellungskonzept und die Pflegeberatung Fortschritte in den Bereichen Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit; kürzlich wurden Teile der Webseite barrierefrei veröffentlicht, zudem helfen Konfliktlots:innen am Arbeitsplatz und es existiert seit Anfang 2020 eine Beschwerdestelle für Fälle von Belästigung und Diskriminierung. Die Verbindung zur Gesellschaft setzt die TUD mit der Veranstaltungsreihe »Gesellschaft im Dialog« dieses Jahr fort und ist zusätzlich mit einer Kampagne zum Klimawandel sowie der Einrichtung des Green Office aktiv. Gleichwohl – oder wegen dieser Vielfalt – war im Sinne der Identifikationsstiftung auch Klarheit über die Werte der Universität gewünscht. Dafür dienen die strategischen Ziele des Rektorats. Davon ausgehend hat jedes Rektoratsmitglied eigene Teilstrategien entwickelt. Im Falle des Prorektorats Universitätskultur sind »Diversität und Inklusion«, »Work|Life«, »Campusleben« und »TUD als zivile Akteurin« im neuen Dezernat 9 verankert. Nach diesen Impulsen der Prorektorin Universitätskultur starteten die Themenzirkel.
Mit Handlungsfeldern der ökologischen Nachhaltigkeit an der TUD setzte sich Themenzirkel 1 auseinander. Stoffkreisläufe und recyclingfähige Materialien müssen bei Beschaffungen berücksichtigt werden, unter anderem weil Verwaltungsvorschriften nachhaltiges Handeln erschweren. Fortbildungen und interne Auszeichnungen für Nachhaltigkeit könnten das Verantwortungsbewusstsein jedes/jeder Einzelnen bestärken.
»Nachhaltige Mobilität« im Themenzirkel 2 hatte zum Ziel, vorbildliche Mobilitätslösungen zu reflektieren. Denkbar wären Diensträder oder Zuschüsse beim Radkauf mit einhergehender Infrastruktur wie Abstellanlagen oder Schiebehilfen an Treppen. Als diffizile Themen identifizierten die Teilnehmer den Winterdienst, die Trennung von Fußgängern und Radfahrern sowie ein P+R-Modell für die Anreise aus dem Umland.
Herausforderungen der Diversitätssensibilität erarbeitete Themenzirkel 3. Grundgedanke war ein »turn of perception « mit dem Ziel, nicht in Unterschieden, sondern in Gemeinsamkeiten zu denken. Gerade mit Aussicht auf eine herkunfts- und gendergerechte Umgebung benötige es ein vertrauensvolles Beschwerdemanagement, um (positive) Diskriminierung zu unterbinden. Ambitionen wie Offenheit und Inklusion könnten bereits in der Rekrutierung gelebt werden.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Themenzirkel 4 sprachen sich für eine Kultur der Partizipation aus. Wertschätzung der Statusgruppen spielte dabei eine große Rolle: »Das wissenschaftsunterstützende Personal ist in Gremien unterrepräsentiert «, äußerte Pia Milker (eine Statusgruppenvertreterin), »die Weise, wie Ergebnisse an die Verwaltung gegeben werden, ist nicht besonders gut.« Silke Molch (Verantwortliche der IKT-Lehre am Institut Landschaftsarchitektur) pflichtete ihr bei und fügte hinzu: »Wir brauchen mehr Verantwortliche und weniger Gremien.« Ein Lösungsansatz sei das Intranet, das für 2024 vorgesehen ist. Lutz Thies (Studentisches Mitglied im Senat) schlug dafür ein »Issue Management « vor: »Dort kann man Probleme uniintern diskutieren. Viele fühlen sich der TUD zugehörig und wollen ihr Bestes. Mit entsprechender Kritikfähigkeit kann man diese Solidarität nutzen – Vertrauen und Transparenz der Leitung werden honoriert. «
Um das Wohlbefinden in der Arbeitsund Studienumgebung drehte sich Themenzirkel 5, der situationsgeschuldet von Themen der Pandemie gefärbt war. Häufig frustrierend seien etwa die familiären Belastungen und ergonomischen Bedingungen im Homeoffice, jedoch offeriert die TUD gesundheitliche Angebote und psychosoziale Unterstützung. Angesichts der Isolation vom Kollegen wünschten sich die Teilnehmenden, dass die fehlende soziale Interaktion in digitalen Räumen aufgefangen wird.
Zu welchen Themen sich die TUD öffentlich einbringen sollte, war Kernfrage im Themenzirkel 6. Dazu merkte Prof. Cornelia Wustmann (Studiendekanin der Fakultät Erziehungswissenschaften) an: »2015 ließen sich viele Studierende als Rechtsbegleiter für Migrant:innen ausbilden und wollten das anerkennen lassen. Es steckt großes Potenzial darin, den Studierenden etwas anzubieten, das sie als sinnvoll erleben.« Laut Prof. Stefan Neukamm (Professur für angewandte Analysis) sollte sich die Universität engagieren »im Bereich Fake News und wissenschaftsbasiertes Nachdenken. Es geht um das Vermitteln von sachlichen Vorgehensweisen als Grundlage jeder Diskussion. Mangelnde Medienkompetenz spiegelt sich im öffentlichen Diskurs.« Geschlossenes Auftreten beim Thema Bildungspolitik bewegte mehrere Teilnehmer. So Henriette Mehn (Studierende Fakultät SLK): »Wenn wir uns politisch nicht gut vertreten fühlen, muss die Universität kritisieren und nicht Studierende vorschicken, weil sie freier sprechen können«, worauf Robert Jantos (Mitarbeiter im Application Management SLM) ergänzte: »Die Universität muss Wissenschaftler:innen, die im öffentlichen Diskurs angegriffen werden oder die Wissenschaftsleugnung gegenüberstehen, energischer den Rücken stärken.«
Der Stellenwert von Kunst und Kultur an einer technischen Universität wurde im Themenzirkel 7 diskutiert. Mit Musik, Theater, Kino, Tanz, Rundfunk und bildender Kunst bedient die TUD durch wissenschaftlichen Hintergrund (Schaufler Lab) oder studentisches Engagement (Café Ascii) bereits viele Kultursparten. Als Kommunikationsmedien fördern sie kreative Synergien zwischen MINT und GSW und seien somit identitätsstiftend für die TUD. Optimierungsbedarf bestehe bei finanzieller Unterstützung, einem prominenteren Onlineauftritt und der Bereitstellung von Probenflächen. Zudem können theaterpädagogische Ansätze im Studium Lehrerlebnisse vertiefen, wie es beispielsweise einige Professuren der Germanistik demonstrieren.
Themenzirkel 8 erwog am Konzept des »Reallabors«, welches Wissen die TUD der Gesellschaft anbieten kann und was sie von ihr erfahren will, um nachhaltigen sozialen Wandel anzustoßen. Aufgezählt wurde hier unter anderem die Öffnung von Lehrveranstaltungen, damit wissenschaftliches Arbeiten erlebbar würde. Im Austausch ließe sich eruieren, welche Themen die Menschen beschäftigen. Mögliche Orte seien Innenstadträume von Kooperationspartnern, digitale Dialogplattformen, sozial schwache Regionen und (grüne) Begegnungsräume auf dem Campus.
Nach ihren Dankesworten äußerte sich die Prorektorin zu neuen Austauschformaten: »Universitätsforum und TUD-Lectures starten im Mai. Für solche Angebote sind wir Ansprechpartner:innen.« Das Publikum verabschiedete sich mit Superlativen von einem »großartigen« und »besonders bereichernden« Zukunftslabor.
Bis zum 31. Mai haben alle Universitätsangehörigen die Möglichkeit, unter https://t1p.de/bb2b weitere Ideen und Anregungen zur Universitätskultur einzubringen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 09/2021 vom 18. Mai 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.