Oct 20, 2020
Johann Andreas Schubert – ein technischer Allrounder
Am 6. Oktober jährte sich der Todestag von einem der bedeutendsten Wissenschaftler in der Geschichte der TU Dresden (Teil 2)
Dr. Matthias Lienert, Direktor Universitätsarchiv
(Fortsetzung von UJ 15/20, Seite 5)
Neben seiner Tätigkeit an der Bildungsanstalt, die ihn zunehmend weniger befriedigte, konzentrierte Schubert sich auch nach der Erfahrung in England verstärkt auf unternehmerische Aktivitäten und reduzierte dabei sein Lehrpensum, um dann zeitweise ganz auf die Ausübung der Professur zu verzichten. Aber der Ausflug Schuberts ins Unternehmertum stand in engem Konnex zur Bildungsanstalt. Die Studenten sollten an den damals modernsten Maschinen, vor allem Nachbauten von englischen Fabrikaten, unterrichtet werden. Die auch vom Staat geplante Gründung eines entsprechenden Ateliers kam nicht zustande. Dagegen initiierten einige finanzkräftige, technikaffine und am Elbschiffbau interessierte Kaufleute mit Schubert als technischem Berater den Aufbau der Elbe-Dampfschifffahrtsgesellschaft; schließlich gründeten sie 1836 den Aktienmaschinenbauverein in Übigau, damals ein Vorort Dresdens. Es sollten Dampfmaschinen, Dampfkessel, Eisenbahn-Dampfwagen, aber auch Spinnmaschinen gebaut werden. Schubert wurde auf der ersten Generalversammlung zum Vorsitzenden des Direktoriums und in Personalunion auch zum technischen Direktor gewählt. Trotz der vielen staatlichen und strukturellen Hemmnisse kannte sein Optimismus kaum Grenzen.
Erfahrungen und Lehrgeld als Unternehmer
Mit seiner Begeisterung befand er sich im Einklang mit vielen Technikern und Unternehmern seiner Generation, wie Rolf Sonnemann 1991 anlässlich der Wiedergründung der Gesellschaft von Förderern und Freunden der TU Dresden feststellte. Die damalige Situation ist durchaus mit dem Gründungsboom und der folgenden Ernüchterung am Neuen Markt um 2000 zu vergleichen.Vermutlich war Schubert als kapital-armer Manager der Firma, die rund 130 gelernte und ungelernte Arbeiter beschäftigte, ob seiner zu geringen Beachtung von Verwaltung und Geschäftsführung überfordert gewesen. Gegen seine Konkurrenten, wie den Chemnitzer Maschinenbauunternehmer Richard Hartmann, konnte er nicht bestehen, obwohl er ihnen in der wissenschaftlichen Durchdringung des Maschinenbaus haushoch überlegen war. Dagegen konnte Schubert die Montage mehrerer Elbschiffe, wie das Personendampfschiff »Königin Maria«, und die erste in Deutschland gebaute und betriebstüchtige Dampflok »Saxonia« als Erfolge verbuchen, wobei er gegenüber der Regierung hervorhob, dass alle wesentlichen Teile der Maschine unter seiner Regie gefertigt wurden. Schubert hatte letztlich die damals noch überragende englische Konkurrenz herausgefordert, die alles daransetzte, den sächsischen Mitbewerber in die Schranken zu weisen. Als die »Saxonia« auch mit dem Professor auf dem Führerstand am 8. April 1839 bei der Eröffnung der Leipzig-Dresdner Eisenbahn dem von englischen Maschinen gezogenen geschmückten Festzug, hinterherdampfte, wurde auch dem Nachzügler mit seiner sächsischen Lok begeistert applaudiert. Umso deprimierender war die von Pech und Pannen gekennzeichnete Rückfahrt von Leipzig nach Dresden. So wurde berichtet, dass es aufgrund einer falsch gestellten Weiche zu einem Crash der »Saxonia« mit einer abgestellten englischen »Adler« kam. Davon berichtete Carus in seinen Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten nichts, wohl aber über seine Teilnahme an einer Probefahrt zu den Eröffnungsfeierlichkeiten in Leipzig. Rückblickend sah er in der Eisenbahn, deren Rentabilität anfänglich in Zweifel gezogen wurde, eine Erfindung, die herkulesgleich mit Riesenschritten voranschreitet. Da stimmte er mit Schubert, dessen Sprache weit weniger poetisch angehaucht war, völlig überein. Bereits Mitte Januar 1839 war Schubert als Direktor der Maschinenbauanstalt ausgeschieden, fungierte aber noch bis Ende Juni 1839 als technischer Berater. Schließlich wurde 1841 die Firma geschäftlich liquidiert. Sicher war dieses Ende für Schubert ein schwerer Schlag, den er jedoch verarbeitete und neuen Mut fasste.
Letztlich hat Schubert mit seinen technischen Innovationen wesentlich mit dazu beigetragen, dass in unmittelbarer Nähe weitere Firmen entstanden, wie 1873 die Schiffswerft, in der bis 1958 große Schiffe produziert wurden. Anfang des 20. Jahrhunderts waren in der Werft über 1000 Beschäftigte tätig gewesen. Nach der alliierten Bombardierung der kriegswichtigen Firma 1945 und dem Abbau verbliebener Spezialanlagen für Reparationen wurde 1946 im Zuge des zunächst provisorischen Wiederaufbaus die Produktion auch im VEB Dampfkesselbau Dresden-Übigau fortgesetzt, der übrigens Ende der 1980er-Jahre den Dampfkessel für den originalen Nachbau der legendären »Saxonia« fertigte. Bis in das Jahr 2000 wurden in Dresden-Übigau Schiffskesselanlagen, Druckluftbehälter u.a. hergestellt, bis 2001 die CC Compact Spezialmaschinen GmbH Ulm, wie bereits 1841 ihr Vorgänger, pleiteging. Schubert hatte als letztlich für diesen wichtigen Dresdner Industriestandort und die bis in die Gegenwart zurückreichende Zusammenarbeit mit der TU Dresden den Grundstein gelegt.
In unruhigen Revolutionszeiten 1848/49
Nach dem Ausflug des mit irdischen Gütern nicht reich gesegneten Schuberts in die raue Welt des unternehmerischen Kapitalismus kehrte der Professor an seine alte Wirkungsstätte, die Technische Bildungsanstalt, zurück. Sie befand sich seit 1833 in einem etwas größeren, aber feuchten Domizil »Am Jüdenhof« in der Nähe vom Johanneum. Erst 1846 konnte die Bildungsanstalt in ein nun angemessenes Gebäude am Dresdner Antonsplatz in der inneren Altstadt ziehen. Im Gegensatz zu dieser auch von ihm unterstützten positiven räumlichen Entwicklung sah sich Schubert hier als liberal Gesinnter zunehmend mit autoritär-reaktionären Leitungsstrukturen konfrontiert und setzte sich dabei für die demokratische Mitbestimmung aller Angehörigen des Lehrkörpers ein. Er nahm lebhaft Anteil an den politischen Auseinandersetzungen des Vormärz und schließlich der revolutionären Ereignisse 1848/49 in Dresden. In den ersten Maitagen 1849 führte er einen Zug eher mäßig Bewaffneter an, die das der Bildungsanstalt nahe gelegene Postgebäude bewachten, ohne sich an den wenig später ausgebrochenen Kämpfen der Aufständischen mit regulärem Militär zu beteiligen. Immerhin waren einige Polytechniker dennoch in Scharmützel verwickelt worden und mussten nach der Niederlage vor sächsischem und eingerücktem preußischem Militär fliehen oder wurden verhaftet und mussten teilweise langjährige Haft erdulden. Jedenfalls war Schubert nicht unmittelbar von den folgenden Repressionen betroffen, obwohl in seinem Haus aktive Revolutionäre gewohnt hatten oder auch verkehrten wie August Röckel und Michael Bakunin. Auch zu Gottfried Semper und Richard Wagner bestanden vor der Revolution Kontakte. Schubert war als liberaler Dresdner Bürger stark in die damaligen politischen Auseinandersetzungen involviert.
Vielleicht ist es Schuberts Realismus und Lebenserfahrung geschuldet gewesen, dass er sich in der heißen Phase der Auseinandersetzungen zurückhielt, offenbar auch vermittelte, um Blutvergießen zu vermeiden. Er gehörte nicht zu den Heißspornen der Revolution wie Friedrich Engels, in gewisser Weise sein zeitweiliger aber erfolgreicher Unternehmerkollege. Trotz seiner Beteiligung an den revolutionären Ereignissen war Schubert im September 1849 die kommissarische Leitung der Bildungsanstalt übertragen worden. Dabei gelang es ihm – auch in Abstimmung mit dem konservativen Innenministerium – die Bildungsanstalt in einem ruhigen Fahrwasser weiterzuentwickeln. Die wissenschaftliche Ausbildung erhielt entsprechend der gestiegenen Anforderungen einen wesentlich höheren Stellenwert, der 1851 im Aufstieg der Einrichtung zur Kgl. Polytechnischen Schule zum Ausdruck kam.
Mitwirkung am Bau der Göltzschtalbrücke
Schuberts künstlerisch-zeichnerische Talente waren in den folgenden Jahren eine bedeutende Mitgift für seine Mitwirkung an der Lösung vor allem konstruktiv-statischer Probleme beim Bau der Göltzschtalbrücke, die für die Eisenbahnverbindung zwischen Sachsen und Bayern essentiell war und immer noch ist (Sachsen-Franken-Magistrale). Es handelte sich dabei um die größte Ziegelsteinbrücke und die damals höchste Eisenbahnbrücke der Welt, deren Bau mit vielen Risiken behaftet war. Schubert wurde 1845 in die Wettbewerbskommission berufen, die er leitete und der u.a. auch Gottfried Semper angehörte. Schubert konzentrierte sich insbesondere auf die statischen Berechnungen und die Entwurfsarbeiten. Die erfolgreiche Fertigstellung des Bauwerks 1851 war, wie Klaus Mauersberger resümierte, ganz wesentlich der auch von heftigen fachlichen Auseinandersetzungen gekennzeichneten Zusammenarbeit des Oberbauleiters Robert Wilke mit Schubert zu verdanken. Jüngst wurden am 26. September auf dem Johann-Andreas-Schubert-Kolloquium zum Jahr der Industriekultur im Rathaus von Reichenbach die außerordentlichen technischen und wissenschaftlichen Leistungen Schuberts von den langjährigen Professoren der TUD Hans-Jürgen Hardtke und Jürgen Stritzke gewürdigt, die in der wissenschaftlichen Traditionslinie von Schubert stehen.
Pensionierung und Lebensabend
Als Schubert Ostern 1869 pensioniert wurde, stand die Polytechnische Schule nur etwa zwei Jahre vor der 1871 erfolgten Erhebung zum Kgl. Sächs. Polytechnikum. Damit war der direkte Weg zur Technischen Hochschule eingeschlagen. Dem kritischen Geist Schuberts, dessen liberale Gesinnung sicher dem erzkonservativen Innenressort der Regierung suspekt war, wurden erst spät verdiente Ehrungen zuteil. Ihm sollte es auch nicht vergönnt sein, einen Lebensabend bei guter Gesundheit im Kreise der Familie zu verbringen. Seine erste Frau war bereits 1851 verstorben. Er hatte 1855 erneut geheiratet. Aus den Ehen gingen mehrere Kinder hervor. Ein Sohn absolvierte mit hervorragenden Ergebnissen die Bildungsanstalt und arbeitete später als Ingenieur bei der Dampfkesselprüfung. Viele Schüler Schuberts waren erfolgreich in der Industrie sowie in der Wissenschaft und sorgten so für die Weiterführung seines Erbes. Sie hatten ihn als väterlichen Berater erlebt, dessen Portemonnaie auch bei persönlichen Notlagen nicht verschlossen blieb. Die Professoren Carus und Schubert starben 1869 bzw. 1870 an der Schwelle eines neuen Zeitalters, das wesentlich mit einem Siegeszug der Technik und Medizin verbunden war, aber gleichzeitig Potenziale freisetzte für später ausufernde politische Ziele.Das Grabmal von Carl Gustav Carus befindet sich auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden-Johannstadt, Johann Andreas Schubert wurde auf dem Inneren Matthäusfriedhof in Dresden-Friedrichstadt beigesetzt.
Das ortsgeschichtliche Museum im vogtländischen Rothenkirchen zeigt eine Ausstellung zum 150. Todestag Schuberts unter anderem mit Exponaten aus der Kustodie der TU Dresden.
Das Museum ist noch am 7. und 8. November 2020 jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Unter der Telefonnummer 037462 5937 können Sonderführungen abgesprochen werden.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 16/2020 vom 20. Oktober 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.