May 31, 2022
»Orientierung und Austausch sind oft wichtiger als reines Fachwissen«
Die TUD-Lehrküche gibt Studierenden das Rüstzeug in Sachen genussvoller und nachhaltiger Ernährung
Beate Diederichs
Carolin Uhlmann ist als Leiterin der Lehrküche der TUD eine Expertin in puncto Ernährung und Verbraucherbildung. Sie unterstützt ihre Studierenden dabei, sich innerhalb der Vielfalt an Informationen zum Thema zu orientieren. Diese bekommen so das Rüstzeug vermittelt, in ihrer späteren Tätigkeit die Schülerschaft zu lehren, sich genussvoll und vor allem nachhaltig zu ernähren.
Die allgemeinen Definitionen, die man findet, wenn man den Begriff »nachhaltige Ernährung« recherchiert, lesen sich oft etwas abstrakt. Zum Beispiel diese, die sinngemäß lautet: Nachhaltige Ernährung heißt, sich so zu ernähren, dass die gesundheitlichen, ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen möglichst positiv sind. Carolin Uhlmanns Gedanken zum Thema sind da viel greifbarer: »Nachhaltige Ernährung ist etwas Ganzheitliches, das verschiedene Aspekte berücksichtigen kann und sollte: Was habe ich zur Verfügung – und sei es noch so wenig – und was kann ich daraus zubereiten? Woher kommen die Produkte, die ich habe, und wie wurden sie hergestellt? Muss immer alles verfügbar sein oder ist es besser, sich nach dem saisonalen und regionalen Angebot zu richten? Was kann ich selber machen und was muss ich unbedingt kaufen?« In ihrer Funktion als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken der TUD und Leiterin der Lehrküche kann Carolin Uhlmann ihren Studierenden Orientierung dabei geben, innerhalb der Informationsflut in puncto Ernährung zu ihrem eigenen Standpunkt zu finden, und sie so auch dazu ertüchtigen, in ihrer späteren Lehrtätigkeit an Oberschulen der Schülerschaft in ähnlicher Weise zur Seite zu stehen.
Die Lehrküche der TU Dresden mit Adresse auf der Teplitzer Straße, die im Wintersemester 2018/19 eingeweiht wurde und zur Fakultät Erziehungswissenschaften gehört, bietet dafür die perfekte Umgebung. Sie ist großzügig geschnitten, verfügt über moderne Großküchengeräte und ist mit mehreren Seminarräumen verbunden, so dass die Studierenden hier gleichzeitig theoretisches Wissen erwerben und dieses praktisch umsetzen können. Die Küche wird von der Professur für Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaft/Berufliche Didaktik und der beruflichen Fachrichtung Metall- und Maschinentechnik/Elektrotechnik genutzt. Hier besuchen Studierende des Faches Wirtschaft/Technik/Hauswirtschaft und Soziales (WTH/S) für Oberschulen und der beruflichen Fachrichtung Lebensmittel-, Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaft für Berufsbildende Schulen Lehrveranstaltungen, die sich unter anderem mit Versuchen mit Lebensmitteln beschäftigen oder sich im Seminar »Bromatik« der Zubereitung von Speisen unter wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Grundsätzen widmen. Diplom-Berufspädagogin Carolin Uhlmann trat ihre jetzige Stelle im Herbst 2018 an, kurz bevor die Lehrküche eingeweiht wurde. Neben der Lehrtätigkeit hat sie einige administrative Aufgaben: Sie organisiert und koordiniert die Belegung der Lehrküche für studiengangsbezogene Veranstaltungen und interdisziplinäre Projekte, plant Anschaffungen, koordiniert die studentischen Hilfskräfte, plant das jährliche Budget für die Lehreinrichtung und stimmt es ab.
Ihre Studierenden, die künftigen Oberschullehrkräfte, interessieren sich sehr für das Thema Ernährung, was auch die nachhaltige Ernährung einschließt, hat Carolin Uhlmann in den über drei Jahren ihrer Tätigkeit erfahren. »Spätestens wenn sie Wissen und Fertigkeiten dazu an ihre Schülerinnen und Schüler vermitteln wollen oder wenn sie eigene Kinder haben, müssen sie sich jedoch auch dazu positionieren und reflektieren, welche Ernährungsweise sie begründet vertreten wollen.« Das Problem für alle, die eine klare Linie dazu finden möchten: Ein Wust an unterschiedlichen, sich teilweise widersprechenden Informationen in traditionellen und digitalen Medien, den es zu ordnen gilt: Welche Ernährungstypen gibt es? Welche Ernährungsformen sind überhaupt im Alltag umsetzbar? Welche Informationen sind vertrauenswürdig? Welche Ernährungstipps sind sinnvoll und welche richten mehr Schaden an, als sie nützen? »Die jungen Erwachsenen brauchen unbedingt Orientierung in dieser Informationsflut. Diese zu geben, über das Thema zu reden, verschiedene Aspekte zu betrachten, ist oft wichtiger, als reines Fachwissen zu vermitteln«, sagt Carolin Uhlmann. Denn nur wer nach reiflichem Abwägen seine Position zum Thema Ernährung oder auch nachhaltige Ernährung gefunden hat, kann damit überzeugend das Wissen an die spätere Schülerschaft weitergeben. An den Oberschulen sind das Jugendliche der Klassen 7 bis 9 und an den Berufsschulen junge Erwachsene ab 16 oder 17 Jahren. Das Handwerkszeug für guten Unterricht lernen die Studierenden ebenfalls in der Lehrküche. Sie setzen sich zum Beispiel damit auseinander, wie ein bestimmtes Garverfahren funktioniert, wie man ein spezielles Rezept umsetzt und, ganz wichtig, wie man dies alles der Schülerschaft zeigt, sie bei Fehlern korrigiert oder dabei anleitet, Küchengeräte richtig zu benutzen. »Man sollte die Studierenden auch darauf hinweisen, dass sie an ihren späteren Schulen unterschiedliche Bedingungen vorfinden werden, was die Räumlichkeiten angeht, und sie darauf vorbereiten, flexibel darauf zu reagieren«, betont Carolin Uhlmann. Erste Rückmeldungen aus dem Schulalltag von Lehrkräften, die Veranstaltungen in der Lehrküche durchlaufen haben, haben sie bereits erreicht. »Sie berichten dann beispielsweise, wie sie das Konzept der Lehrküche an ihren jeweiligen Schulen umsetzen«, erzählt die Leiterin. Dabei erfährt sie auch, was an dem entsprechenden Einsatzort gut funktioniert und was weniger. Erfahrungen, die sie in ihre eigene Lehrtätigkeit einfließen lassen kann.
Wer sich so detailliert mit Ernährungsfragen beschäftigt, legt sein Interesse natürlich nicht an der Hochschultür ab. »Man muss das Thema gewissermaßen leben, sonst kann man es nicht glaubwürdig vermitteln«, sagt Carolin Uhlmann dazu. Sie gibt ihre Kenntnisse auch innerhalb ihrer Familie weiter und schreibt Artikel über Ernährung, wenn es ihre Zeit zulässt. Innerhalb der Hochschule arbeitet sie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Lebensmitteltechnik und den Studierenden der tuuwi, der TU-Umweltinitiative, zusammen. »In der Zukunft könnte ich mir außerdem vorstellen, eine Fortbildung für Lehrkräfte zu Ernährung und nachhaltiger Ernährung anzubieten. Denn Lehrkräfte sollten die Möglichkeit haben, sich in allen drei Ausbildungsphasen – Studium, Referendariat und Weiterbildung neben der Berufstätigkeit – mit dem Thema zu beschäftigen und mit anderen auszutauschen«, so die Leiterin der Lehrküche.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 10/2022 vom 31. Mai 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.