Jul 12, 2022
Schulgeschichte erlebbar machen
Trägerverein sucht für vielfältige Aufgaben bis zu zehn Studierende aus allen Fachrichtungen
Beate Diederichs
Das Schulmuseum Dresden ist ein außerschulischer Lernort, den Interessierte aller Altersgruppen besuchen – nicht nur aus der sächsischen Landeshauptstadt, sondern aus ganz Deutschland. Sein Trägerverein Schulmuseum Dresden e. V. wurde 1997 von Lehrkräften der TU Dresden gegründet. Seitdem kooperiert das Museum mit der Hochschule. »Wir als Verein möchten nun wieder verstärkt Studierende dafür motivieren, auf ehrenamtlicher Basis bei uns mitzuarbeiten. Auf sie wartet hier eine große Bandbreite spannender Tätigkeiten: Führungen durchführen, die Ausstellung mitgestalten oder zukünftige Exponate katalogisieren«, sagt Anne Prautzsch vom Trägerverein.
Bereits das Gebäude atmet Geschichte. Im Jahr 1886 wurde das Knabenhaus in der Dresdner Friedrichstadt errichtet, das heute das 2006 gegründete Schulmuseum beherbergt. Im Nachbargebäude befindet sich die 48. Grundschule. »Dies ist für uns einfach ein historischer Ort und wir hoffen, dass wir möglichst noch lange hier bleiben können«, betont Anne Prautzsch, stellvertretende Vorsitzende des Trägervereins Schulmuseum Dresden e. V. Die Erziehungswissenschaftlerin und Historikerin, die derzeit in Elternzeit ist, hat im Museum die Verantwortung für das Zimmer und die Arbeitsgruppe zur Schule in der Weimarer Republik und im Verein die Zuständigkeit für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit übernommen. Sie kam vor knapp zehn Jahren über ein Praktikum zum Schulmuseum und gehört nun dem siebenköpfigen Vorstand an. »Eigentlich habe ich mich im Rahmen meines Studiums und später meiner Lehrtätigkeit an der TUD vor allem mit der NS-Zeit und der damals höheren Mädchenbildung beschäftigt. Doch im Schulmuseum entdeckte ich die Weimarer Republik mit dem Reformschulwesen für mich, das in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts einen Höhepunkt erreichte. Dresden war mit mehreren freien Schulen in dieser Epoche ein wichtiger Standort des Reformschulwesens. Dies weiter zu erforschen könnte ein spannendes Thema für Lehramtsstudierende sein.« Daher möchten Anne Prautzsch und die anderen rund 50 Mitglieder die seit Vereinsgründung bestehende Kooperation mit der TUD wieder intensivieren und Studierende für eine zunächst ehrenamtliche Mitarbeit im Schulmuseum gewinnen. »Der Trägerverein wurde zwar 1997 vor allem von Lehrkräften der TUD gegründet, aber mittlerweile haben wir fast niemanden mehr im Verein, der noch aktiv an der Hochschule lehrt. Daher wollen wir die Kooperation wieder anschieben, indem wir berichten, was wir tun und wie sich Studierende bei uns einbringen können«, sagt das Vorstandsmitglied.
Anne Prautzsch beschreibt das Schulmuseum als einen interaktiven außerschulischen Lernort, wo man Geschichte hautnah erleben kann und der ein Publikum aus der sächsischen Landeshauptstadt und weiter entfernten Orten anzieht, das allen Altersgruppen angehört. »Die Schulgeschichte spiegelt ja stets auch die Geschichte der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Das kann man besonders gut am Beispiel der Kaiserzeit sehen. Die oberen Schichten leisteten sich Privatlehrkräfte für den Nachwuchs, während die weniger Privilegierten ihre Kinder in Volksschulen schicken mussten, wo pro Klasse oft mehr als 40 Mädchen und Jungen lernten«, berichtet die Erziehungswissenschaftlerin. Die Schulgeschichte ist also ein spannendes Arbeits- und Forschungsfeld. Studierende könnten zum Beispiel einen der Räume – es gibt sie zur Kaiserzeit, zur Weimarer Republik, zum Nationalsozialismus und zur DDR – betreuen, die Exponate pflegen und ergänzen. Auch die Aufsicht während der Öffnungszeiten kann dazugehören. Oder sie bieten Führungen zu bestimmten Themen an. »Besonders attraktiv ist es, in die Rolle einer Lehrkraft aus der Kaiserzeit zu schlüpfen und so eine Unterrichtsstunde durchzuführen. Dabei tritt man zum Beispiel stilecht als Fräulein Lehrerin mit Rüschenbluse und Rock auf«, erzählt Anne Prautzsch. Wem der Kontakt zum Publikum weniger liegt, kann neu hinzugekommenes Material sichten und archivieren. Das Museum bekommt zum Beispiel regelmäßig historische Schulbücher und Sachgegenstände geschenkt, die katalogisiert werden müssen. Auch für die Planung von Projekten und Veranstaltungen und die Entwicklung von Flyern und Plakaten wird Unterstützung gesucht. »Wir wünschen uns, für die nächste Zeit fünf bis zehn Studierende zu gewinnen. Unsere Suche ist dabei nicht nur auf Lehramtsstudierende und angehende Historikerinnen und Historiker beschränkt. Auch beispielsweise Studierende der Naturwissenschaften oder der Ingenieurwissenschaften können sich mit ihren Fähigkeiten bei uns einbringen.« Leonora Braun, die von 2015 bis zu diesem Jahr an der TUD Geschichte studiert hat, berichtet über ihre bisherige Zeit am Schulmuseum: »Ich wollte gerne praktische Erfahrungen sammeln und war schon in der Probezeit von den vielen freundlichen Mitarbeitenden und den zahlreichen Betätigungsangeboten sehr angetan. Zunächst habe ich unter anderem im Rollkartendepot altes Material archiviert und als Protokollantin für den Vorstand fungiert. Nun verwalte ich die Mitgliederliste. Es macht sehr viel Spaß, sich im Schulmuseum immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen.«
Aus der Sicht des Vereins ist es am wichtigsten, dass die Studierenden Interesse für Geschichte und speziell für Schulgeschichte mitbringen und möglichst mindestens vier Stunden pro Woche Zeit haben, nämlich zu den Öffnungszeiten am Donnerstag von 14 bis 18 Uhr und gegebenenfalls noch zu Veranstaltungen. Von der studentischen Mitarbeit profitieren langfristig alle Beteiligten: Die Studierenden arbeiten an Exponaten, die authentisch sind und Geschichten zu erzählen haben, schulen ihre Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, vor ihnen zu sprechen und Sachverhalte zu erläutern, sofern sie im Publikumsverkehr eingesetzt sind. Zudem entwickeln sie anhand des Materials einen Sinn dafür, dass es stets mehrere Perspektiven auf die verschiedenen historischen Epochen gibt. Die Sichtweisen der Studierenden ergänzen diejenigen der älteren Mitarbeiterschaft, was im Idealfall zu fruchtbringendem Austausch führt. Ihre Fähigkeiten helfen dabei, die Ausstellung weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu machen. »Wir sind gerade dabei, die Vitrinen in den Ausstellungsräumen neu zu gestalten. Hier könnten die neuen Mitarbeitenden demnächst erste Akzente setzen«, sagt Anne Prautzsch.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 13/2022 vom 12. Juli 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.