18.10.2022
Spezielles Interessenprofil gefragt
TUD-Projekt will Berufsschullehrämter bekannter und beliebter machen
Beate Diederichs
Sachsen hat, wie Deutschland insgesamt, zu wenige Lehrkräfte. Obwohl das alle Schularten betrifft, ist der Mangel im Technischen Lehramt an den Beruflichen Schulen besonders groß. »Wir arbeiten daher bei einem Teilprojekt innerhalb eines größeren Vorhabens intensiv daran, Studierende für das Technische Lehramt zu gewinnen. Dafür haben wir unter anderem zwei Filmclips gedreht, die das Lehramt an Beruflichen Schulen erläutern und Lust darauf machen«, sagt Stephan Abele, Professor für Berufspädagogik.
Wenn Lehrkräfte fehlen, müssen Schulleitungen zunächst einmal den Mangel verwalten – und dann nach Lösungen suchen. Ersteres bedeutet oft, dass Stunden ausfallen, Klassen oder Gruppen zusammengelegt werden oder Unterricht ins Selbststudium ausgelagert wird. Letzteres besteht manchmal darin, dass sogar Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung oder Erfahrung eingestellt werden oder Lehrkräfte länger arbeiten, die eigentlich in den Ruhestand gehen wollten. Langfristig lässt sich das Problem am besten lösen, indem man genügend potenzielle Studierende für die Mangelfächer wirbt, sie solide ausbildet und ihnen später Arbeitsbedingungen bietet, die sie auf Dauer an den Beruf binden. Einen wichtigen Schritt zur langfristigen Lösung geht das Team um Prof. Abele: Innerhalb eines großen Vorhabens, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wird, versucht es in einem Teilprojekt, zukünftige Studierende für die Technischen Lehrämter an Beruflichen Schulen zu rekrutieren. »Daneben verfolgen wir das Ziel, die Berufsschullehrämter generell bekannter und beliebter zu machen«, sagt Stephan Abele, der dieses Teilprojekt leitet. Das Team hat unter anderem gemeinsam mit einer Agentur Werbung für dieses Lehramt geschaltet und eine Informationsveranstaltung entworfen, die an Schulen und online laufen soll. »Als dritte wichtige Aktivität haben wir zwei Filmclips gedreht, die das Lehramt an Beruflichen Schulen und besonders das Technische Lehramt – denn hier gibt es den größten Mangel – erläutern und Lust darauf machen sollen«, so der Professor weiter. Die Kampagne richtet sich an drei Hauptzielgruppen: Schülerinnen und Schüler an Berufsbildenden Schulen, Studierende der Ingenieurwissenschaften und bereits berufstätige Ingenieurinnen und Ingenieure. Stephan Abele hat selbst zunächst Technisches Lehramt an Berufsschulen studiert und teilt auf der Grundlage seiner evidenzbasierten Forschung mit, warum es hier besonders wenig geeigneten Nachwuchs gibt: »Wer dieses Lehramt studieren will, braucht ein spezielles Interessenprofil: Man sollte sowohl technisch als auch sozial interessiert sein und gern forschen. Dieses Profil ist selten.«
Um möglichst viele Vertreterinnen und Vertreter dieses gefragten Segments erreichen zu können, begannen Abele und sein Team vor rund zweieinhalb Jahren, zwei Filmclips zu planen. Originell sollten sie sein und das Anliegen kurzweilig zusammenfassen. Für das Drehbuch holte man Manfred Weiß von »Semper Zwei« ins Boot, den Leiter der jungen Bühne der Semperoper Dresden. Für die Animationen gewann man den Trickfilmer Matthias Daenschel. Die Produktion übernahm die Agentur artgenossen.tv. Sie castete unter anderem die professionellen Schauspielerinnen, die Rollen übernahmen. Die Musik steuerte Ali Askin bei. Ein erheblicher Teil des Budgets kam vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus (SMK). Im Frühsommer dieses Jahres waren dann zwei Kurzfilme fertig. Im ersten davon, der rund anderthalb Minuten dauert, erzählt das Mädchen Alice, das etwa zehn oder elf Jahre ist, ihrer Klasse davon, dass es Berufsschullehrerin werden möchte, und erklärt den Beruf kurz – zum Erstaunen von Lehrerin und Klasse, die darüber erkennbar nicht viel wissen. Im zweiten Clip, der knapp vier Minuten lang ist, befragt Alice junge Frauen und Männer, die im Technischen Lehramt der TUD eingeschrieben sind, zu ihrer Entscheidung und ihren Zukunftsplänen. »Diese Studierenden hat unser Lehrstuhl für die Zusammenarbeit gewinnen können«, kommentiert Prof. Abele. Gedreht wurde in der Universitätsschule Dresden, an der SLUB und im Beruflichen Schulzentrum »Gustav Zeuner« in Dresden. »Auch wenn die Filme schon ab Mai auf den Social-Media-Kanälen der Uni zu sehen waren und diese Werbung dafür sorgte, dass der Traffic auf den Seiten erheblich zunahm, werden wir sie jetzt noch einmal konzertiert bewerben«, kündigt der Professor an. Die Clips sollen dann unter anderem Teil der erwähnten Informationsveranstaltung sein und auf dem Kanal des Technischen Lehramts der TUD, beim Arbeitskreis Berufliche Bildung und über das Alumni-Netzwerk zu sehen sein. »Ich finde an den Filmen besonders die Idee originell, dass eine relativ junge Schülerin, die noch weit davon entfernt ist, sich wirklich für einen Beruf oder ein Studium entscheiden zu müssen, für sich bereits festgelegt hat: Ich werde Berufsschullehrerin! Diese Idee stammt von Manfred Weiß, doch ich kann mich gut damit identifizieren«, berichtet Abele. Ob die Filme und die anderen Werbemaßnahmen ihren Zweck erreichen, bleibt abzuwarten. »Dazu müssen wir schauen, wie viele junge Erwachsene sich in der kommenden Zeit für die Studiengänge zu den Technischen Lehrämtern und den Lehrämtern an Beruflichen Schulen generell entscheiden werden. Wir hoffen natürlich auf einen Anstieg dieser Zahlen und werden die Effekte evaluieren«, meint Stephan Abele.
Auf dem YouTube-Kanal »Studienoptionen technisches Lehramt« https://www.youtube.com/channel/UC475bdnSC_q1vzSHIA8aeAA sind auch die beiden aktuellen Clips abrufbar.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 16/2022 vom 18. Oktober 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.