13.07.2021
Unterbrechung, Erschütterung und Zerstörung
Wie Disruptionen den Wandel in unserer Gesellschaft vorantreiben: Exzellente Forschung zu Disruption and Societal Change an der TU Dresden
Die TU Dresden unterstützt im Rahmen der EXU-Maßnahme »Disruption and Societal Change« (TUDiSC) ab sofort sechs interdisziplinäre Forschungsprojekte, die sich gezielt mit verschiedenen Formen der Disruption, also Phänomenen der Störung und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft, auseinandersetzen. Gefördert werden die Projekte aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Freistaats Sachsen im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und -Ländern.
Allen Projekten gemeinsam ist die Annahme, dass Störungen eine Grundeigenschaft gesellschaftlicher Wirklichkeit sind. In den Projekten wird dies anhand von Fallbeispielen erforscht; zugleich werden neue Konzepte und Methoden der Disruptionsforschung für ein differenziertes Verständnis gesellschaftlichen Wandels entwickelt und erprobt.
Überzeugen konnten die nun ausgewählten Projekte durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung. So arbeiten in allen Projekten Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der TU Dresden gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen Forschungsrichtungen der TUD, um spezifische Formen der Störung und des gesellschaftlichen Wandels zu untersuchen. Der Umgang mit Disruption erfolgt damit auch praktisch: Die Denk- und Arbeitsweisen der einzelnen Forschungsdisziplinen werden in der Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten herausgefordert, neue Formen der Zusammenarbeit müssen gefunden und entwickelt werden.
Im Fokus der bereichsübergreifenden Forschungskooperationen steht die Digitalisierung, die wie kaum ein anderes Thema mit gesellschaftlichem Wandel verknüpft ist und von drei der sechs Projektteams mit einem jeweils eigenen Schwerpunkt betrachtet wird. Im Projekt DiaDisK untersuchen Forscherinnen und Forscher aus Germanistik und Psychologie die disruptiven Auswirkungen der Digitalisierung in den für die Wissensgesellschaft zentralen Institutionen Universität, Bibliothek und Schule am Beispiel von Dresdner Institutionen wie der Universitätsschule. Die Störung der Privatsphäre durch das »internet of things« untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Informatik gemeinsam im Projekt DIPCY. Unter dem Titel DESIGNATE werden Dark Patterns, Muster von Nutzungsoberflächen im Internet, erforscht, die gezielt versuchen, die Entscheidungsfindung der Nutzerinnen und Nutzer zu beeinflussen. Hier arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus juristischer, psychologischer und aus Perspektive der Informationssicherheit zusammen.
Aber auch jenseits der Digitalisierung existieren Störungen, die das Potenzial haben, gesellschaftliche Veränderungen anzuregen. So treffen im Projekt »Transformative Place-Making for Uncertain Futures« Forschungsansätze aus Architektur, Erziehungswissenschaften und Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften in der Beschäftigung mit nachhaltigen und sozial gerechteren Zukunftsentwürfen aufeinander – vor allem in Bezug auf die Herausforderungen der Umwelt- und Klimakrise. Im Team von Disrupt!Research untersuchen Expertinnen und Experten aus Literatur- und Kulturwissenschaften, Design sowie Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Disruption als Bestandteil der Wissenschaftskommunikation. Die oft prägende und innovationstreibende Rolle von Außenseiterinnen und Außenseitern für die gesellschaftliche Transformation nimmt das Projekt »Die Disruptivität der Anderen« mit einem Team aus Architektur, Philosophie und Psychologie gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung in den Blick.
Das erste Treffen der Forschungsteams fand am 2. Juli 2021 dank eines entsprechenden Hygienekonzepts in Präsenz im TUD-Festsaal an der Dülferstraße statt. Der Sprecher des Bereichs Geistes- und Sozialwissenschaften, Prof. Christian Prunitsch, unterstrich die Schubkraft des Projekts »in Richtung einer gezielten Vernetzung der geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen an unserer TU Dresden mit solchen Disziplinen aus anderen Bereichen, die für die gemeinsame Bearbeitung komplexer Fragestellungen rund um die Kategorie der Disruptivität besonders aufgeschlossen sind«. In und mit TUDiSC könne die Bearbeitung hoch relevanter Fragestellungen in der Verbindung von geistes-, sozial-, natur-, technik- und lebenswissenschaftlichen Perspektiven auf ein neues Niveau gehoben werden. Prof. Ursula M. Staudinger, Rektorin der TUD, bekräftigte in ihrem Grußwort das Unterfangen: »Soziale und wirtschaftliche Veränderungen wirken auch zurück auf die technische Entwicklung. Ein sehr aktuelles Beispiel für disruptive Prozesse dieser Art ist wohl der Kohleausstieg, der, wie wir hoffen, neben der Disruption auch das Potenzial für Innovation in den wirtschaftlichen Strukturen aber auch für die Identität vieler Menschen in der Lausitz beinhaltet. Wir wollen als TUD hier gerne unseren Beitrag leisten.« Die Rektorin ergänzte: »Wir erhoffen uns, dass TUDiSC ein weiterer international visibler Leuchtturm für Interdisziplinarität an der TUD als technischer Volluniversität wird.«
Neben der Vorstellung der sechs Forschungsgruppen besprachen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch die konzeptionelle Zusammenarbeit und die Koordination des Verbunds. Bei bestem Sommerwetter nutzten sie noch lange nach der Veranstaltung die Gelegenheit zum gemeinsamen Austausch.
M. S.
Weitere Informationen unter:
https://tu-dresden.de/gsw/forschung/projekte/tudisc/
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 13/2021 vom 13. Juli 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.