Feb 02, 2021
Vor 76 Jahren erfuhr auch die TH Dresden massive Zerstörungen
Dr. Matthias Lienert, Direktor Universitätsarchiv
Der 13./14. Februar 1945 ist aus der Erinnerungskultur der Stadt Dresden nicht wegzudenken. Vorgeschichte und Ablauf der alliierten Bombardierung sind weitestgehend erforscht und aus unterschiedlicher Perspektive wissenschaftlich und literarisch beschrieben. Dabei ist dieses einschneidende und Generationen prägende Ereignis immer wieder Gegenstand von Kontroversen, Mutmaßungen und Verschwörungstheorien. Unverzichtbar für die Dokumentation der Fakten sind die Bestände der Dresdner Archive, dabei nicht zuletzt die Überlieferungen des Universitätsarchivs. Zeitgenössische Dokumente und Fotos als authentische Quellen, mitunter ergänzt durch aufschlussreiche Zeitzeugenberichte, geben ein weitgehend objektives Bild des damaligen Geschehens. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass auch andere Hochschulstandorte in Deutschland schwerste Schäden bei alliierten Luftangriffen erlitten hatten.
Zur Vorgeschichte
Davor waren aber die Hochschulen und ihre Angehörigen in den von Deutschland besetzten und okkupierten Staaten Europas zu Opfern geworden. Bereits 1939/1940 wurden nach der Aufteilung Polens viele Angehörige der polnischen Intelligenz ermordet und Opfer der Okkupationspolitik sowohl des westlichen als auch des östlichen Nachbarn. Wehrmacht und Luftwaffe Deutschlands hatten auch Universitäten und Hochschulen schwerste, zum Teil irreparable Schäden zugefügt, besondere Kommandos von SS und SD hatten zudem in allen von Deutschland besetzten Ländern mit unterschiedlicher Intensität universitäres Inventar bis hin zu den Insignien der Rektoren geraubt. Am leidvollsten traf der von Deutschland gegen die Sowjetunion ausgehende Vernichtungsfeldzug nicht zuletzt deren wissenschaftliche Einrichtungen. Auch die TH Dresden hatte ihren Anteil an der Etablierung des Nationalsozialismus, an der Rüstung und Unterstützung der Kriegsführung. Bei den Professoren, Assistenten, Studierenden sowie Angehörigen der Verwaltung war die Affinität zu den Nationalsozialisten teilweise bereits vor deren Machtergreifung hoch gewesen. Dabei hatte es keinen ernsthaften Widerstand gegen die Entfernung von ordentlichen Professoren und Honorarprofessoren aus dem Dienst oder von Vertretern der Wirtschaft aus den Ehrenämtern gegeben. Ihnen wurde ihre jüdische Herkunft, ihre demokratische Einstellung oder einfach ihre offene oder vermeintliche Gegnerschaft zum Nationalsozialismus angelastet. Auch Studierende oder Studienbewerber waren von Repressionen betroffen.
Allein über 30 Hochschulangehörige waren mit geheimen Forschungsaufträgen in das Raketenprojekt Peenemünde involviert, das Institut für Kraftfahrwesen forschte zur Panzertechnik und untersuchte »Beutepanzer«, u.a. den legendären sowjetischen »T 34«. Forschungen zur »europäischen Großraumwirtschaft« unterstützten die wirtschaftspolitischen Ambitionen der NS-Führung. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.
In Schutt und Asche
Nachdem große Teile Europas befreit und die Okkupationspolitik mit Vernichtung, Germanisierung sowie Raub gescheitert waren, wurde am 13./14. Februar 1945 auch die Kunst- und Wissenschaftsstadt Dresden von alliierten Bombergeschwadern schwer getroffen, obwohl viele Dresdner geglaubt hatten, dass das bisher von Bomben nur eher geringfügig in Mitleidenschaft gezogene Dresden anders als Hamburg, Köln oder Frankfurt a. M. verschont bliebe. Ähnlich hatten wohl die meisten Angehörigen der TH Dresden gedacht, wie die Doktorandin der technischen Physik Sibylle von Schieszl (1921–2007), die die Manuskriptseiten und ihr Fahrrad aus ihrem nur unter Lebensgefahr begehbaren Dienstzimmer retten konnte. Ihre Familie war ausgebombt, aber überlebte. Dagegen verloren während der Bombardierungen 16 Hochschulangehörige – Studierende, Hochschullehrer und Verwaltungsmitarbeiter – ihr Leben, etwa achtzig Prozent der Gebäude der Hochschule trugen schwere Schäden davon. Das repräsentative ehemalige Hauptgebäude mit Sitz des Rektorats, der Bibliothek und der Verwaltung (nahe der heutigen HTW) war nach mehreren Bombentreffern zur Ruine ausgebrannt, die Jahre später bedauerlicherweise abgerissen wurde. Der Verlust dieses Gebäudes wird vermutlich erst in diesem Jahr kompensiert mit dem Abschluss vom Umbau des Fritz-Foerster-Baus – des ehemaligen Chemiegebäudes – zum (fast) zentralen Verwaltungsgebäude. Noch tiefer hat sich die Zerstörung des Johannstädter Krankenhauses und der Staatlichen Frauenklinik (beides heute Universitätsklinikum) in die Erinnerung der Dresdner eingebrannt. Nur schwer zu beschreiben ist die Tragödie der Frauen, die auf der brennenden Entbindungsstation ihre Kinder verloren hatten, und das große Glück derer, die gemeinsam mit ihren Neugeborenen ob des lebensgefährlichen Einsatzes von Schwestern und Ärzten überlebt hatten.
Als auf Dresden die Bomben fielen, hatten schon weit über 200 Hochschulangehörige, vor allem Studenten und Assistenten ihr Leben auf den Schlachtfeldern, insbesondere in den Weiten der Sowjetunion verloren. Die Hochschule selbst war auf einen Notbetrieb heruntergefahren. Vor allem Studierende aus Bulgarien und der Türkei waren noch eingeschrieben.
Ob der Angriff auf Dresden von alliierter Seite militärisch und moralisch gerechtfertigt und sinnvoll war, wird heute auch bei den Siegern nicht mehr eindeutig beantwortet, wobei der Angriff auf eine militärisch nicht ganz unbedeutende Forschungsstätte, wie die damalige TH Dresden, aus der Sicht der Alliierten eine gewisse Berechtigung hatte. Solche Gedanken lagen sicher den damaligen Zeitgenossen fern. Naheliegend war dagegen die Sicherung der weiteren Existenz der damals rund 117 Jahre alten und renommierten TH Dresden.
Jedenfalls hatten sich viele Hochschulangehörige an der Rettung von Laboren, Büchern und Akten, denen noch heute Spuren von Brand und Löschwasser anzumerken sind, beteiligt. Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen waren unmittelbar nach der Bombardierung eingeleitet und von vielen Hochschulmitarbeitern unterstützt worden. Selbst einige Lehrveranstaltungen wurden wiederaufgenommen. Besonders hilfreich war dabei die Forstfakultät in Tharandt, die als Ausweichquartier zur Verfügung stand. Die TH Dresden war zudem »Kopfstelle« für die geflüchteten Hochschulangehörigen der Breslauer Hochschulen und beherbergte ein Hilfslazarett. Erst am 20. April 1945 wurden alle Lehrveranstaltungen wegen »Feindannäherung« eingestellt und die Hochschule praktisch bis in den Frühherbst 1946 geschlossen. Dagegen musste der Krankenhausbetrieb in der Johannstadt unter schwierigsten personellen und materiellen Bedingungen nahtlos fortgesetzt werden.