Sep 21, 2021
Wer bist du, wenn du isst?
DIE BÜHNE führt das neue Stück »Foodology« auf
Vivian Herzog
Essen hat viele Facetten. Manche Menschen folgen bestimmten Formen, z. B. vegan, frutarisch, pescetarisch. Andere essen zu bestimmten Zeiten, wie beim Intervallfasten. Und wieder andere müssen aus gesundheitlichen Gründen auf bestimmte Lebensmittel verzichten. Oder mögen sie einfach nicht. Mit »Essen« und wie es unsere Identität prägt, beschäftigt sich »Foodology«, die erste Inszenierung des neuen künstlerischen Leiters der BÜHNE, Max Schumacher.
Über ein Jahr hat es gedauert, von der ersten Idee über den Auswahlworkshop bis zu den Proben. Doch nun nähert sich das Stück der Premiere und damit die Reise dem Ende. Oder sie fängt gerade erst an. Essen ist etwas Omnipräsentes und wurde in den letzten Jahren als Form der Kultur mit Gesundheit, Tierwohl und Nachhaltigkeit verknüpft und stärker ins Bewusstsein gerückt. »Es gibt den Spruch ›Food is the new pop‹«, erklärt Max Schumacher zur Entstehung. »Die Auseinandersetzung mit Essen ist das, was vor einiger Zeit die mit Musik war. Es kann doch nicht sein, dass man nur auf Partys darüber redet. Das ist ein Thema, um das mal zu recherchieren.«
Und so entwickelten sich mit sieben Spielerinnnen und Spielern sieben Positionen. Mit einer Regel: Niemand vertritt auf der Bühne die Ernährungs-Philosophie, der er oder sie im realen Leben folgt. »Wir haben auf zwei Ebenen diskutiert: Die wahre Überzeugung und die, die sie im Stück verkörpern. Das hat mir mehr Spaß gemacht als gedacht. Das ist enorm nah dran an der Lebenswirklichkeit, denn jede:r von uns isst, meistens mehrmals täglich«, erzählt Max Schumacher. Etwas, das ihn dabei überrascht hat: Der Bereich Religion mit seinen Vorgaben und Verboten wurde kaum berührt. Stattdessen glitt das Stück ins Fantastische. Und ins Politische. Wie verändern wir unsere Welt für unser Essen? Und wo liegt die Grenze? Wohin verschieben wir sie?
Gleichzeitig bearbeitet das Stück die Frage, wie die Ernährung die Identität prägt. Welche Signale sie nach außen sendet, welche nach innen. Durch das, was man isst. Oder nicht isst.
Im Probenprozess kooperierte DIE BÜHNE mit dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden, die Spielerinnen und Spieler wurden durch die Ausstellung »Future Food. Essen für die Welt von morgen« geführt und beraten. Auch Jun.-Prof. Jana Markert, die an der TU Dresden den Studiengang Lehramt an berufsbildenden Schulen in der beruflichen Fachrichtung Lebensmittel-, Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaft (LEH) mitbetreut, unterstützte das Werk. Verantwortlich dafür war Severin Göbel-Groß, der nach einigen Rollen auf der Bühne nun sein Debüt als Dramaturg gibt. Er sortierte den Input und steuerte in den finalen Proben den Blick von außen bei.
Auf den Brettern zu sehen sind unter anderem Maike Prüter, die bereits im prämierten »Der Amateur – Schauspieler« mitwirkte, und Karla Schröder, die kürzlich mit »Star to Paradise« ihre erste Inszenierung vorstellte.
Von seinem Ensemble ist Max Schumacher begeistert. »Ich finde dieses Commit–ment super, dass sie sich über ein Jahr mit einem Thema beschäftigt haben, so hätte ich mit Profis nicht arbeiten können, weil das nicht finanzierbar gewesen wäre. Ich genieße diesen Idealismus«, stellt er fest. Die Proben fanden zuerst digital statt, mit Texten, Filmen und Monologen. Seit Anfang September üben die Spielerinnen und Spieler physisch zusammen. »Das war am Anfang ganz komisch«, lacht Max Schumacher. Nicht umgesetzt werden konnte die Idee, dass Publikum und Spielerinnen und Spieler an einer großen Tafel sitzen. Umso stärker ist sein Wunsch, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer nach dem Stück miteinander und mit dem Ensemble diskutieren.
»Foodology« im Klemperersaal, Teplitzer Straße 26, am 21./22. September und 1./2. Oktober. Karten (10 / 5 Euro) müssen reserviert werden unter:
die-buehne.tu-dresden.de.
Die 3G-Regel wird eingehalten.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 14/2021 vom 21. September 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.