14.06.2023
Wie erhole ich mich richtig? Neue Erkenntnisse zu guten Pausen bei der Arbeit, Erholung am Feierabend und im Urlaub
An der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie der TU Dresden wird seit Jahren dazu geforscht, wie man sich bei der Arbeit (Pausen) und nach der Arbeit (Ruhezeiten, Wochenende, Urlaub) am besten erholen kann. Unser Autorenteam1 stellt in diesem Essay einige laufende Projekte und wichtige Forschungsergebnisse aus Metaanalysen vor, die Ihnen helfen können, sich besser zu erholen. Wer dazu genauere Literaturangaben erhalten möchte, kann sich gerne an die Autoren wenden.
Was ist Erholung und wann spricht man von einer Pause bei der Arbeit?
In der (psychologischen) Erholungsforschung sind mit Erholung solche Prozesse gemeint, durch die beeinträchtigende körperliche und psychische Beanspruchungsfolgen (z.B. Ermüdung) auf ein beeinträchtigungsfreies Maß zurückgestellt werden und dadurch die volle Funktions- und Leistungsfähigkeit wiedererlangt wird. Solche Beanspruchungsfolgen entstehen ganz natürlich einerseits aufgrund biologischer Prozesse (z.B. Schlaf-Wach-Rhythmen), andererseits aber immer auch aufgrund der Belastung des Beschäftigten durch die Arbeit.
Erholung findet nicht nur während weitestgehender Inaktivität statt, wie beispielsweise dem Schlaf als längster Erholungsphase des Tages, sondern immer auch dann, wenn wir Tätigkeiten unterbrechen und dies einen Anforderungswechsel impliziert. Dies kann bei der Arbeit (Arbeitspausen) und nach der Arbeit (Ruhezeiten, Wochenende, Urlaub) erfolgen. Regelmäßige Erholung ist eine wichtige Ressource, da sie nachweislich zum Erhalt der Mitarbeitergesundheit, Mitarbeitermotivation und Arbeitsleistung beiträgt.
Arbeitspausen sind als Arbeitsunterbrechungen verschiedener Länge definiert, die zwischen zwei in einer Arbeitsschicht vorkommenden Tätigkeitszeiten auftreten und der Erholung des Beschäftigten dienen. Kernmerkmale von Arbeitspausen sind demnach ihre Lage während einer Arbeitsschicht und ihre Erholungsfunktion. Arbeitspausen haben zusätzliche Funktionen: sie dienen der Befriedigung individueller Bedürfnisse, unterstützen Aufgabenwechsel und fördern unter bestimmten Bedingungen das Miteinander in Arbeitsgruppen. Aus der Pausenorganisation in Organisationen und Arbeitsgruppen können daher auch Rückschlüsse auf die allgemeine Betriebskultur gezogen werden.
In der Forschung und im Arbeitsrecht werden nach der zeitlichen Dauer verschiedene Pausenformen unterschieden. Ruhepausen sind Pausen laut Arbeitszeitgesetz, die mindestens 15 Minuten lang sind und ab einer Mindestarbeitszeit von sechs Stunden verpflichtend sind. Pausen, die weniger als 15 Minuten lang sind nennt man Kurzpausen. Auch solche Pausen können bei verschiedenen Arbeitstätigkeiten verpflichtend werden, wenn aufgrund der Arbeitsbelastung die psychophysiologische Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird. Das betrifft beispielsweise langandauernde Arbeit unter bestimmten Bedingungen, wie Kälte, Hitze oder Bildschirmtätigkeiten, die keine Belastungswechsel (bzw. Mischarbeit) zulassen. Unter solchen Situationen gehören diese Pausen zur Arbeitszeit, sind also vergütungspflichtig.
Für die Organisation von Ruhepausen gelten laut Arbeitszeitgesetz (ArbZG) folgende Regelungen:
- Die Lage und Dauer der Pausen stehen vor Arbeitsbeginn fest. Bei der Festlegung des Pausenregimes sind mögliche Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten (BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2, BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 1, MVG-EKD § 40) zu berücksichtigen.
- Beschäftigte brauchen während der Ruhepause nicht zu arbeiten und sich nicht für zwischenzeitlich anfallende Arbeitstätigkeiten bereithalten. Die Wahl der Pausentätigkeiten und des Pausenortes obliegen dem Beschäftigten.
- Ruhepausen dürfen nicht an den Anfang und/oder das Ende der Arbeitszeit gelegt werden.
- Die Gesamtdauer der Ruhepausen beträgt mindestens 30 Minuten bei sechs- bis neunstündiger Gesamtarbeitszeit und mindestens 45 Minuten bei mehr als neun Stunden Gesamtarbeitszeit.
- Einzelne Ruhepausen müssen mindestens 15 Minuten lang sein.
- Die Zeit für Ruhepausen gilt nicht als Arbeitszeit und muss deshalb vom Arbeitgeber nicht bezahlt werden. Ein Anspruch auf Vergütung der Pausenzeit kann sich für Beschäftigte nur durch gesonderte Tarif- und Arbeitsvertragsregelungen oder aufgrund von Verletzungen der oben ausgeführten Kriterien für Ruhepausen ergeben.
In zahlreichen Überblicksarbeiten wurden die Vorteile von Arbeitspausen immer wieder belegt: Sie beugen Muskel-Skelett-Beschwerden und psychosomatische Beschwerden vor, fördern das Lernen in der Arbeit und die Arbeitsleistung (z.B. auch Kreativität und Problemlösen), reduzieren das Risiko einen Arbeitsunfall zu erleiden und wirken sich positiv auf die Mitarbeiterbindung aus. Des Weiteren wurde gezeigt, dass sich selbst bezahlte Kurzpausen lohnen können. Wer regelmäßig Pausen einlegt, arbeitet trotz kürzerer Gesamtarbeitszeit nicht nur qualitativ und quantitativ produktiver, er fühlt sich während des Arbeitstages auch körperlich und psychischer fitter.
Es sei ergänzt, dass neben Pausen auch Ruhezeiten als arbeitsfreie Zeit zwischen zwei Arbeitstagen und die Gewährung von Urlaub (Befunde dazu s.u.) für die Erholung von großer Bedeutung sind. Auch hierfür finden sich im Arbeitszeitgesetz bzw. Bundesurlaubsgesetz zeitliche Mindestgrenzwerte (11 Stunden tägliche ununterbrochene Ruhezeit, 24 Werktage Urlaubsanspruch pro Jahr).
Haben wir das „Nichtstun“ verlernt und woran könnte das liegen?
Aktuell berichtet ca. die Hälfte (52%) der deutschen abhängig Beschäftigten einen hohen Einfluss auf die Wahl des Zeitpunktes ihrer Arbeitspausen zu haben. Dies sollte es eigentlich ermöglichen, erholungswirksame Arbeitspausen einzulegen. Allerdings hat diese Möglichkeit zur zeitlichen Selbstorganisation von Pausen in den letzten Jahren abgenommen und ist außerdem kein Garant für das tatsächliche Einlegen der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen. In verschiedenen Befragungen berichtet jeder dritte bis vierte deutsche Beschäftigte, dass Arbeitspausen regelmäßig ausfallen oder nur verkürzt wahrgenommen werden können. Sowohl bestimmte Branchen (Baugewerbe, Erziehung und Unterricht, Gastgewerbe, Gesundheits- und Sozialwesen) und Berufsgruppen (Dienstleistungskaufleute, Ernährungsberufe, Gesundheitsberufe, Ordnungs- und Sicherheitsberufe, sonstige Dienstleistungsberufe, Sozial- und Erziehungsberufe, Verwaltungs- und Büroberufe) als auch Beschäftigte mit Führungsverantwortung sind davon überhäufig betroffen. Eine mangelhafte Ablauforganisation sowie eine hohe Arbeitsverdichtung werden von den Beschäftigten für dieses Verhalten als ursächlich beschrieben. Verschiedene Studien belegen diese Wahrnehmung und finden konsistent, dass der Ausfall bzw. die Verkürzung von Ruhepausen mit folgenden Arbeitsbedingungen assoziiert sind:
- Hohe psychische Arbeitsanforderungen: hoher Zeit- und Leistungsdruck, häufige Arbeitsunterbrechungen, hohe emotionale Anforderungen, hohe Multitaskinganforderungen, unzureichende Personalbemessung.
- Arbeitsextensivierung: überlange Arbeitszeiten, häufige und viele Überstunden, ständige Erreichbarkeit auch nach der Arbeit.
Ruhepausen fallen also leider gerade unter solchen Arbeitsbedingungen aus, die eine ausreichende Erholung zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Beschäftigten dringend verlangen.
Warum ist das längere „Faulenzen“ wichtig und was passiert, wenn wir nie „Leerlauf“ haben?
Erholung bzw. Faulenzen führt zu verschiedenen Erholungserfahrungen der Person. In der Forschung sind sechs bedeutsame psychologische Erholungserfahrungen (DRAMMA) bekannt. Dazu zählen Detachment (geistig von der Arbeit Abstand gewinnen), Relaxation (Entspannung), Autonomy (Kontrolle über die Erholungsphase haben), Mastery (selbst gewählte Herausforderungen meistern), Meaning (Sinnerleben) und Affiliation (Zugehörigkeitserleben). Die Forschung zu diesem Thema zeigt, dass gleiche Erholungstätigkeiten bei verschiedenen Beschäftigten unterschiedlich erholsam sind und solche Wirkungen auch bei jedem Einzelnen an verschiedenen Tagen unterschiedlich ausfallen können. Wichtig ist es daher, solche Erholungstätigkeiten auszuwählen, die möglichst viele der sechs Erholungserfahrungen stimulieren, da das kumulierte Ausmaß an Erholungserfahrungen positiv mit dem Wohlbefinden, der Gesundheit, der Lebenszufriedenheit und der Arbeitsleistung von Beschäftigten zusammenhängt. Doch nicht nur die Erholungstätigkeit, sondern auch der Erholungsort spielt dabei eine Rolle. Pausen und Freizeit in natürlichen Umgebungen (z.B. Parks) sind erholsamer als in künstlichen Umwelten. In einer aktuellen Studie zeigte sich zudem, das Bürobeschäftigte dann besser von der Arbeit abschalten und entspannen können, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlassen.
So verstandener „Leerlauf“ von der Arbeit ist entscheidend für die Erhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Beschäftigten, wobei vor allem gedanklich Abstand nehmen eine durchweg positive Wirkung hat. Eine Metaanalyse untersuchte hier, wie das Abschalten von der Arbeit am besten gelingen und trainiert werden kann. Es kam heraus, dass es effektive Interventionen zur Verbesserung des Abschaltens gibt. Diese Interventionen waren bei älteren Beschäftigten sowie solchen mit anfänglichen gesundheitlichen oder erholungsbedingten Beeinträchtigungen besonders wirksam. Interventionen zur Verbesserung des mentalen Abschaltens sind besonders zu empfehlen, wenn sie folgende Punkte behandeln: Strategien zur Grenzziehung zwischen Arbeit und Feierabend, Emotionsregulation und Schlaftrainings.
Die bisher aufgeführten Befunde belegen, dass Beschäftigte – und auch Arbeitgeber – von regelmäßigen Arbeitspausen als auch Erholung am Feierabend und Wochenende profitieren, es sich also keineswegs um leere oder vertane Zeit handelt. Aber wie steht es um die Wirkung des Urlaubs? Hierzu haben wir ebenfalls eine Metaanalyse angefertigt, in die Daten aus 13 Studien mit insgesamt 1.428 Beschäftigten einflossen. Die mittlere Urlaubsdauer lag in diesen Studien bei ca. 11 Tagen (Spanne: 4-23 Tage). Wir fanden, dass sich während des Urlaubs das Wohlbefinden der Beschäftigten im Durchschnitt verbessert und vor allem Erschöpfungssymptome abnehmen. Erstaunlicherweise sind diese Wirkungen allerdings ähnlich stark wie die täglicher Pausen. Zudem zeigte sich, dass die positiven Wirkungen des Urlaubs nach dem Ende des Urlaubs wieder rasch abnehmen und sich das Wohlbefinden bereits ab der zweiten Nachurlaubswoche nicht mehr signifikant vom Vorurlaubsniveau unterscheidet. Erstaunlicherweise fanden, wir auch keinen Beleg für die eventuell plausible Annahme, dass die Verbesserung des Wohlbefindens mit der Dauer eines Einzelurlaubs zusammenhängt. Insgesamt belegen diese Studienergebnisse, dass Urlaub als längste durchgängige Erholungsphase des Jahres positive Wirkungen auf das Wohlbefinden von Beschäftigten hat. Aus praktischer Sicht sprechen die Ergebnisse dafür, regelmäßige Kurzurlaube im Jahresverlauf zu realisieren und während der Phasen zwischen zwei Urlaubsphase keinesfalls auf regelmäßige tägliche Erholung zu verzichten.
Wie können wir Pausen und Erholungsphasen besser in unseren Alltag integrieren?
Ein Ansatz für eine bessere Erholung ist einerseits, die Mitarbeiter:innen zu schulen, wie sie ihre Erholungsphasen während (Pausen) und nach der Arbeit (Ruhezeiten, Wochenende, Urlaub etc.) organisieren und individuell erholungsfördernd gestalten. Andererseits sollten auch die Führungskräfte trainiert werden, um optimale Rahmenbedingungen z. B. passende Pausensysteme, Urlaubsplanung etc. zu schaffen. Am Lehrstuhl wurde hierfür in Kooperation mit der AOK PLUS das Online-Training Pausen und Erholung für die Pflege entwickelt.
Die moderne Arbeitswelt ist häufig durch zahlreiche Meetings und ständiger Erreichbarkeit geprägt, sodass die Bedeutsamkeit von Ruhephasen und Ruhezeiten durch den Arbeitsdruck, aber auch durch die Anerkennung für diesen Arbeitsdruck oft vernachlässigt wird. Das Team und das Unternehmen hier als Ressource im Sinne eines förderlichen Erholungsklimas zu nutzen, ist eine weitere Möglichkeit zur Intervention. Ziel eines aktuellen und gemeinsamen Promotionsprojektes zwischen der TU Dresden und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ist es daher, ein passendes Messinstrument zu entwickeln und zu validieren. Das Erholungsklima ist erlebbar durch die Wahrnehmung der Erholungsbedingungen in der Arbeitsumgebung sowie durch die Beobachtung, ob die Einhaltung erholungsförderlichen Verhaltens erwartet, unterstützt und belohnt wird. Erste Studienergebnisse zeigen, dass ein starkes Erholungsklima positiv in Verbindung mit wünschenswerten Mitarbeitervariablen stehen, beispielsweise ein besseres Erholungsverhalten, ein stärkeres Erholungserleben sowie eine höhere Arbeitsmotivation und Arbeitsleistung. Bei der aktuell laufenden Fragebogenvalidierung wird das neue Messverfahren in einer Längsschnittuntersuchung validiert. Hierbei kommt eine Kurzskala mit 15 Items zum Einsatz, welche fünf Subdimensionen erfasst.
Um ein positives Erholungsklima im Team fördern zu können, hat der Lehrstuhl in Kooperation mit einem Pharmaunternehmen (Boehringer Ingelheim) zudem eine neue Workshopserie für Führungskräfte und Teams entwickelt und empirisch erprobt. Ziel ist es, die gegenseitige Unterstützung und Anerkennung für erholungsförderliches Verhalten (z.B. längere Mittagspause, Gestaltung einer aktiven Pause, pünktlicher Feierabend, keine Erreichbarkeit im Feierabend) zu stärken, auch bei Arbeitsbedingungen, die auf digitale Kooperation und hohe Autonomie des Teams setzen. Diese Dissertation wird Ende des Jahres fertiggestellt sein.
1Autorenteam:
- Prof. Dr. Jürgen Wegge, Inhaber der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie an der TU Dresden
- Tina Karabinski, Promovendin an der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie an der TU Dresden
- Anne Kemter, wiss. Mitarbeiterin an der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie an der TU Dresden
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Dr. Johannes Wendsche, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dresden
- Lydia Wiegand, Boehringer Ingelheim Corporate Center GmbH