Tragverhalten von Fugen in Windenergieanlagen
Inhaltsverzeichnis
Projektdaten
Titel | Title TP Einfluss von Imperfektionen und Vertikalfugen auf das (Fugen-)Tragverhalten modularer Turmkonstruktionen für Windenergieanlagen im Verbundvorhaben SMARTower: Bemessung und Lebensdauerüberwachung modularer Turmkonstruktionen für Windenergieanlagen | Subproject Influence of imperfections and vertical joints on the (joint) load-bearing behavior of modular tower constructions for wind turbines in the joint research project SMARTower: Design and lifetime monitoring of modular tower constructions for wind turbines Förderer | Funding Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Zeitraum | Period 08/2022 – 07/2025 Verbund- und Teilprojektleiter | Leader of joint research project and subproject Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx Team | Team Dipl.-Ing. Florian Fürll, Max Götze M. Sc. Projektpartner | Project partners Institut für Statik und Dynamik, Leibniz Universität Hannover | Institut für Geotechnik, Leibniz Universität Hannover | Testzentrum Tragstrukturen Hannover, Leibniz Universität Hannover | Wölfel Engineering GmbH + Co. KG, Höchberg Assoziierte Partner | Associated partners Max Bögl Bauservice GmbH & Co. KG, Neumarkt | TÜV SÜD Industrie und Service GmbH, München | ENERCON GmbH, Aurich |
Bericht aus dem Jahrbuch 2023
Geschliffen aber dennoch uneben: Betonringe für WEA
Speziell für Windenergieanlagen mit großen Nabenhöhen haben sich in den letzten Jahren sogenannte Hybridtürme erfolgreich etabliert. Der obere Teil derartiger Türme wird aus mehreren Stahlsektionen zusammengesetzt, wohingegen der untere Teil aus Betonfertigteilringen besteht. Die einzelnen Betonsegmente werden dabei üblicherweise nicht miteinander verklebt oder vermörtelt, sondern trocken übereinandergestapelt und mittels externer Spannglieder miteinander verspannt. Aufgrund der trockenen Fugenausbildung zwischen den Segmenten können Unebenheiten auf den Segmentoberflächen das Tragverhalten der Turmkonstruktion erheblich beeinflussen. Um größere Unebenheiten zu vermeiden, werden die Segmente daher während der Herstellung mit einer CNC-gesteuerten Schleifmaschine bearbeitet. Jedoch kann trotz des Schleifvorgangs keine ideale Ebenheit der Segmentoberflächen gewährleistet werden.
Im Forschungsvorhaben SMARTower wird der Einfluss von Imperfektionen auf das Tragverhalten von segmentierten Betontürmen mit trockenen Fugen untersucht. Dazu werden großformatige Turmversuche mit Modellsegmenten im Maßstab von 1 : 10 durchgeführt. Um die auftretenden Imperfektionen zu detektieren, wurden in einem ersten Schritt die exakten Oberflächengeometrien der Modellsegmente mittels eines hochauflösenden 3D-Scans bestimmt. Dabei wurde festgestellt, dass die Segmente neben einer elliptischen Querschnittsform auch Unebenheiten auf den Schleifoberflächen aufweisen. Diese Unebenheiten treten in Form von radialen Schiefstellungen und umfänglichen Welligkeiten mit Höhenunterschieden von wenigen Zehntelmillimetern auf. Numerische Simulationen zeigen, dass diese Unebenheiten trotz der geringen Größenordnung einen erheblichen Einfluss auf die Spannungsverteilung in den Segmentfugen haben. Um dies auch experimentell bestätigen zu können, werden aktuell Versuche an einer Turmkonstruktion bestehend aus drei Segmenten unter einer reinen Vorspannungsbelastung durchgeführt. Zukünftig sollen die Anzahl der Segmentebenen und die Komplexität der Belastung in den Versuchen schrittweise gesteigert werden, um die realen Beanspruchungszustände von Hybridtürmen möglichst exakt abbilden zu können.
Bericht aus dem Jahrbuch 2022
Betontürme für Windenergieanlagen
Windenergieanlagen leisten aktuell den größten Anteil an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland. Um die Ausbauziele im Bereich der erneuerbaren Energien jedoch zu erreichen, ist eine weitere Kostensenkung der Windstromerzeugung bei Herstellung und Betrieb unumgänglich. Ein Großteil der Kosten erzeugt die Turmkonstruktion. Steigende Nabenhöhen und größere Rotordurchmesser vergrößern zwar die Wirtschaftlichkeit, aber auch die Lasten, sodass bei den nächsten Turmgenerationen signifikant höhere statische und dynamische Beanspruchungen zu erwarten sind.
Hybridtürme haben sich v. a. bei großen Nabenhöhen etabliert. Bei neuartigen modularen Türmen zerlegen zusätzliche vertikale Fugen die Betonsegmente in kleinere Komponenten. Die Halb-, Drittel- oder Viertelschalen tragen wesentlich zur Reduzierung der Transportkosten und des Montageaufwands bei. Die Zerlegung in einzelne Betonfertigteilsegmente führt jedoch zu einem komplexen Tragverhalten, das bisher weder vollständig verstanden ist noch zuverlässig modelliert werden kann. Im Projekt SMARTower wird das (Fugen-)Tragverhalten von derartigen segmentierten
Turmkonstruktionen unter kombinierter Belastung aus Vorspannung, Biegung, Querkraft und Torsion untersucht. Dazu werden sowohl großformatige Versuche an Modelltürmen im Maßstab von etwa 1:10 als auch Detailuntersuchungen an kleineren Turmausschnitten durchgeführt. Ziel der Untersuchungen ist es, den Einfluss von Imperfektionen und Vertikalfugen auf das globale Tragverhalten der Turmkonstruktion und die Tragfähigkeit der Horizontalfugen zu erfassen und zu bewerten. Basierend auf den Ergebnissen sollen realitätsnahe ingenieurmäßige Bemessungsansätze zur Fugentragfähigkeit entwickelt und validiert werden.
Aktuell werden die Tests an den Modelltürmen geplant. Dabei soll im Vorfeld der Versuche ein hochauflösender 3D-Scan durchgeführt werden, um die Ebenheit und Formtreue der Modellsegmente zu erfassen. Mit Hilfe der 3D-Scan-Daten ist nach den Versuchen eine Einschätzung über den Einfluss von Imperfektion auf das Tragverhalten möglich.
Kurzfassung
Windenergieanlagen leisten bereits heute den größten Anteil an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland. Um die Ausbauziele im Bereich der erneuerbaren Energien jedoch zu erreichen, ist eine weitere Kostensenkung der Windstromerzeugung bei Herstellung und Betrieb unumgänglich. Dabei geht ein Großteil der Kosten auf die Turmkonstruktion und das Fundament zurück. Die Fertigung wirtschaftlicher Turmstrukturen ist mit steigenden Nabenhöhen und häufig größeren Rotordurchmessern verbunden. Bei den nächsten Turmgenerationen sind daher signifikant höhere statische und dynamische Beanspruchungen zu erwarten. Zur Reduktion der Transportkosten und des Montageaufwands werden in der neuen modularen Turmgeneration durch zusätzliche vertikale Fugen Halb-, Drittel- oder Viertelschalen gebildet. Diese Zerlegung der Turmkonstruktion in einzelne Betonfertigteilsegmente, zwischen denen die Kraftübertragung ausschließlich über Reibung erfolgt, führt jedoch zu einem komplexen Tragverhalten, das bisher weder vollständig verstanden ist noch zuverlässig modelliert werden kann. In dem hier beantragten Forschungsvorhaben soll das (Fugen-)Tragverhalten von derartigen segmentierten Turmkonstruktionen unter kombinierter Belastung aus Vorspannung, Biegung, Querkraft und Torsion untersucht werden. Dazu werden sowohl großformatige Versuche an Modelltürmen im Maßstab von etwa 1 : 10 als auch Detailuntersuchungen an kleineren Turmausschnitten durchgeführt. Ziel der Untersuchungen ist es den Einfluss von Imperfektionen und Vertikalfugen auf das globale Tragverhalten der Turmkonstruktion und die Tragfähigkeit der Horizontalfugen zu erfassen und zu bewerten. Basierend auf den Versuchsergebnissen und numerischen Begleitsimulationen sollen anschließend realitätsnahe ingenieurmäßige Bemessungsansätze zur Fugentragfähigkeit entwickelt und validiert werden. Abschließend sollen diese Bemessungsansätze in Anwendungsempfehlungen für die Praxis münden.