Modellierung des Bruchverhaltens von Beton und Stahlbeton mit DEM
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Bericht aus dem Jahrbuch 2011
Zerstörbar und doch unzerstörbar: Virtuelle Probekörper
Experimente zum Schädigungsverhalten von Beton, vor allem an normierten, repräsentativen Probekörpern, liefern unmittelbare Erkenntnisse über das Schädigungsverhalten der verwendeten Probekörper, bei einer zureichenden Anzahl an Versuchen auch über das Schädigungsverhalten des Materials an sich.
Experimente zum Schädigungsverhalten an realen Probekörpern bedeuten aber immer auch die Zerstörung derselben und ihre Nicht-Wiederverwendbarkeit. Die Herstellung repräsentativer, normierter Probekörper ist mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden, und auch die Aufbringung der immer gleichen Belastungsszenarien in der Prüfmaschine verlangt erhebliches Geschick und Sorgfalt.
Virtuelle Probekörper sind zerstörbar und zugleich unzerstörbar. Die numerische Simulation erlaubt Dinge, die in der Realität unmöglich sind: Die Wiederverwendung des soeben zerstörten virtuellen Probekörpers in einem anderen Lastregime, unter einer anderen Belastungsgeschwindigkeit, bei einer veränderten Lasteinleitung. Numerische Experimente erlauben also ein erneutes Aufsetzen der exakt gleichen „Versuchsanordnung“ unter veränderten Bedingungen.
Am Institut für Massivbau wurde ein Prototyp zur Modellierung kohäsiver Reibungsmaterialien entwickelt, der schrittweise hin zum Verständnis der grundlegenden Versagensmechanismen des Materials Beton reichen soll. Das Programm ermöglicht die Generierung von Haufwerken kugelförmiger Zuschlagkörner, die direkte Verleimung derselben miteinander (d. h. momentan noch ohne die Gegenwart einer Zementsteinmatrix) und schließlich die flächige Belastung des fertigen Probekörpers durch Druck oder Zug. Ein interessantes Detail sehen wir in der schichtenweisen Generierung der Zuschlagkörner oberhalb des zu füllenden Schalungskörpers, welche es ermöglicht, äußerst dichte Haufwerke kugelförmiger Teilchen zu erzeugen, deren Korngrößenverteilung sich an realistischen Sieblinien orientiert. Die so erhaltenen virtuellen Probekörper sind im unbelasteten Zustand formstabil, verhalten sich elastisch bei der Aufbringung kleiner Lasten und zeigen ein deutliches Schädigungsverhalten bei zunehmender Druck- oder Zugbelastung.
Wir hoffen, durch unsere numerischen Simulationen wertvolle Einblicke in die Versagensmechanismen betonartiger Probekörper zu gewinnen, und auf diese Weise zu einem besseren Verständnis von Material- und Schädigungsverhalten des Werkstoffs insgesamt beitragen zu können.
Bericht aus dem Jahrbuch 2010
Virtuelle Probekörper: Der Blick ins graue Innere
Immer noch stellt es einen beträchtlichen Aufwand dar, mit bildgebenden Verfahren einen visuellen Eindruck vom Schädigungsverhalten eines realen Probekörpers unter realistischen Belastungen zu erhalten. Hinzu kommt die Tatsache, dass ein real geschädigter Probekörper – er mag unter nahezu idealen Bedingungen gefertigt worden sein – nach der Schädigung für weitere Experimente nicht mehr zur Verfügung steht.
Numerische Simulationen erlauben die „Wiederverwendung“ ein und desselben Probekörpers unbegrenzt oft. Zudem können unterschiedliche Belastungsregimes ebenso wie unterschiedliche Belastungsgeschwindigkeiten untersucht werden.
Unsere Simulationen erfolgen als Viel-Teilchen-Simulationen nach der Methode der Distinkten/Diskreten Elemente, einem ebenso flexiblen wie rechenintensiven Verfahren. Es ist unser Ziel, ausgehend von einem realistisch dimensionierten Ensemble von kugelförmigen Zuschlagskörnern, die Korngröße der verklebenden Zementmatrix schrittweise zu reduzieren. Es wird angestrebt, auch für „Zementkorn“-Größen oberhalb realistischer Verhältnisse wesentliche Aspekte von Rissbildung und Schädigungsverhalten im Material Beton abbilden zu können.
Es erscheint vorerst nicht möglich, das Schädigungsverhalten im Material ausgehend von der mikrospischen Skala durchgehend bis hinauf zur makroskopischen Ebene millimetergroßer Risse zu beschreiben oder gar zu berechnen. Unser Augenmerk liegt daher auf der Entwicklung eines meso-strukturalen Kontaktmodells, das die vielfältigen Interaktionen auf molekularer Ebene in einem letztlich rechenbaren Teilchen-Teilchen-Modell in zureichender Weise vereinigt.
Unser Versuch, der Natur mit Hilfe numerischer Simulationen gewissermaßen „in die Karten zu schauen“, wird beschränkt durch die Zulänglichkeit des numerischen Modells. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass letztlich nur das Experiment Aufschluss über Versagen oder Nicht-Versagen eines Bauteils geben wird. Numerische Simulationen können aber wertvolle Einblicke in das „Innenleben“ betonartiger Probekörper liefern und auf diese Weise zu einem besseren Verständnis von Material- und Schädigungsverhalten des Werkstoffs insgesamt beitragen.
Bericht aus dem Jahrbuch 2009
Einen Werkstoff verstehen – sein Verhalten simulieren
Um ein tieferes Verständnis für das Material Beton zu gewinnen, werden an unserem Institut numerische Simulationen der Verformungs- und Rissentwicklung von Beton durchgeführt. Im Zuge der numerischen Simulationen durchlaufen virtuelle Probekörper daher ein ähnliches Testprogramm wie ihre „realen Kollegen“.
Unter unterschiedlichsten Belastungssituationen und Geometrien sollen die Bruchvorgänge im Beton mit der numerischen Simulation beschrieben und eine zufriedenstellende Übereinstimmung mit experimentellen Untersuchungen erreicht werden. Ein ganz wesentlicher Aspekt besteht darin, eine Simulation beziehungsweise ein Modell zur Berechnung des Betonversagens für allgemeine Beanspruchungssituationen zu schaffen, ohne dass Veränderungen in dem Parametersatz des Modells vorgenommen werden müssen.
Zur zunächst zweidimensionalen Simulation des Versagensverhaltens von Beton wurde ein Rechencode erstellt, der auf der Diskrete Elemente Methode basiert. Ein großer Vorteil der Diskrete Elemente Methode besteht darin, dass Risse nicht als verschmiert angenommen und auch nicht mittels spezieller Riss-Elemente dem Modell zusätzlich hinzugefügt werden, sondern von vornherein als diskontinuierliche Eigenschaft in der Methode enthalten sind. In der Simulation wird der Betonkörper durch eine große Anzahl polygonal berandeter Partikel beschrieben, deren Eigenschaften statistisch verteilt sind. Die Partikelgeometrie wird durch eine Voronoi-Zerlegung generiert, die auf verschiedenen Techniken zur Generierung zufälliger Gitter basiert. Auf diese Weise kann ein dichtschließendes Partikelensemble mit ähnlichen Partikelgrößen, doch unterschiedlichen Partikelformen erzeugt werden.
Darüber hinaus wird auch eine am Institut für Massivbau neu entwickelte Voronoi-Zerlegung untersucht, die eine Substrukur erzeugt. Hierfür werden die Mittelpunkte einer Kugelschüttung mit verschiedenen Durchmessern verwendet, deren Verteilung einer Fullerkurve entsprechen. Durch Verwendung solch einer Kugelschüttung, wie sie in der Abbildung dargestellt ist, können Partikel unterschiedlicher Größenordnungen generiert werden, die dann Zement beziehungsweise Zuschlagkörner repräsentieren können.
Als Ergebnis der Simulation wird beispielsweise das Rissbild eines mit ca. 50.000 Partikeln modellierten Betonkörpers erhalten. Simulationen der Versagensmechanismen eines aus Bestandteilen unterschiedlicher Größe und Beschaffenheit zusammengesetzten Werkstoffes unter verschiedensten Beanspruchungen werden die Realität nicht ersetzen, möglicherweise aber wichtige Einsichten und Rückschlüsse liefern.