13.09.2024
#FactFriday: Gender Care Gap
I don’t care
Die Basics zum Gender Care Gap
Frauen verbringen durchschnittlich 44,3% mehr Zeit mit Care Arbeit, also unbezahlter Sorgearbeit. Das schließt aber nicht nur die Kindererziehung ein, sondern auch Pflege von Angehörigen, Hausarbeit oder Ehrenamt. Diese Differenz wird als Gender Care Gap bezeichnet.
Der Gender Care Gap beträgt momentan (Stand 28.03.2024) 44,3%, das bedeutet, dass Frauen täglich 44,3% mehr Zeit für Care Aufgaben aufbringen als Männer. Das entspricht umgerechnet 79 Minuten am Tag. Männer verbringen somit pro Woche ungefähr 21 Stunden mit unbezahlter Sorgearbeit, während es bei Frauen 30 Stunden sind.
Und jetzt?
Konsequenzen des Gender Care Gap
Die Konsequenz des höheren Anteils unbezahlter Arbeit bei Frauen ist ein wirtschaftlicher Nachteil, da weniger Zeit für Erwerbsarbeit bleibt. Das hat zur Folge, dass Frauen weniger verdienen (hier muss zusätzlich der Gender Pay Gap beachtet werden!), weniger ökonomische Eigenständigkeit haben und eine schlechtere Alterssicherung erarbeiten als Männer.
Der Gender Care Gap ist nicht für alle Altersgruppen gleich und steigt vor allem ab dem 30. Lebensjahr an. Für erwerbstätige Personen im Alter von 35 bis 39 Jahren beträgt er mitunter über 100%, das heißt also, dass in dieser Altersgruppe Frauen doppelt so viel Care Arbeit leisten wie Männer. Diese Veränderung hängt meist mit der Familiengründung zusammen und es gibt auch Statistiken, die den Zusammenhang von der Geburt eines Kindes und dem Gender Care Gap zeigen, wobei es deutliche Unterschiede zu Paaren gibt, in denen „50:50“ gearbeitet wird und der Mann beispielsweise die Hausarbeit übernimmt.
Tell me why
Ursachen und Gründe
Der Gender Care Gap entsteht vor allem durch gesellschaftliche Rollen und Erwartungen, wie sich ein Geschlecht zu verhalten hat. Dabei werden traditionelle Rollenbilder aufrechterhalten und der Handlungsspielraum eingeschränkt. Frauen, die mit Familie und Erziehung in Verbindung gebracht werden, oftmals auch als fürsorglicher, liebevoller und verantwortungsbewusster charakterisiert und stigmatisiert werden, werden so in die Care Arbeit gedrängt. Das kann dabei passiv durch gesellschaftliche Erwartungen oder aktiv durch den Druck von Angehörigen, Bekannten oder Partnern entstehen. Durch die natürliche Gebärfähigkeit der Frau, die Austragung und Geburt des Kindes, wird von vielen Frauen erwartet, automatisch die Kindererziehung (großteilig oder allein) zu übernehmen.
Auf der anderen Seite gibt es gleiche Stereotypen für Männer, für die es „unmännlich“ oder „verweichlicht“ ist, die Erziehung mitzugestalten oder im Haushalt zu helfen. Auch die Rolle als „Beschützer“ und „Ernährer der Familie“ wird oftmals Männern zugeschrieben, was jedoch den Teufelskreis bestärkt, da Frauen durch höheren Anteil an Care Arbeit oft ökonomisch schwacher sind.
Ein weiterer Faktor, der den Gender Care Gap begünstigt, ist die fehlende Infrastruktur und Unterstützung bei Kinderbetreuung und Pflege durch den Staat, die vor allem bei einkommensschwächeren Familien problematisch wird.
Schon wieder Corona
Auswirkungen der Pandemie
Durch die alltagseinschränkenden Maßnahmen der Corona-Pandemie 2020 wurden viele Kindergärten und Schulen geschlossen bzw. nur bedingt geöffnet. Bildung und Betreuung forderten somit Unterstützung aus dem Elternhaus. Experten und Expertinnen gingen deshalb von einem zunehmenden Gender Care Gap aus, der die geschlechterspezifischen Ungleichheiten vergrößern würde. Es gab jedoch auch Vermutungen, dass es zur Anpassung der Care-Verhältnisse kommen könnte, wenn sich die Kinderbetreuung nur durch mithilfe der Väter verwirklichen ließe.
Tatsächlich ergaben Studien, dass der Gender Care Gap etwas größer war als vor der Pandemie, jedoch kein drastisches Wachstum zeigte. Der Anteil der Paare, die die Hausarbeit gleich untereinander aufteilten, blieb außerdem nahezu konstant, jedoch stieg der Anteil an Paaren, die angaben, dass Sorgearbeiten (nahezu) vollständig von der Frau übernommen wird.
Nach einem Jahr änderte sich die Aufteilung wieder auf die Verhältnisse, die vor der Pandemie überwogen. Auch rund zwei Jahre nach der Pandemie zeigen sich keine großen Veränderungen bei der Aufteilung der Sorgearbeit. Die Corona-Pandemie sorgte also nicht für eine Vergrößerung des Gender Care Gap, erfüllt jedoch auch nicht die Hoffnung einer Anpassung des Geschlechterverhältnisses.
Mr.(s) Worldwide
Globaler Gender Care Gap
Wie alle Belange, die Frauenrechte betreffen, sind diese global sehr verschieden. Laut dem Global Gender Report 2022 liegt der globale Durchschnitt bei ungefähr 40% Unterschied, zwischen dem prozentualen Anteil an Care-Arbeit, den Frauen im Vergleich zu Männern leisten. Am gleichgestelltesten sind dabei die Niederlande mit 14%, Italien mit ca. 15%, sowie Dänemark mit ca. 16% sowie. Es gibt aber auch Länder mit sehr großen Differenzen, wie die Türkei mit ca. 56%, Portugal mit ca. 55%, Polen mit ca. 55% oder Österreich mit ca. 50%. Bei dieser Statistik ist jedoch zu beachten, dass sich die erhobenen Daten fast ausschließlich auf europäische Länder und nur Paare mit Kindern unter sechs Jahren beziehen. Leider lassen sich kaum Statistiken zum Gender Care Gap in außereuropäischen Ländern finden.
Ziele
Was wir für die Zukunft brauchen
Der Gender Care Gap ist neben dem Gender Pay Gap und anderen Faktoren ein Maß für die Gleichstellung in einem Land.
Es muss eine gleiche und faire Verteilung der Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen geben, die es ermöglicht, sonst entstehende finanzielle Unterschiede zu überbrücken. Gleichzeitig spielen hier Faktoren wie Mental Load mit herein, welcher die mentale Belastung, die durch solchen zusätzlichen stress – in diesem Fall eben überwiegend bei Frauen – entsteht und die Lebensqualität verändert. Auch eine faire (Frei-)Zeitgestaltung würde durch eine Verringerung des Gender Care Gap geleistet. Ebenfalls sind Frauen, die ständig Sorgearbeiten verrichten, sozial isoliert, was zum Bestehen und zur Verstärkung patriarchalischer Strukturen führt.
Daher ist es wichtig, dass traditionelle und stigmatisierte Rollenbilder aufgebrochen werden und sich Männer an der Sorgearbeit beteiligen, sodass der Gender Care Gap sinkt bzw. nicht mehr existiert. Weiterhin muss es Aufgabe des Staates sein, Infrastrukturen für Pflege und Betreuung (Seniorenheime, Kindergärten, Krankenhäuser, Hortbetreuung, etc.) zu schaffen und diese auch finanziell für alle Bürgern und Bürginnen erschließbar zu machen.
Um auf diese Missstände sowie die Ungleichheit bei Geschlechterverteilung der Care-Arbeit aufmerksam zu machen, wird am 29. Februar der Equal Care Day gefeiert. Dabei wurde dieses Datum ausgewählt, weil der Schalttag genau wie die „unsichtbare“ geleistete Sorgearbeit oft übergangen wird. In Nicht-Schaltjahren wird er am 1. März gefeiert.
Quellen
[1] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-die-gleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstellung-137294
[2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Grundgesetz/gender-care-gap.html
[3] https://www.diw.de/de/diw_01.c.895258.de/publikationen/wochenberichte/2024_09_1/gender_care_gap_in_deutschland__kein_anhaltender_anstieg_infolge_der_corona-pandemie.html
[4] https://www.weforum.org/publications/global-gender-gap-report-2022/
[5] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/154696/bb7b75a0b9090bb4d194c2faf63eb6aa/gender-care-gap-forschungsbericht-data.pdf
[6] https://equalcareday.org/haeufigste-fragen/