Polarstern ARK XXIV/3 Nordost-Grönland 2009
Polarstern-Fahrt ARK XXIV/3nach Nordost-Grönland, 03.08.-25.09.2009
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Geodätische Arbeiten in Nordost-Grönland
Der grönländische Eisschild ist die größte kontinentale Eisbedeckung der Welt außerhalb Antarktika. Bedingt durch seine Lage in subpolaren und polaren Breiten reagiert er sehr empfindlich auf Umwelt- und Klimaveränderungen und nimmt deshalb eine bedeutsame Stellung im Zusammenspiel globaler Klimafaktoren und -veränderungen ein. Nicht zuletzt deshalb befindet sich Grönland im Fokus vielfältiger und intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen.
Der Nordosten Grönlands ist gekennzeichnet durch eine hohe Variabilität des Eisschildes, insbesondere in der räumlichen Ausdehnung des Eisrandes und in der Massenänderung. Glazial-isostatische Modelle prädizieren für diese Region deutliche visko-elastische Ausgleichsbewegungen der Erdkruste – die sich in vertikale Höhenänderungen der Erdoberfläche widerspiegeln. Darüberhinaus können tektonische Bewegungen nicht ausgeschlossen werden, die horizontale Deformationen der Erdoberfläche bewirken.
Die geodätischen Arbeiten während des Fahrtabschnitts ARK-XXIV/3 des deutschen Forschungseisbrechers Polarstern im August/September 2009 waren die Fortführung der bereits im Vorjahr ausgeführten Messungen. Im Sommer 2008 wurden insgesamt 16 Punkte im Nordosten Grönlands neu angelegt und vermessen. Diese sollten auf dieser Messfahrt wiederholt besetzt und GPS-Beobachtungen durchgeführt werden.
Der nach der wiederholten Messung durchzuführende Vergleich der bestimmten präzisen Koordinaten dient der Analyse von Punktbewegungen bzw. Deformationen, die insbesondere als unabhängige Information zur Validierung und Verbesserung von Modellen der Glazialgeschichte der grönländischen Vereisung und der rezenten Eismassenbilanz Nordost-Grönlands genutzt werden können.
Aus dem 1. Bericht, 09.08.2009
Unsere erste Woche stand zunächst eher im Zeichen des Ankommens auf der Polarstern und war damit zwar recht ereignis- doch weniger arbeitsreich. Die Reise begann am Sonntag abend auf dem Dresdner Flughafen und ging zunächst nach Reykjavik. Der Dienstag bot Gelegenheit für ein paar letzte Besorgungen an Land wie vergessene Mützen o.ä., bevor wir am Nachmittag die Gangway betraten, an Bord der Polarstern gingen und unsere Kammern bezogen. Im Laderaum fanden wir auch unsere 22 Ausrüstungskisten.
Am Mittwoch trafen dann die anderen Wissenschaftler ein, und um 18:00 Uhr legte die Polarstern ab. Geboten wurde an diesem Abend zunächst ein sonnenumrahmter Blick zurück auf den kleiner werdenden Hafen und später ein schöner Sonnenuntergang auf See. Dazu gab es jedoch einen recht starken Seegang, der zwar bei Betrachtung durchaus nicht stark aussah, das Schiff aber doch merklich in Bewegung versetzte. Und just dieser Übergang von Land auf spürbar bewegtes Schiff ließ uns - und mit uns einen nicht unerheblichen Teil der Mitanwesenden - den folgenden Donnerstag in leichter Seekrankheit verleben.
Aufgrund der noch recht ungünstigen Eislage im Norden wurde entschieden, zunächst ein Messprogramm im Süden zu fahren. Dies betrifft vor allem die Geophysik, die den größten Anteil an diesem Fahrtabschnitt stellt. Bereits am Freitag haben wir das Zielgebiet für die ersten geophysikalischen Stationen erreicht und entsprechend groß war die Geschäftigkeit, die sofort am Donnerstag morgen begann. Gefahren wird eine auf die Küsten zu gehende Profillinie, entlang derer zunächst in regelmäßigen Abständen Ozeanbodenseismometer ausgebracht werden. Und so fahren wir seit Donnerstag in dem für das Seegebiet typischen undurchdringlichen Nebel langsam auf die grönländische Küste zu.
Wir haben die Tage genutzt, um unsere Ausrüstung auszupacken, zu kontrollieren und wiederum die ersten Kisten für die zu beobachtenden GPS-Stationen vorzubereiten und zu packen. Ebenfalls haben wir intensiven Kontakt mit der Kölner Geologen-Truppe, die ihr Feldlager an der Küste vorbereitet.
Die Lagebesprechung am Freitag ergab dann folgendes Bild: Ausfliegen des Feldcamps am Sonntag, gleichzeitig sollten mit dem zweiten Heli drei GPS-Punkte an der Küste angelegt werden. Der darauffolgende Montag sollte Gelegenheit für einen Geodätenflug nahe an die Eiskante zur Installation zweier weiterer neuer Punkte bieten.
Ralf und Karsten haben zwei neue Punkte installiert, einen auf Cecilia Nunatak und einen weiteren am Eisfjord. Cecilia Nunatak ist ein Endpunkt der EGIG-Linie, einer Expedition, die über das Inlandeis hinweg von West- nach Ostgrönland führte. Der dritte Punkt wurde gemeinsam mit dem Feldlager der Kölner Gruppe ausgebracht.
Aus dem 2. Bericht, 16.08.2009
Nachdem vergangenen Sonntag die Geologen in ihr Zeltlager ausgeflogen waren und wir zwei neue GPS-Punkte am Eisrand besetzen konnten, sollte der Montag ein weiterer Flugtag im Dienste der Geophysik und der Geodäsie werden. Und während die Geophysiker mit einem Heli an Land flogen und einige Geophonstationen ausbrachten, waren wir mit dem zweiten Heli unterwegs zu zwei neuen GPS-Stationen an der Küste. Nach einem nebligen Tagesanbruch klarte es am Vormittag recht schnell auf. So installierten wir zunächst einen neuen Punkt am Basaltsoe. Der Nebel hatte sich indessen soweit zurück gezogen, dass wir danach noch eine kleine Insel vor der Küste anfliegen konnten, die auf den schönen Namen Bunte Kuh hört. Außer dicken hungrigen Grönland-Mücken konnten wir weder einfarbige noch bunte Tiere dort ausmachen.
Bereits am Sonntag abend nahm die Polarstern wieder Kurs auf die offene See. Die Geophysiker brachten ihre Ausrüstung in Stellung, die nun aus einem zu Wasser gelassenen Airgun bestand. In den folgenden zwei Tagen dampften wir entlang der geophysikalischen Profillinie wieder gen See, wobei in regelmäßigen 60-Sekunden-Abständen einmal mit dem Airgun geschossen wurde. Die dabei ins Wasser abgegebene seismische Energie breitet sich dort aus und wird von den vorher ausgebrachten Ozeanbodenseismometern und den Geophonen an Land aufgezeichnet. Im Schiff war jeder Schuss als ein kräftiger Rumms zu spüren.
Am Mittwoch wurde das Ende der Profillinie erreicht. Die Airgun wurde wieder eingeholt und die folgenden Tage ging es wieder zurück zur Küste, wobei nach und nach die Ozeanbodenseismometer an Bord geholt wurden. Am Freitag abend befanden wir uns kurz vor dem Eingang zum Kong Oscar Fjord. Die Tage auf See herrschte fast beständiger Nebel, und so war der sonnige Freitagabend mit einem schönen Sonnenuntergang ein willkommenes Ereignis.
Der Sonnabend - angesetzt als Flugtag - begrüßte uns bereits am Morgen mit Sonnenschein und so war pünktlich 8:00 Start auf "Polarstern International Airport". Beide Helis waren im Einsatz, wobei zunächst die Geophysiker ihre Geophonstationen abbauten und die Geologen aus ihrem Feldlager abgeholt wurden. Dank des schönen Wetters ging alles recht zügig voran, uns so konnten wir gegen 10:30 Uhr unseren ersten Flug in Richtung Eiskante antreten und beide dort ausgebrachten GPS-Stationen bergen. Benjamin, gerade aus dem Feldlager zurück auf dem Schiff, hatte gar keine Zeit zum Ankommen, da er gleich wieder zum den nächsten Flug einsteigen konnte, um die beiden küstennahen Stationen abzubauen.
Die Ausfahrt aus dem Fjord erfolgte gestern nicht wieder in bekannter Richtung, vielmehr fuhren wir weiter in den Kong Oscar Fjord hinein und weiter nördlich zum Kejser Franz Joseph Fjord wieder hinaus. Es war ein sehr schöner grönländischer Sommerabend (Sonne bis nach Mitternacht, 7°C) und alle genossen die Landschaft und die Fahrt. Mit der Aussicht auf Fjord und Eisberge - wir zogen auch etwa 2 Stunden gemächlich am Teufelsschloss vorbei, einem majestätisch aufragenden steilen Felsen - fand dieser erste Arbeitsabschnitt einen sehr schönen Abschluss.
Aus dem 3. Bericht, 23.08.2009
Am Sonntag morgen hatten wir den Kejser Franz Joseph Fjord wieder verlassen und prompt tauchte die Polarstern wieder in den dicken, auf der offenen See ruhenden Nebel ein. Am Nachmittag verbesserte sich das Wetter dann aber doch noch ausreichend, um zur Küste zu starten und drei weitere GPS-Stationen aufzubauen. Mittlerweile waren allerdings auch über dem Land die Wolken tiefer gesunken und der Heli musste kurz vor dem Punkt OSTE abdrehen. Der Rückflug führte über Shannon, wo - ohne Sonnenschein, dafür mit leichtem Schneeregen - die GPS-Station SHAN aufgebaut und auch ein Pegel ausgebracht wurde.
Die Polarstern dampfte indessen weiter gen Norden, dabei einen großen Bogen schlagend, um das immer noch vor der Küste lagernde Eis zu umfahren. Dabei befand sie sich eigentlich ständig im dicken Seenebel, in dem sich erst am Dienstag wieder ein Loch auftat, das groß genug für einen Flug zur Küste war. Dort wiederum konnten wir ein bisschen Sonne tanken und den Punkt Franske Oer (FRAN) aufbauen.
Die nächsten Aktivitäten fanden erst wieder am Donnerstag statt. Bereits in der Nacht hatten wir Holm Land erreicht und der Morgen begrüßte uns mit vereinzelten Sonnenstrahlen und Ausblick auf die nahe Küste. Pünktlich 7:00 Uhr war der erste Heli in der Luft. Bereits am Vorabend fand ein Erkundungsflug für und mit den Kölner Geologen statt, die in der Region des Centrumsoe eine passende Stelle für ihr zweites Feldlager fanden. Nach einer kleinen Abschiedsparty am Mittwochabend trafen wir uns also am Donnerstag morgen alle auf dem Arbeitsdeck wieder, um ihre Ausrüstung zum Helideck zu transportieren. Geplant ist eine Dauer des Feldlagers für 10 bis 14 Tage, mit "Verlängerungsoption" entsprechend der Wetterbedingungen.
Nachdem also die Operation Feldlager beendet war, hatten auch wir noch die Möglichkeit auf einen Flug an Land. Es war wirklich nur ein Flug möglich, und der Fahrleiter gemahnte uns zu zügiger Arbeit, da die Polarstern sofort wieder Fahrt nach Osten aufnahm. Zwei Punkte haben wir erfolgreich aufgebaut und hoffen nun auf eine reiche Datenausbeute. Ralf wird zusätzlich in der Nähe des Camps einen neuen Punkt einrichten und erstvermessen. Am Küstenpunkt HOLM konnten wir auch noch einen Pegel installieren. Auch wenn die Meldung des Piloten an die Polarstern: "Heli zwei geht jetzt zum Strand hinunter" nicht ganz das trifft, was man sich unter Urlaub am Meer vorstellt, war auch dies sehr schön. Der Pegel liegt nun in einer kleinen Bucht am Strand, und während des Einmessens hatten wir noch ein paar Minuten Gelegenheit, um einfach der Natur zu lauschen. Es ist eine beeindruckende Stille, in der die einzigen Geräusche das Tropfen des tauenden Eises im Wasser und die Schreie einiger weniger Schwalben sind.
Aus dem 4. Bericht, 30.08.2009
Hinter uns liegt eine eher ruhige, dennoch abwechslungsreiche Woche. Bereits am Montag hatten wir das Eis verlassen und waren wieder im offenen Wasser. Ab Dienstag hatten wir den Golfstrom unterm Kiel, was einen sprunghaften Anstieg der Wassertemperatur auf fast 8 Grad Celsius bedeutete und auch die Luft gleich viel wärmer werden ließ.
Das Programm wurde diese Woche von den Geophysikern bestimmt. Zunächst wurden Wärmeflussmessungen durchgeführt, später wurden entlang eines weiteren seismischen Profils wieder Ozeanbodenseismometer ausgebracht. Die Fahrtroute verlief entsprechend auf einer geraden Linie nach Südosten, mit ein paar „Schlenkern” zu geophysikalisch interessanten Messpunkten. Unsere Woche an Bord war eher von Büroarbeiten gekennzeichnet, zu denen auch die Aufbereitung der am Kong Oscar Fjord gesammelten GPS Daten gehörte.
Auch einen Besucher hatten wir diese Woche: ein neugieriger Eisbär kam eines Nachts übers Eis gewandert, um sich die Polarstern mal ganz aus der Nähe anzusehen. Am Freitag nachmittag war der südliche Endpunkt des seismischen Profils erreicht, und seitdem dampfen wir wieder gen Norden.
Aus dem 5. Bericht, 06.09.2009
Nachdem sich schon am Montag abzeichnete, dass die herumwirbelnden Tiefdruckgebiete sich eine Pause gönnen und damit stabile nebel- und wolkenfreie Flugbedingungen herrschen werden, wurde der Dienstag zum Zurückholen der Grönland-Camper bestimmt. Pünktlich in des Dienstags früher Morgenstunde um 6 Uhr startete bei strahlendem Sonnenschein der erste von zwei Helikoptern in das etwa 120 km entfernte Außencamp. Dort warteten nicht nur alle 6 mit gepackten Kisten, sondern auch mit einer Menge Erzählstoff aus 12 Tagen Feldarbeit auf den Rückflug zur Polarstern:
Unser Camp war etwa eine halbe Stunde Fußmarsch südlich des 80zigsten Breitengrades gelegen, direkt am Swante-See, dem größten der fünf uns umgebenen Seen. Die anderen kleineren Seen hörten schon bald auf die treffenden Namen Lille (kleiner)-, Store (großer) Schneehas-Oe und Triefnas-Oe. Nachdem die ersten Stunden im Camp dem Aufbau gewidmet waren, der 5°C Frischwasseranschluss geprüft wurde und auch ein jeder seinen Schlafsack über einer weichen Stelle auf dem Permafrostboden ausgerollt hatte, ging es direkt zu den ersten Tagesaufgaben.
Während die Geologen der Universität Köln auf einem kleinen Floß die ersten Fahrten zur Erkundung der Wassertiefe unternahmen, wurden alle restlichen Arbeitskräfte zum gemeinsamen Schleppen der 40kg GPS-Ausrüstung eingeladen. Auf der ca. 1km entfernten von uns getauften Moschusochsenanhöhe wurde die Antenne in anstehenden Kalkstein geschlagen. Zuvor mussten alle spüren, dass Permafrostboden nicht immer Trittsicherheit bietet. Urplötzlicher Gleichgewichtsverlust im nachgebenen treibsandähnlichen Boden zog nicht selten Schuh samt Bein nach sich. Auf dem Rückweg beobachteten wir noch eine aus 6 Tieren bestehende Moschusochsengruppe, die fortan um unser Camp streifen sollte.
Unumstritten beeindruckend sind stets die kurzfristigen Wetterwechsel. Auf windstille und wolkenlose Sommerabende können kalte rauhe Herbsttage folgen, ohne dies vorhersagen zu können.
Während vier von sechs Personen mit Bohren auf dem See beschäftigt waren (Ziel war das Ziehen von Sedimentkernen aus dem Seeboden), verfolgten die zwei Übriggebliebenen ein eher landlastigeres Programm. Duanne, ein australischer Geomorphologe, sammelte quarzhaltige Gesteine mit der Zielstellung, aus der Zusammensetzung der Quarze die Eisgeschichte zu rekonstruieren (d.h. die zeitliche Abfolge von Rückzug und Vorstoß des Eises). Auf mehreren 20-25km Wanderungen wurden in Richtung des grönländischen Eisschildes Proben gesammelt. Grönland ist in vielen Hinsichten geologisch interessant, hier besonders die Tatsache, dass man auf fast allen Bergen Korallenfossilien findet, die Zeuge Grönlands Vergangenheit sind, als die heute bis zu 2000m aufgetürmten Bergmassive noch unter dem Meeresspiegel lagen und im warmen Wasser auf 30 Grad nördlicher Breite von Meeresbewohnern besiedelt waren.
Dass es in Grönland langsam Herbst wurde, merkte man nicht nur beim frühmorgendlichen Zähneputzen, wo jeder mit der Bürste sein eigenes kleines Loch ins Eis stach, um an frisches Wasser heranzukommen. Auch das weiße Herbstkleid der blühenden arktischen Weide, die Tagestemperaturen zwischen -5 und -10 Grad C bzw. die deutlich länger werdenden Nächte, welche zum Schluss schon eine reichliche Stunde betrugen, waren deutliche Anzeichen. Ein beeindruckendes Naturschauspiel war es, als tausende Gänse konzentriert auf eine Woche nach Süden zogen. Wir taten gleiches, obgleich ersteinmal nach Osten, und flogen in unser warmes Polarsternnest.
Nachdem gegen 10 Uhr der Heli mit den letzten Kisten aus dem Feldlager gelandet war, standen noch zwei weitere Flüge zum Abbau unserer drei nördlichen GPS-Stationen auf dem Programm. Der Dienstag fand später noch einen sehr schönen Abschluss mit der Durchfahrt der Polarstern durch den Djimphna-Sund. Dabei wurde dieser Sund bathymetrisch zu vermessen und so wieder ein weißer Fleck in den Seekarten mit Farbe (oder Wassertiefen) gefüllt. Für uns an Bord bedeutete das vor allem, bei schönstem Sonnenschein den Blick auf die umliegenden Berge und Gletscher zu genießen und Abschied von Nordgrönland zu nehmen. Auf der Wasseroberfläche bildete sich mittlerweile deutlich Neueis, und wir lauschten dem Klirren der zerbrechenden Eisfläche und dem Klappern der aneinanderstoßenden wenige Zentimeter dicken Eisstücke.
Aus dem 6. Bericht, 13.09.2009
Geweckt von den morgendlichen Sonnenstrahlen fanden wir uns am Freitag halb neun am Helideck ein, wo um neun Uhr der erste Heli mit Ziel Shannon abhob. Drei Stunden später startete der zweite Heli zu einem wahren Langstreckenflug in Richtung Ole Roemer Land, und weitere 2 Stunden danach brach Ralf zu einem letzten Flug nach Hold with Hope Land auf. Am Ende des Tages hatten wir nicht nur alle drei noch an Land verbliebenen GPS Stationen abgebaut und sicher zurück ins warme Labor gebracht, sondern auch ein letztes Mal für diese Saison die Füße auf das grönländische Festland gestellt.
Voller Spannung haben wir am selben Abend noch die Empfänger ausgelesen und die Schätze gehoben: Alle drei Empfänger haben aufgezeichnet und Daten gesammelt. Doch kein Sieg ohne Verlust, und so einen mussten wir in Shannon hinnehmen. Der dort ausgebrachte Pegel war trotz langer Suche nicht mehr auffindbar. Stattdessen fanden wir dort viel und hochaufgetürmtes, angestautes Eis. Wir vermuten, dass dieses den Pegel mitgeschleift hat. Damit begann am Sonnabend für uns die Heimreise. Erkennbar unter anderem am deutlich südwärts gerichteten Generalkurs der Polarstern, auch wenn noch einige geophysikalische Aktivitäten anstehen und ein paar "Schlenker" in den Kursplot bringen. Wir haben begonnen, unsere Ausrüstung zu sortieren und langsam wieder in ihre Kisten zu verstauen.
Aus dem 7. Bericht, 20.09.2009
Der Winter wirft nun hier im Norden lange Schatten voraus. Die Sonne steht schon mächtig tief am Horizont und wärmt nicht mehr, die Nächte werden dunkler und länger. Das Grönland-Hoch löst sich auf, und vor der Küste liegen die Tiefdruckgebiete wie an einer Perlenschnur aufgereiht und warten darauf, über uns hinwegzuziehen. Und so begann die Woche mit Schneeflocken, die aber bemerkenswerterweise nicht von oben nach unten sondern eher von rechts nach links zu fallen schienen, da sie auch von einem heftigen Wind begleitet waren. Der Wind brachte im Weiteren auch genügend Wellen, um wieder einmal zu bemerken, dass wir uns auf See befinden.
Am Dienstagnachmittag klarte das Wetter soweit auf, dass kurzfristig noch beide Helis startklar gemacht wurden und die Geologen eine letzte Möglichkeit bekamen, an der Küste nach historischen Strandterassen, alten Tsunami-Sedimentablagerungen und anderen interessanten Dingen zu suchen. Insbesondere der Storegga-Tsunami, eine der größten jemals stattgefundenen Hangrutschungen im Meer, der vor etwa 10000 Jahren vor der Küste Norwegens auf rund 800km Länge und bis zu 400m Höhe gigantische Schuttmassen abrutschen ließ und noch in Nordostgrönland Wellenhöhen von fast 20 und mehr Metern hervorrief. Und so lassen sich heute noch Zeugen dieses Ereignisses in Form von Muschel- und Sandablagerungen landseitig finden. Tatkräftig geodätisch unterstützt wurden sie dabei von Ralf, der so ebenfalls die Möglichkeit auf einen allerletzten Landgang hatte.
Am Abend war die Polarstern dann selbst soweit an die Küste herangekommen, dass auch von Bord aus Aussicht auf die Küstenberge bestand. Doch wie anders war der Anblick, der sich uns bot. Während wir vor 5 Wochen die in allen Farben leuchtenden Bergwände bestaunten, die von bunten Bändern durchzogen und (beim genauen, phantasievollen Hinsehen) grünen Tälern unterbrochen waren, glänzten nun leuchtend weiße Berge in der untergehenden Sonne. Grönland wirft sich wieder sein Winterkleid über. Nachts glänzten die Sterne am wolkenlosen Himmel und als kleines Abschiedsgeschenk bekamen wir noch ein wunderschönes, intensives Polarlicht zum Bestaunen und Genießen.
Das gute Wetter hielt auch am Mittwoch an. An diesem Tag bekamen wir den lang angekündigten und nicht von jedem sehnlichst erwarteten Besuch an Bord der Polarstern: Neptun betrat mitsamt seinem nassen Hofstaat das Schiff. Fast 40 Täuflinge bedeuteten einen ganz schönen Aufwand für Neptuns Schergen, aber am Abend waren alle getauft, geduscht und genossen den Grillabend mit Sonnenuntergang und einer letzten Aussicht auf die Küste, von der wir nun endgültig Abschied nehmen.
Fotos von der Nord-Ost-Grönland Expedition aus dem Vorjahr sehen Sie hier.