Polarstern Fahrt PS100 (2016)
18. Juli - 6. September 2016, Tromsø - Tromsø
Die Polarstern-Fahrt PS 100 startet am 18. Juli 2016 in Tromsø. Mit an Bord werden zwei Dresdner Geodäten sein. Ziel ist der Nordosten Grönlands. Dort sollen im eisfreien Gebiet an der Küste mehrere Punkte mittels GPS vermessen werden. Diese Punkte wurden bereits während früherer Fahrten in die Region angelegt und präzise vermessen. Die erneute Bestimmung dieser Punkte ermöglicht es nun, sehr genaue Änderungen der Position festzustellen. Insbesondere die Änderung der Punkthöhe ist interessant. Diese enthält Informationen über die Änderung der auf der Erdkruste aufliegenden Eismassen. Denn sowohl das Schrumpfen des Eisschildes nach dem letzten glazialen Maximum vor ca. 20.000 Jahren als auch heutige Eismassenänderungen bewirken Hebungen oder Senkungen der Erdkruste.
Am 6. September soll die Polarstern wieder in Tromsø einlaufen. Bis dahin berichten wir regelmäßig von den Arbeiten unserer Kollegen Benjamin Ebermann und Andrei Kraemer an Bord der Polarstern und an der Küste Nordost-Grönlands.
- Wo ist Polarstern? aktuelle Schiffsposition
- wissenschaftliches Expeditionsprogramm: PS100_Expeditonsprogramm.pdf
- Aktuelle Neuigkeiten von der Polarstern
- Wochenberichte der Polarstern: Wochenberichte
- Polarstern Blog
Wir gingen an Bord der Polarstern, die planmäßig am 18. Juli 2016 den Hafen Tromsø ablegte. Bis wir Grönland erreichen, müssen wir uns jedoch noch ein wenig gedulden. An Bord haben wir zunächst unsere Ausrüstung getestet und vorbereitet, so dass alle Geräte einsatzbereit sind. Eis- und Wetterverhältnisse verlangen eine stete Flexibilität, ein Abschnitt der Fahrt wurde bereits neu geplant. Wenn das Wetter mitspielt, können wir vielleicht unsere ersten Punkte bereits Mitte kommender Woche erreichen.
Unsere Zeit an Bord nutzten wir ebenfalls, um ein kleines Projekt am Rande unserer Expedition vorzubereiten. Die Gletscherzunge des Nioghalvfjerdsbræ (79°Gletscher) ist über 60km lang und 20km breit und schwimmt auf dem Ozean. Damit bewegt sie sich auch im Takt der Ozeangezeiten. In den arktischen Ozeanen gibt es nur wenige Messungen der Meeresspiegelvariationen aufgrund der Gezeitenwirkung. Wir möchten daher eine Messstation auf der Zunge des Gletschers ausbringen und erhoffen uns eine Datenreihe über mehrere Wochen zur Bestimmung der Gezeitendynamik des Gletschereises.
Seit einigen Tagen bewegen wir uns auf dem Greenwich-Meridian in nördlicher Richtung. Heute haben wir mit 81° N den bisher nördlichsten Punkt unserer Expedition erreicht, wo das Meer mit dichtem Packeis bedeckt ist.
Am Mittwoch konnten wir zu unserem ersten Landgang starten.
war es endlich so weit, dass wir zu unserem ersten Landgang starten sollten. Bis Mittag klarte das Wetter auf und der uns umgebende Nebel lichtete sich soweit, dass ein Start des Helikopters möglich war. Nach einstündigem Flug erreichten wir die Station auf Holm-Land. Schnell fanden wir den GPS-Punkt, welcher durch unsere Vorgänger bereits angelegt und gut sichtbar mit einem Steinmann markiert war.
Da das Schiff nah genug an der grönländischen Küste operierte, konnte der Helikopter uns am gleichen Tag nochmals an Land bringen, und wir richteten eine weitere Station ein. In den folgenden zwei Tagen erreichten wir zwei weitere Stationen an der Küste. Schließlich konnten wir auch noch die Messausrüstung auf dem Nioghalvfjerdsbræ (79°Gletscher) erfolgreich ausbringen und einrichten.
Ab Samstag bewegten wir uns wieder entlang des 79. Breitengrades in östliche Richtung und entfernten uns vorerst wieder von der grönländischen Küste. Anfang der Woche nahm Polarstern jedoch einen erneuten Kurswechsel vor und steuerte wieder westwärts Grönland entgegen. Am Sonntag schließlich erreichten wir Flugdistanz zur Küste. Dort wurden wir zunächst von Nebel und einer Wolkenfront über dem Festland begrüßt. Am Nachmittag jedoch verschwand beides soweit, dass wir bereits den ersten Punkt wieder anfliegen und die Messausrüstung abbauen konnten. Die spätere Sichtung der Daten bestätigte, dass wir diese Station erfolgreich beobachten konnten.
Am heutigen Montag begrüßte uns bereits am Morgen die Sonne. Per Helikopter erreichten wir unseren südlichsten Messpunkt. Nach etwas mehr als einer Stunde, bei kräftigem Wind und frostigen Temperaturen war auch dort unsere Messstation aufgebaut und zum Einsatz bereit. Neugierig beobachtet wurden wir dabei von einem Hermelin, der in den nächsten Tagen wohl noch öfter einen Blick auf GNSS-Antenne, Solarpanel und silberne Ausrüstungskiste werfen wird.
Am Wochenanfang erlaubte das Wetter zunächst keine Flüge. Somit beschäftigten wir uns an Bord mit der Vorbereitung der glaziologischen Messungen auf dem Nioghalvfjersbrae. Am Donnerstag war für uns gemeinsam mit der seismologischen Gruppe ein erneuter Landgang möglich. Während wir unsere GNSS-Station einrichteten, installierten die Kollegen drei Seismometer in der Umgebung des Punktes.
Schon am nächsten Tag ermöglichte gutes Flugwetter weitere Arbeiten an der Küste. Zunächst holten wir die Messausrüstung inklusive der gewonnenen Daten vom Anfang der Woche aufgebauten Punkt ein. Unser kleiner Freund, der Hermelin, welcher uns noch am Montag beim Aufbau der Station beobachtete, ließ sich diesmal nicht blicken. Vielleicht waren ihm der raue Wind und die frostigen Temperaturen doch zu unangenehm. Am Freitag Nachmittag konnten wir noch einen weiteren Punkt ausbringen. Der Pilot brachte uns sicher auf dem Felsplateau zur Landung. Der Punkt selbst liegt auf einem ca. 500m hohen Berg, den wir zunächst mitsamt unserer Ausrüstung erklommen. Oben angekommen wurden wir mit einer wunderbaren Aussicht über den Gletscher und auf das entfernte Inlandseis belohnt.
Unsere Arbeiten gingen gleich am Samstag vormittag weiter. Im Laufe des Tages konnen wir drei Punkte einholen und einen weiteren Punkt neu aufbauen. Beim Sichten der gewonnenen Beobachtungsdaten wurden wir jedoch etwas enttäuscht. Auf einem der drei Punkte hatte ein technischer Defekt dazu geführt, dass nur sehr wenige Daten aufgezeichnet wurden - zu wenig für eine erfolgreiche Auswertung zu Hause. Leider können solche technischen Fehler trotz sorgfältiger Vorbereitung, Prüfung der Geräte und sorgfältigem Aufbau nie ganz ausgeschlossen werden. So kommen wir immer mit großer Spannung zu einem Messpunkt zurück, um zu sehen, wie nach Tagen oder sogar Wochen autonomen Betriebs die Geräte vorzufinden sind und welche Daten man wirklich gewinnen konnte.
Bei den beiden anderen Stationen hatten die Empfänger jedoch zuverlässig Daten aufgezeichnet. Für die dritte Station bekamen wir am Sonntag die Chance auf einen
zweiten Versuch und konnten sie mit bereits eingesetzter und also getesteter
Ausrüstung erneut besetzen. Damit sind nun noch insgesamt sechs GNSS-Stationen an der grönländischen Küste in Betrieb.
Am Mittwoch schließlich begannen wir, unsere noch im Feld befindlichen Stationen wieder zu bergen. Insgesamt konnten wir acht Stationen erfolgreich besetzen und beobachten, was ein sehr guter Erfolg unserer Reise ist. Auch die bereits zum zweiten Mal ausgebrachte Station hatte nun mit neuer Technik erfolgreich die notwendige Beobachtungsdauer
erreicht.
Wir haben das arktische Eis verlassen, die See um uns herum ist tiefblau, unsere Reise geht stetig nach Süden und nun auch zu Ende. Die letzten Fahrtkilometer im Norden waren noch einmal gefüllt mit seismologischen Experimenten, nunmehr sind alle wissenschaftlichen Arbeiten an Bord abgeschlossen. Wir verbrachten die letzten Tage damit, unsere Ausrüstung für die Rückfracht zu verstauen, Expeditionsberichte zu schreiben, langsam Abschied von Kollegen und Freunden zu nehmen - und die Koffer zu packen.
Mit im Gepäck werden wir mehrere Gigabyte erfolgreich gesammelter Daten und unvergessliche Eindrücke von Grönland haben. Aber wir freuen uns nun auch darauf, nach sieben Wochen auf See bald wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren und zu unseren Familien, Freunden und Kollgen zurück zu kehren.
Zum letzten Mal senden wir viele Grüße von der Polarstern,
Andrei und Benjamin
GNSS Station am Nioghalvfjerdsbrae (79-Grad-Gletscher), der im Hintergrund zu sehen ist. Zur Versorgung der Messtechnik mit Strom dient das Solarpanel im Vordergrund. Auf den Felsen im Zentrum des Bildes ist die GNSS-Antenne erkennbar.
Die im Bildzentrum erkennbare GNSS-Antenne wurde auf der schwimmenden Gletscherzunge des Nioghalvfjerdsbrae (79-Grad-Gletscher) installiert. Darunter befindet sich die silberne Kiste mit dem GNSS-Empfänger und der Stromversorgung.