Polarstern PS141 EASI-3
Die Expedition PS141 EASI-3 ist seit 2022 die dritte Forschungsfahrt des Konsortiums mit der „Polarstern“. Die Forschungsgruppe der TU Dresden um Dr. Mirko Scheinert bekommt aktuell Verstärkung von zwei australischen Wissenschaftler:innen und wird sich vor allem auf geodätisch-geophysikalische Messungen im Randbereich Ostantarktikas konzentrieren. Mit Messungen zu globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) will das Team hochpräzise die Bewegung der Erdkruste erfassen, die sich als Reaktion auf vergangene und heutige Eismassenänderungen zeigt. Zusammen mit geophysikalischen Messungen sollen die Daten dazu beitragen, die Deformation und den inneren Aufbau der Erde im Bereich Ostantarktikas besser zu verstehen.
Eine besondere Herausforderung erwartet die Forschenden am Gaußberg, wo ein mehrwöchiges Feldlager an Land geplant ist. Der Gaußberg ist ein erloschener Vulkan, der vor ca. 56.000 Jahren unter dem antarktischen Eis ausgebrochen ist. Er wurde im März 1902 von der ersten deutschen Südpolarexpedition unter der Leitung von Erich von Drygalski entdeckt. Auf ihren Spuren wollen die Wissenschaftler:innen heute eine erneute Vermessung realisieren. Neben modernen geodätischen Verfahren und Photogrammetrie mit Hilfe von Drohnen kommen dann auch geophysikalische Messungen und eine detaillierte geologische Beprobung zum Einsatz.
Nun sind wir (Lutz Eberlein, Marie Weber, Mirko Scheinert, Xabier Blanch Gorriz und Erik Loebel) endlich auf großer Fahrt! Angesichts des langen zeitlichen Vorlaufs – erste Ideen und Anträge für ein Polarstern-Projekt in der Ostantarktis mit erheblichem Anteil an Landarbeiten gehen mehr als zehn Jahre zurück, die konkrete Vorbereitung begann vor ungefähr einem Jahr – ist der Beginn der Fahrt ein mit Spannung erwartetes, freudiges Ereignis.
Da Polarstern das erste Mal überhaupt einen Hafen in Australien anlief, hatte das AWI zusammen mit der Deutschen Botschaft und australischen Partnern ein Programm organisiert, was sich ausdrücklich auch an die Öffentlichkeit richtete. Näheres kann beim AWI nachgelesen werden:
Die Polarstern-Fahrt PS141 ist die dritte Fahrt im Rahmen des multidisziplinären EASI-Projekts. EASI steht für „East Antarctic Ice Sheet Instabilities“. Mit diesem Projekt, bei dem Mirko Mitantragsteller ist, soll die Entwicklung des Klimas und des Eisschilds in der Ostantarktis rekonstruiert werden. Damit sollen die Mechanismen besser verstanden werden, die den aktuellen Zustand und die weitere Genese des Eisschilds beeinflussen und zu möglichen Instabilitäten führen können. Hier sind vor allem die Wechselwirkungen von Eisschild mit dem südlichen Ozean, der festen Erde und der Atmosphäre entscheidend. Das EASI-Konsortium hat dafür drei Projekte für die Nutzung der Forschungsplattform „Polarstern“ eingeworben. Die erste Fahrt PS128 (EASI-1) fand bereits Anfang 2022 statt. Die Forschungsfahrt PS140 (EASI-2) startete am 25. November 2023 in Kapstadt (Südafrika) und endete am 01. Februar 2024 in Hobart (Tasmanien, Australien).
Zur dritten Fahrt PS141 (EASI-3) gingen wir am 5. bzw. am 6. Februar an Bord. Wir – das sind Lutz, Erik und Mirko von der Professur für Geodätische Erdsystemforschung, Xabier von der Professur für Geosensorsysteme und Marie als Bachelor-Studentin der Geodäsie und Geoinformation. Von unserem australischen Kooperationspartner University of Tasmania (UTAS) komplettieren Jodi und Jack unser Team.
Wir werden uns auf geodätisch-geophysikalische Messungen im Randbereich Ostantarktikas konzentrieren. Dazu sollen geodätische GNSS (Global Navigation Satellite Systems)-Messungen, die bereits von der UTAS initiiert wurden, fortgesetzt sowie neue permanente GNSS-Stationen auf Fels aufgebaut werden. Mittels GNSS werden wir hochpräzise die Bewegung der Erdkruste vermessen, die sich als Reaktion auf vergangene und heutige Eismassenänderungen manifestiert. Geophysikalische Messungen in Ko-Lokation mit GNSS (v.a. Magnetotellurik) sollen wertvolle Daten liefern, um den inneren Aufbau der Erde im Bereich Ostantarktikas zu quantifizieren. Eine besondere Herausforderung erwartet uns am Gaussberg, wo ein mehrwöchiges Feldlager an Land geplant ist. Der Gaussberg, ein vor ca. 56.000 Jahren subglazial eruptierter Vulkan, wurde im März 1902 – also vor ziemlich genau 122 Jahren – von der 1. Deutschen Südpolarexpedition unter der Leitung von Erich von Drygalski entdeckt. Auf den Spuren der Drygalski-Expedition soll eine erneute Vermessung realisiert werden, wozu moderne geodätische und UAV-gestützte photogrammetrische Verfahren zum Einsatz kommen. Ergänzt wird das Gaussberg-Programm durch geophysikalische Messungen und eine detaillierte geologische Beprobung.
Polarstern legte am 6. Februar 2024 von der stadtnahen Pier in Hobart ab. Über den Derwent River und vorbei an Bruny Island ging es nach Süden in den offenen Ozean. Wer die Schiffsroute auf https://follow-polarstern.awi.de verfolgt, wird schon gesehen haben, dass wir uns nach zunächst westlichem Kurs seit Donnerstag auf südwestlichem Kurs Richtung Antarktis befinden. Der genaue Kurs richtet sich nach dem geplanten Programm – schließlich bilden marin-geologische und ozeanographische Untersuchungen einen wesentlichen Anteil – und natürlich nach dem aktuellen Wetter.
Da wir umfangreiche Arbeiten an Land vorhaben – Jodi, Lutz, Xabier, Erik und Mirko im Feldlager am Gaussberg, Marie wird die Gruppe der Universität Köln bei Feldarbeiten in der Bunger-Oase begleiten, und Jack wird, vom Schiff aus, weitere Messstationen an Land aufsuchen – waren die Tage seit Auslaufen von Hobart angefüllt mit Arbeiten zum Sortieren, Prüfen und Vorbereiten der wissenschaftlichen Geräte und technischen Ausrüstung sowie der Ausrüstung für das geplante Feldlager. Dazu gehören u.a. GNSS-Empfänger, Kameras, jede Menge Batterien, Satellitentelefone, Polarkleidung, Zelte, Kisten mit Küchenausrüstung (sog. Field Party), Generatoren, und vieles mehr…
Mittlerweile haben wir uns alle mit dem Leben an Bord vertraut gemacht, verlaufen uns nur noch selten und haben auch nur noch vereinzelt mit Symptomen der Seekrankheit zu kämpfen, die am Schnittpunkt von den „roaring forties“ und „furious fifties“ natürlich noch nicht ganz verschwunden sind…
Somit sind wir alle wohlauf und erwarten voller Spannung das Erreichen der Antarktis.
Die just zu Ende gegangene Woche haben wir weiterhin mit Ausrüstung ordnen und vorbereiten verbracht. Dazu gehörte, einen Großteil der einzelnen Packstücke zu wiegen, um für den Helikopter-Transport die Zuladung so zusammenstellen zu können, dass die Gesamtlast nicht überschritten wird. Gewogen wird auch – normalerweise immer sonntags – wer will beim „Wiegeklub“, worauf man vorhersagen soll, wie die eigene Gewichtsentwicklung im Laufe der nächsten Woche aussehen wird. Bei der sehr guten Verpflegung an Bord ist es durchaus eine Herausforderung, das Gewicht zu halten. Verpflegung ist ein nächstes Stichwort, da wir ebenfalls die von uns bestellte und bereits in Bremerhaven an Bord verbrachte Verpflegung in kleinere Packstücke sortieren mussten. Wiener Würstchen, ursprünglich im Glas geliefert und in dieser Weise für den Feldeinsatz nicht geeignet, fanden den Weg in eine neue, platzsparende, vakuumierte Verpackung, dank großer Hilfe durch die Küche. Tomaten gehören normalerweise auch zum Essen – allerdings nicht für unser geplantes Feldlager. Trotzdem werden wir eine „Tomate“ mithaben – eine transportable, stabile Kabine aus Glasfaser-Verbundstoff, die uns im Feldlager hoffentlich gute Dienste vor allem bei schlechtem Wetter (Schutz vor starkem Wind und Stürmen) leisten wird. Weiterhin haben wir die Bergausrüstung geprüft und deren Handhabung wiederholt. Ein mehrtägiges Berg-, Gletscher- und Sicherheitstraining war ja Bestandteil unserer Vorbereitungen.
Auf die zum Tag des Auslaufens von Polarstern von Hobart auf der Webseite der TU Dresden geschaltete Pressemitteilung gab es erfreuliche Resonanz. Der Radiosender „MDR Aktuell – das Nachrichtenradio“ führte mit Mirko am 13.02.2024 ein Interview, was in der Vormittagssendung gesendet wurde (9:48 und 11:48). Das Interview lässt sich noch bis einschließlich Montag (19.02.2024) nachhören unter: https://www.mdr.de/mdr-aktuell-nachrichtenradio/audio/index.html#20240213_9-12. Wer möchte, kann die zwei Fehler im Titel des Beitrags herausfinden… In den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ ist am 17.02.2024 ein Beitrag erschienen, der auf den Informationen der Pressemitteilung und einer Email-Kommunikation mit Mirko basiert.
Eine gute Tradition ist es, dass das wissenschaftliche Programm der einzelnen Gruppen auf kurzen Vorträgen vorgestellt wird. Mirko konnte dies am Mittwoch für unsere Gruppe tun, außerdem mit einer weiteren Präsentation den historischen Hintergrund erläutern, mit der 1. Deutschen Südpolarexpedition unter der Leitung von Erich von Drygalski.
Am Freitag früh wurden schließlich bei ca. 59°40‘ die ersten Eisberge gesichtet, und am Sonnabend in der Nacht (ca. 2 Uhr Schiffszeit) wurde der 60. Breitengrad Süd überschritten. Seitdem befinden wir uns also im Gebiet des Antarktisvertrags, und sind jetzt auf Kurs zum antarktischen Kontinentalrand bei ca. 65°50‘ Süd und 100° Ost.
Alle sind wohlauf und grüßen herzlich von Bord Polarstern!
Diesmal wird es nur ein kurzer Bericht.
Am Montag wurde die erste Feldarbeitsgruppe im Gebiet der Bunger Oase ausgebracht. Dort wird die Gruppe der Universität Köln, bei der auch ein australischer Kollege sowie unsere Studentin aus Dresden, Marie Weber, dabei sind, geologische Proben nehmen und Untersuchungen durchführen. Danach nahm Polarstern einen nordwestlichen und westlichen Kurs, bei dem v.a. seismische Messungen durchgeführt wurde, und schließlich in Richtung Gaussberg. Am frühen Sonnabend (24.02.2024) Abend langten wir an der Meereiskante nördlich des Gaussbergs an, in einer Entfernung von ca. 30 Seemeilen (= ca. 55 km). Wir hatten bereits unsere Fracht sortiert und für die einzelnen Flüge auf dem Arbeitsdeck bereitgestellt. Nach einem kurzen Erkundungsflug konnten dann noch zwei Flüge zum Gaussberg realisiert werden, um Fracht dorthin zu transportieren. Daran nahmen Erik und Mirko teil, kehrten dann aber mit dem zweiten Flug erst nochmal zum Schiff zurück. Am morgigen Sonntag ist geplant, die restliche Fracht sowie uns alle fünf (Jodi, Xabier, Erik, Lutz und Mirko) zum Gaussberg zu fliegen, so dass wir also ab morgen unser Feldlager beginnen. Ich rechne damit, dass unser Aufenthalt mindestens drei Wochen dauern wird. Kurze Nachrichten werden wir in der Zeit nur sporadisch schicken können.
Wir sehen der Feldkampagne am Gaussberg mit Spannung entgegen, und grüßen ein letztes Mal für die nächsten Wochen herzlich von Bord Polarstern!
Am Sonntag (25. Feb.) klingelte 4:00 Uhr der Wecker, 4:30 Uhr war ich beim kurzen Treffen für die aktuelle Wettervorhersage, und kurz nach 5:00 Uhr startete der Helikopter zu seinem ersten von sieben weiteren Frachtflügen zum Gaussberg, mit Erik und Mirko an Bord. Zusammen mit einem Helitechniker blieben wir dann vor Ort, um die weitere Fracht entgegenzunehmen. Insgesamt umfasste unsere Fracht 4,2 Tonnen, uns fünf mitgerechnet. Dazu gehörte neben der wissenschaftlichen Ausrüstung natürlich auch umfangreiche Ausrüstung für das Feldlager wie die schon mehrmals erwähnte Tomate sowie zwei Schneemobile (vom Typ Lynx). Gegen 13:30 Uhr verließ uns der Heli nach dem letzten Frachtflug Richtung Schiff – wir fünf waren am Gaussberg angekommen.
Die zweite Tageshälfte dieses Sonntags widmeten wir dem Aufbau des Feldlagers, mit zwei Scottzelten (kegelförmige Steilwandzelte mit vier sehr stabilen Zeltstangen, in denen man, zumal bei entferntem Innenzelt, bequem stehen kann), fünf Schlafzelten geodätischer Konstruktion und natürlich der Tomate. Gegen 21:30 Uhr verschwinden wir geschafft und müde in den Zelten…
Am Montag (26. Feb.) hatten wir weiter mit der Organisation des Feldlagers zu tun, um alles an einem geeigneten Platz innerhalb oder außerhalb der Zelte zu verstauen. Ein erster Rundgang führte uns am Nachmittag über das Plateau, auf dem auch unser Feldlager eingerichtet ist, auf der Nordwest-Seite des Gaussbergs. Am westlichsten Punkt dieses Plateaus, in etwa 40 Meter geringerer Höhe, erreicht man Kap Lewald, und dort einen der von der Drygalski-Expedition eingerichteten Bergpunkte (nämlich Punkt A), dessen Lokation anhand der noch vorhandenen Anhäufung von erratischen Steinen (die erst durch das Eis hierher transportiert wurden) eindeutig identifizierbar ist.
Am Dienstag (27. Feb.) früh war mit -14°C die bisher niedrigste Temperatur zu verzeichnen. Nach dem Abflauen des Windes konnten wir mit dem Aufbau der ersten Geräte beginnen. Ungefähr 150 m vom Feldlager entfernt bauten wir vier Stative auf, mit westlicher Blickrichtung auf den Gletscher. Dort montierte Xabier am Mittwoch (28. Feb.) Kameras, mit deren Hilfe die Bewegung des Gletschers erfasst werden soll. Jodi erkundete das Terrain aus geologischer Sicht und sammelte erste Proben vulkanischen Gesteins. Lutz, Erik und Mirko suchten am Nachmittag die beiden Schneemobile auf, die etwa 600 m südlich des Lagers auf dem Eis am Rande des Gaussbergs abgestellt waren. Diese sprangen glücklicherweise gleich an und sind also einsatzbereit. Auf dem Weg zu den Schneemobilen konnten wir noch die Lokation eines weiteren Bergpunktes (Punkt B) aufsuchen, auf einer kleineren eisfreien Fläche etwa 400 m südlich des Feldlagers. Hier war die Identifizierung des „richtigen“ Steinhaufens schwieriger, aufgrund der weitaus weniger vorhandenen erratischen Steine. Aber Indizien wie die relevanten Sichten zum Punkt A und in Richtung Eisoberfläche lassen nur einen Schluss zu.
Schließlich haben wir noch zwei Geräte mit Blick auf die Meeresbucht am nördlichen Rand des Gaussbergs aufgebaut, eine GNSS-Station und eine weitere Kamera. Mit beiden wollen wir ein weiteres Experiment zur Bestimmung der Änderung der (eisbedeckten) Meeresoberfläche realisieren.
An den folgenden Tagen (Mittwoch bis Freitag) erlaubt uns das Wetter nur stundenweises Arbeiten. Xabier kontrolliert die Kameras, unterstützt von Erik; Jodi nimmt weitere geologische Proben. Lutz und ich kontrollieren die GNSS-Kampagnenstation, die unsere Kollege Benjamin während PS140 am Gaussberg aufgebaut hatte. Aufgrund eines technischen Problems mussten wir den Empfänger wechseln. Etwa 100 m vom Feldager entfernt, begannen wir zudem, den Antennenpfeiler für die GNSS-Permanentstation zu montieren. Weiterhin gelingen Xabier und Lutz erste Testflüge mit den Kamera-Drohnen, die allerdings aufgrund der variablen Windverhältnisse von kurzer Dauer sind.
Sonnabend (2. März) – ein besonders denkwürdiger Geburtstag für Mirko, auf den wir gutgelaunt anstießen – verschlechtert sich das Wetter weiter, Schneefall ist dazu gekommen, so dass an weitere Arbeiten nicht zu denken ist. Lediglich ein weiterer Kontrollgang zu den Kameras ist möglich.
Am Sonntag (3. März) geriet der Gaussberg und damit unser Feldlager vollends in den Einfluss des Tiefdruckgebiets. Als Vorsichtsmaßnahme haben wir alle Schlafzelte flachgelegt, ebenso das eine der beiden Scottzelte. Das zweite Scottzelt ist gesichert, ebenfalls die Tomate, die uns seitdem sichere Unterkunft bietet. Hier harren wir seitdem aus, bis das Sturmtief vorbeigezogen sein wird.
Erst in der Nacht zum Donnerstag (7. März), schwächte sich der Einfluss des Tiefs soweit ab, dass wieder an Arbeiten zu denken war. Nachdem es auch noch geschneit hatte, wobei der Sturm viel Schnee wieder verweht hat, wird es ein richtig schöner Tag – nahezu windstill und mit Temperaturen bis nahe Null.
Dieser Donnerstag war der erste schöne Tag seit den zwei, drei guten Tagen zu Beginn unseres Feldlagers am Gaussberg. Wir können die Ausrüstung und aufgebauten Geräte prüfen, weitere UAV-Flüge realisieren, geologische Proben nehmen und unser Feldlager auf Vordermann bringen: Erik und Xabier können drei der fünf Schlafzelte erneut aufbauen. Erik, Xabier und Lutz schlafen seitdem wieder in den Zelten, Jodi und ich weiterhin in der „Tomate“.
Die nächsten Tage sind dadurch gekennzeichnet, dass wir früh bzw. vormittags abwarten müssen, bis sich der Wind soweit gelegt hat, dass die Windgeschwindigkeit deutlich unter 10 m/s bleibt. Ansonsten ist aufgrund des Windchill-Effekts dem Arbeiten im Freien keine lange Dauer beschieden: bei -15°C und einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s beträgt die spürbare Temperatur -27°C. Die fast durchgehend vorhandene Wolkenbedeckung sorgt zudem für eher graue Tage; auf dem Eis sind kaum Strukturen zu erkennen.
Somit sind die Arbeiten auf einzelne bzw. wenige Stunden beschränkt. Am Freitag (8. März) können wir die GNSS-Kampagnenstation mit einem Radiomodem erweitern, damit sie als Referenzstation Korrektionsdaten versenden kann. Diese Korrektionsdaten werden von der mobilen GNSS-Ausrüstung (dem sog. „Rover“) empfangen; auf diese Weise erreicht innerhalb weniger Minuten die Koordinatengenauigkeit des zu bestimmenden Punktes wenige Zentimeter (das Verfahren wird als „Real Time Kinematic“ (RTK) bezeichnet). Mittels RTK messen wir die Positionen der vier auf den Gletscher gerichteten Kameras ein sowie den Punkt A der Drygalski-Expedition, der sich am westlichen Ende des Plateaus am Kap Lewald befindet.
In den folgenden Tagen bestand eine weitere Hauptaufgabe darin, die neue GNSS-Permanentstation aufzubauen. Die erfolgreiche Realisierung dieser Arbeit ist vor allem Lutz zu verdanken. Allerdings haben wir uns – mit den Erfahrungen des erlebten Sturms – für eine geänderte, den Gegebenheiten besser angepasste Konstruktion entschieden: Die sechs Solarpanel sind bodennah montiert (und nicht in vertikaler Montage ausgeführt), in unmittelbarer Nähe befinden sich die beiden Zargeskisten, in denen zweimal drei 100Ah-Akkus sowie Empfänger, Modem für die Satellitenkommunikation (Iridium) und weitere Elektronik untergebracht sind. Diese beiden Zargeskisten sind ebenfalls direkt auf dem Untergrund montiert und werden durch eine Stahlrohrkonstruktion stabilisiert. Die Konstruktion nimmt auch die Iridium-Antenne auf. In ca. 30m Entfernung befindet sich der Pfeiler mit der GNSS-Antenne.
Erst am Sonntag (10. März) konnten wir wieder einen sonnigen Tag genießen, allerdings ging der Wind bis Mittag immer noch auf 10 m/s hoch. Weitere ‚Bergtouren‘ führten uns zu einem kleineren Plateau südlich unseres Lagers, wo mittels RTK der Drygalski-Punkt B eingemessen wurde. Nachdem Jodi, Xabier und Erik von dieser kurzen Tour zurück waren und wir eine Mittagspause eingelegt hatten, gesellte sich Mirko dazu, um zu viert zuerst abzusteigen. Auf der Nordseite des Plateaus mit unserem Feldlager befindet sich die Bucht, an der die Drygalski-Expedition ihre beiden Lager im April/Mai bzw. September/Oktober 1902 aufgeschlagen hatten. Ein Stück weiter kletterten wir wieder bergan, um das Nordkap zu erreichen und dort den Drygalski-Punkt N1. Beide Lokationen (B und Nordkap) wurden von Jodi geologisch beprobt, wobei sie die Probennahmen am darauffolgenden Montag (11. März) auf das Gebiet der genannten Bucht und der unterhalb von Kap Lewald liegenden Areale ausdehnen kann. Am Nachmittag bauen wir die GNSS-Station unmittelbar oberhalb der Bucht erneut auf, die somit im Verfahren der GNSS-Reflektometrie die Veränderung des Meeresspiegels bestimmen soll. Diese Station war durch den Sturm am 3. März in Mitleidenschaft gezogen und hatte seitdem keine Daten aufgezeichnet. Nach Arbeiten im Gebiet des Feldlagers (GNSS-Permanentstation, Kameras) hält uns für den halben Dienstag (12. März) (ab Mittag) und den ganzen Mittwoch (13. März) das windige bis stürmische Wetter von weiteren Arbeiten ab. Wieder heißt es, sich in Geduld zu üben… Immerhin kann ich am Laptop mit den drei mittels RTK bestimmten Drygalski-Punkten (A, B und N1) eine erste Helmerttransformation rechnen, um alle der durch Drygalski am Gaussberg und auf dem Gletscher bestimmten Punkte vom lokalen in ein georeferenziertes System zu überführen. Erst im Verlauf des Donnerstags (14. März) wird das Wetter besser, bis am Nachmittag sogar nahezu Windstille einsetzt – eine überaus seltene Situation am Gaussberg. So kann Xabier weitere UAV-Flüge über dem westlich anschließenden Gletscher und der nördlichen Bucht realisieren.
Mittlerweile hatte sich die Polarstern-Planung soweit konkretisiert, dass unsere Abholung vom Gaussberg am Wochenende (16./17. März) geplant wurde, unter Abwägung der mittelfristigen Wettervorhersage und der Meereisbedingungen. Somit war Freitag (15. März) unser letzter Feldarbeitstag. Diesmal war uns das Wetterglück hold: nach frühmorgendlichen -10°C kam die Sonne um den Berg und sorgte für gute Bedingungen. Angesichts der aufgrund der baldigen Abholung notwendigen „Aufräumarbeiten“ entschied ich mich, den Tag in zwei Gruppen zu gestalten: Jodi, Erik und Xabier begaben sich kurz nach 11 Uhr zum Aufstieg auf den Gipfel des Gaussbergs, während Lutz und ich die GNSS-Station für die Meeresbeobachtung abbauten und begannen, die Ausrüstung für den Transport zu sortieren. Die drei „Gipfelstürmer“ waren sehr erfolgreich: Neben weiteren fünf mittels RTK gemessenen Drygalski-Punkten erweiterte Jodi die geologischen Probennahmen vulkanischen sowie erratischen Gesteins auf des Gipfelgebiet. Xabier konnte zudem vom Gipfel aus einen weiteren UAV-Flug realisieren, aufgrund der Windbedingungen für knapp 20 Minuten. Nach ungefähr 4,5 Stunden kehrten die drei zurück. Am Abend bauten wir die GNSS-Kampagnenstation mit dem Radiomodem ab, da die RTK-Messungen beendet waren.
Bei herrlichem Wetter konnten wir an der Bucht beobachten, wie die Flut für die Herausbildung von Gezeitenspalten im Meereis sorgte. Teilweise aufgelaufenes Meerwasser bildete kleinere Seen im unmittelbaren Uferbereich. Und plötzlich waren auch drei Adelie-Pinguine am Strand zu sehen, neben den fortwährend anwesenden Skuas (Raubmöwen) und in der Ferne auszumachenden Robben die einzigen für uns sichtbaren Lebewesen.
Am Sonnabend (16. März) hieß es, Abschied vom Gaussberg zu nehmen. Am Vormittag finalisierten wir die Aufräumarbeiten, die Zelte wurden abgebaut und eingepackt, und alles für den Transport vorbereitet. Gegen 12 Uhr landete der Heli das erste Mal, um voll beladen den Rückweg zu Polarstern zu nehmen. Ungefähr 19:15 Uhr landeten wir nach dem letzten Flug an diesem Sonnabend auf dem Heli-Deck von Polarstern – alle Ausrüstung (bis auf die beiden Schneemobile) und wir fünf waren zurück auf dem Schiff. Die beiden Schneemobile wurden am heutigen Sonntag (17. März) reingeholt, wodurch sich für Xabier die Gelegenheit ergab, vom Heli aus weitere fotografische Aufnahmen zu realisieren, die in Verknüpfung mit den UAV-Aufnahmen für die Ableitung eines 3D-Geländemodells genutzt werden sollen.
Nach diesen drei überaus spannenden aber auch anstrengenden Wochen am Gaussberg waren wir natürlich froh, eine warme Dusche genießen und in einem gemütlichen Bett schlafen zu können… Für ein endgültiges Fazit ist es noch zu früh – aber das Wichtigste ist, dass wir alle fünf – Jodi, Erik, Xabier, Lutz und Mirko – nach dieser Zeit gesundheitlich unversehrt wieder auf’s Schiff zurückkehren konnten.
Der Gaussberg steckte uns ganz schön in den Knochen, besser gesagt, die drei Wochen Feldlager. Es dauerte doch einige Zeit, sich wieder richtig zu erholen. Aber trotzdem lagen ja einige Arbeiten an, vor allem die Ausrüstung sortieren und alles an den richtigen Platz bringen. Die Zelte und Schlafsäcke mussten ausgebreitet werden, um zu lüften und zu trocknen. Die großen Kisten mit den Küchensachen (‚Field Party‘) und die Notfallkisten (‚Survival Bag‘) mussten wieder entsprechend der Packlisten gepackt werden, wie auch die Bergausrüstung. Alle Kisten müssen für den Rücktransport beschriftet werden, damit nach Ankunft von Polarstern in Bremerhaven die Fracht den entsprechenden Gruppen zugeordnet werden kann. Schließlich ist unsere eigene wissenschaftliche Ausrüstung zu verstauen. Diese Arbeiten werden uns auch noch einen Teil der kommenden Woche beschäftigen.
Nichtsdestotrotz kann aus geodätischer Sicht über weitere erfolgreiche Feldarbeiten berichtet werden. Jack Beardsley, unser Kollege von der University of Tasmania (UTAS), war ja nicht mit am Gaussberg, sondern die gesamte Zeit an Bord geblieben. Sein Programm sah vor, soweit wie möglich weitere Lokationen an Land zu besuchen, um bereits bestehende GNSS-Installationen von UTAS zu warten bzw. neue permanente GNSS-Stationen aufzubauen. So konnte er bereits am 5. März 2024 Ivanoff Head besuchen, ca. 90 km südwestlich der australischen Station Casey gelegen. Der heftige Wind erschwerte die Arbeiten, aber es konnte erfolgreich eine neue permanente Station errichtet werden. Am vergangenen Donnerstag (21. März 2024) zeigte sich das Wetter zwar auch nicht von der besten Seite, aber das Schiff war nahe der Bunger-Oase und in Flugentfernung von einer weiteren Lokation, Watson Bluff. Mit Unterstützung von Marie, unserer Studentin aus Dresden, und einer australischen Kollegin konnte Jack eine weitere neue GNSS-Permanentstation aufbauen. Auch hier waren die Bedingungen eher erschwerend, da der starke Wind für einen entsprechenden Windchill-Effekt sorgte. Insgesamt waren die drei ca. 5 ½ Stunden unterwegs, kamen geschafft, aber glücklich über den Erfolg zurück.
Die beigefügte Übersichtskarte zeigt den Abschnitt der Ostantarktis, wo Polarstern unterwegs ist, die bereits zurückgelegte Route ist mit schwarzen Linien bzw. Punkten geplottet. Markiert ist die Position von Polarstern vom heutigen späten Mittag Ortszeit. Die insgesamt drei neuen permanenten GNSS-Stationen sind mit roten Dreiecken markiert – Gaussberg (GAUS), Watson Bluff (WABF) und Ivanoff Head (IVAN). Die direkte Entfernung zwischen Gaussberg und Ivanoff Head beträgt ca. 870 km. Bemerkenswert ist, dass diese beiden Stationen die einzigen Messstationen während PS141 sind, die sich südlich des Polarkreises befinden. Außerdem ist die Ausdehnung und Konzentration der Meereisbedeckung vom gestrigen Sonnabend (23.03.2024) dargestellt – wir können bereits eine beträchtliche Neubildung von Meereis beobachten.
Die Wetterbedingungen blieben schwierig. Am Montag (25.03.) befand sich Polarstern nordöstlich der Bunger Hills. Eine marin-geologische Station stand auf dem Programm, die aber aufgrund des Seegangs abgebrochen werden musste. Windgeschwindigkeiten erreichten beständig Werte von 50 bis 60 Knoten. In der Nacht zum Dienstag wurde versucht, den Kurs so günstig zu legen, dass die Auswirkungen des Sturms nicht allzu heftig zu spüren sind. Ab Dienstag früh ging es dann auf westlichen Kurs.
Wir haben unsere restliche Ausrüstung in den Kisten verstaut, und die restlichen Packstücke wurden mit der Empfängeradresse gekennzeichnet. Am Mittwoch (27.03.) wurde unsere Ausrüstung, zusammen mit der Ausrüstung für die Feldlager im Container verstaut. Dafür müssen ebenfalls Listen geführt und in einem zentralen System eingegeben werden, damit wir schließlich unsere Fracht in Bremerhaven abholen können, nachdem Polarstern Mitte Mai 2024 eingetroffen und entladen sein wird.
Am Donnerstag (28.03.) hatten wir den letzten Tag im Eis, der zudem ein sonniger Tag zu werden versprach. Dieser kündigte sich mit einem stimmigen Sonnaufgang an. Zudem gab es noch einmal die Gelegenheit für Jack, mit dem Heli zu einem GNSS-Punkt zu fliegen – dies war tatsächlich der letzte wissenschaftliche Helikopterflug dieser Reise. Diesmal ging es zum Carey Nunatak (Kürzel CAD1 – vgl. Karte vom letzten Wochenbericht), ca. 150 km westlich vom Gaussberg an der Küste Antarktikas gelegen. Dort konnte Jack eine Wartung der dortigen GNSS-Station vornehmen, teilweise wurden Geräte wie z.B. der Empfänger ausgetauscht. Dieser Besuch war auch deshalb sehr erfolgreich, da seit der Saison 2016/2017 der Messpunkt nicht erreicht werden konnte. Zurück auf dem Schiff ergab eine erste Sicht, dass die Station fast durchweg Daten aufgezeichnet hatte, also für einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren.
Seit Donnerstag Nachmittag ist Polarstern nun auf dem langen Transit Richtung Walvis Bay. Anfänglich auf westlichem Kurs, geht es seit Sonntag (31.03.) Abend in nordwestlicher Richtung. Stürmischer Wind und entsprechender Wellengang werden vorerst unsere Begleiter sein.
Die Polarstern-Expedition nähert sich langsam, aber unaufhaltsam ihrem Ende. Wir haben bereits ein beträchtliches Stück der Rückfahrt geschafft, haben aber immer noch (am heutigen Sonntagabend) ungefähr 1.300 Seemeilen (= 2.400 km) vor uns.
Einen Großteil der vergangenen Woche nahmen die Arbeiten an den Berichten ein. Hier ist vor allem der Fahrtbericht zu nennen, in dem im Detail die Messungen und Probennahmen zu dokumentieren sind.
Wurden während des Aufenthalts in der Antarktis täglich 19:30 Uhr kurze Treffen durchgeführt, um über den aktuellen Tag und die Planungen zu berichten, wobei auch die Wettervorhersage einbezogen war, finden diese Treffen jetzt ungefähr alle zwei Tage statt. Oftmals wurde im Anschluss an die aktuellen Informationen über wissenschaftliche Themen vorgetragen. So hat Jodi am Montag (1. April) über die geologisch-vulkanologische Erkundung und Probennahme am Gaussberg berichtet. Es gibt eine Reihe an offenen Fragen in Bezug auf den Gaussberg – vielleicht ist das aber nicht verwunderlich angesichts der abgeschiedenen Lage und schwierigen Erreichbarkeit. So ist nach wie vor relativ wenig über den Vulkanismus in Ostantarktika bekannt, diesbezüglich sind Westantarktika als auch das nördliche Transantarktische Gebirge weitaus besser untersucht (u.a. mit dem knapp 3.800 m hohen Mt. Erebus). Auch das Alter des Gaussbergs ist nicht so gut bestimmt – dass dessen Entstehung vor ungefähr 56.000 Jahren auf ein geologisch junges Alter hinweist, ist klar, aber die Unsicherheit der Altersbestimmung beträgt mindestens 10%. Der Typ des Vulkans und die Zusammensetzung des Vulkangesteins, das einen ungewöhnlich hohen Anteil an gebundenem Kalium aufweist (deswegen der Begriff „ultra-potassisch“), entziehen sich bisher einer zufriedenstellenden Erklärung. Neben vulkanischen Proben sammelte Jodi auch Proben erratischen Gesteins – also Gesteine, die ursprünglich nicht zum Gaussberg gehören, sondern erst durch das Eis dorthin transportiert wurden. Deren Altersbestimmung kann helfen, festzustellen, wie lange eine bestimmte Lokation mindestens schon eisfrei sein muss.
Eine besondere Sicht auf die Dinge ermöglichte eine Führung durch den Maschinenraum von Polarstern. Genau genommen sind das natürlich viele verschiedene Räume, die durch Treppen und Gänge miteinander verbunden sind. Die Hauptmaschine umfasst vier Dieselmotoren mit je acht Zylindern, wobei jeder Zylinder 45 Liter Hubraum aufweist. Jeder Motor kann 3529 kW leisten, so dass die Gesamtleistung sich auf 14.116 kW summiert. Je nach Anforderung und Fahrtgeschwindigkeit laufen zwei, drei oder sogar alle vier Maschinen. Insgesamt ergibt sich für den Laien ein überaus beeindruckendes Bild. Außerdem ist dies auch eine gute Gelegenheit, die Schiffsingenieure und –mechaniker zu erwähnen, die wir selten zu Gesicht bekommen, durch deren unermüdliche Arbeit aber das Schiff überhaupt am Laufen gehalten wird. Vielen herzlichen Dank dafür!
Es gibt auf Polarstern neben der Hauptmaschine natürlich eine große Anzahl Maschinen verschiedenster Art: Hilfsdiesel, Generatoren, Pumpen, Aufzüge,… und auch Waschmaschinen, die der Besatzung und der Wissenschaft gleichermaßen für die Wäsche der persönlichen Sachen zur Verfügung stehen. Für die Dinge des täglichen Lebens ist also bestens gesorgt.
Am Freitag (5. April 2024), in den frühen Morgenstunden, haben wir auf ungefähr 53° südlicher Breite den südwestindischen Rücken überquert, ein mittelozeanischer Rücken, der die Grenze zwischen der Antarktischen und der Afrikanischen Platte darstellt. Somit haben wir erst am Freitag Antarktika endgültig verlassen. Am heutigen Sonntag befindet sich das Schiff bei ungefähr 45°S. Walvis Bay liegt bei knapp 23°S, somit bereits nördlich des Wendekreises des Steinbocks (23,5°S), also der Breite, bei der die Sonne zur Sommersonnenwende auf der Südhalbkugel am Mittag im Zenit steht. Zum Vergleich: In Australien überquert man den Wendekreis des Steinbocks auf dem Stuart Highway etwas 30 km nördlich von Alice Springs.
Und ein weiterer runder Geburtstag wurde gefeiert: Am Sonnabend (6. April) hatte Lutz seinen 50. Nochmals herzlichen Glückwunsch! Wir haben natürlich auf Lutz‘ Wohl angestoßen, beim Abend im „Zillertal“, an dem Lutz und Mirko den Barbetrieb übernahmen.
Die letzte Woche an Bord von Polarstern war natürlich die Zeit der „letzten Male“. Im Rahmen der regelmäßigen abendlichen Treffen – von diesen hatte ich schon berichtet – haben am Montag (8.4.) Erik über APECS Germany berichtet (die deutsche Sektion der Association of Polar Early Career Scientists) und Mirko über die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung (DGP). Wir haben die Hoffnung, dass sich die Begeisterung über die Antarktis und die zurückliegenden intensiven Erlebnisse auch darin niederschlagen möge, die Erfahrungen weiterzugeben und vor allem die junge Generation für die Fragilität unseres ‚Hauses‘ Erde zu sensibilisieren und für die Forschung zu begeistern. Mirko hat außerdem in zwei gut anderthalbstündigen Veranstaltungen eine Einführung in Quantarctica gegeben, einer Kompilation von Antarktis-bezogenen Daten für die Nutzung mit einem geographischen Informationssystem (hier QGIS). Da auch an der TU Dresden die Lehrveranstaltungen des Sommersemesters begonnen haben, waren das quasi extraterritoriale Vorlesungen J.
Am Donnerstag (11.4.) trafen sich die gesamte Wissenschaft und Teile der Besatzung zu einem traditionell am Ende einer jeden Polarstern-Fahrt stattfindenden Empfang im Blauen Salon. Der Kapitän, Thomas Wunderlich, und der wissenschaftliche Fahrtleiter, Sebastian Krastel, ließen dabei die Fahrt Revue passieren, verbunden mit einem großen Dankeschön für die gegenseitige Unterstützung. Diesem Dankeschön können wir uns nur anschließen – ich denke, und da spreche ich sicherlich für unser ganzes Team, dass eine sehr gute, konstruktive und von gegenseitigem Vertrauen gekennzeichnete Atmosphäre während der ganzen Expedition herrschte.
Natürlich wurden auch Zahlen genannt, von denen ich nur einige aufgreifen und versuchen möchte, die Dimensionen einzuordnen. Polarstern wird auf der Fahrt von Hobart bis Walvis Bay eine Gesamtstrecke von ca. 12.300 Seemeilen = 22.780 km zurückgelegt haben – das entspricht etwas mehr als der Hälfte des Erdumfangs am Äquator(!). Das ist ein Wert, der definitiv am oberen Ende der jemals während einer einzelnen Forschungsfahrt erreichten Wegstrecken liegt. Dabei wurden insgesamt 2.500 Tonnen Treibstoff verbraucht, das entspricht ungefähr 3,13 Millionen Liter. Uns wurde aber versichert, dass Polarstern für den Fall der Fälle noch genügend Reserve an Bord hat J. Eine Zahl aus der Verpflegung: Es wurden 7.900 Eier verbraucht. Diese der Länge nach aneinandergelegt, würde die dreifache Länge von Polarstern ergeben.
Am Freitag (12.4.) wurden schließlich die letzten Reinigungsarbeiten der von den diversen Gruppen an Bord genutzten Arbeitsräume durchgeführt, so dass am frühen Nachmittag die Kontrolle und Abnahme erfolgen konnte. Ebenfalls am Freitag gab es das letzte abendliche Treffen, bei dem diesmal eine Zusammenschau aller wissenschaftlichen Ergebnisse erfolgte. Jede Arbeitsgruppe präsentierte auf wenigen Folien ihre wichtigsten Aktivitäten hinsichtlich der während der Fahrt erhobenen Daten und gewonnenen Proben. Dabei reichte das Spektrum von den diversen hydroakustischen Verfahren inklusive der seismischen Messungen über die marin-geologischen und ozeanographischen Probennahmen, die geologischen und geodätischen Arbeiten an Land bis hin zur Arbeit mit Robben, die mit einem kleinen Messgerät inklusive Sender ausgestattet wurden, um entlang ihrer im Ozean zurückgelegten Strecken diverse Parameter zu messen.
Am heutigen Sonnabend (13. April) heißt es nun endgültig aufräumen und einpacken. Lutz und Mirko haben zusammen mit zwei weiteren Mitstreiter:innen die Aufgabe der Grundreinigung der Sauna und des Sportbereichs übernommen. Am frühen Morgen, kurz nach der Frühstückszeit, gelangte Polarstern in die küstennahen Gewässer vor Namibia, die durch den kalten, aus der Antarktis kommenden Benguelastrom geprägt werden. Dichter Nebel und bedeutend kühlere Luft sind dessen Begleiter, auch die Wassertemperatur ist auf 14 bis 15°C gesunken – zuvor hatten wir schon 20°C.
Am morgigen Sonntag (14. April) früh ist das Einlaufen in Walvis Bay geplant. Wir werden dann noch einmal in Namibia (in Swakopmund) übernachten, bevor es Montagmittag auf die Heimreise geht. Unsere Dresdner Gruppe wird über Johannesburg und Frankfurt nach Dresden zurückfliegen, Jodi über Kapstadt und Dubai zurück nach Tokyo (wo sie derzeit arbeitet), und Jack von Kapstadt über Sydney zurück nach Hobart.
Damit möchte ich mich im Namen der gesamten Gruppe – Jodi, Jack, Marie, Xabier, Lutz und Erik – herzlich für das Interesse von Euch allen – den Familien, Freunden und Kolleginnen – bedanken. Die rege Anteilnahme und die persönliche Unterstützung war und ist uns sehr wichtig, und hat uns frohen Herzens in diesen fernen, so faszinierenden Teil der Erde ziehen lassen: Antarktika, der weiße Kontinent mit seiner herben Schönheit, mit der nur bei oberflächlicher Betrachtung erscheinenden Ewigkeit des Eises, der schließlich davon nicht unberührt bleibt, in welcher Art und Weise wir alle unser Leben und Tun gestalten.
Aber jetzt freuen wir uns alle auf ein Wiedersehen zu Hause. Bis bald!