Nachwuchsforschergruppe "Care4Saxony"
Zusammenfassung
Im Zentrum der Nachwuchsforschergruppe (NFG) „Care4Saxony steht die Intensivierung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK) in der sächsischen Versorgungslandschaft. Im Verbund von Forscherinnen und Forschern aus Informatik, Medizin, Technik und Ökonomie wird im Rahmen praxisorientierter Forschung ein Translationskonzept zur Bekämpfung der Auswirkungen des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung erarbeitet. Durch die synergetische Verflechtung der exzellenten Forschungseinrichtungen und deren ForscherInnen werden in der NFG Persönlichkeiten mit einzigartigen, interdisziplinären Qualifikationsprofilen aufgebaut, von denen in Zukunft wichtige Impulse für den sächsischen Lebens-, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort ausgehen werden. Fachliche als auch persönliche Diversität und ein gleichberechtigtes Miteinander sind maßgebliche Arbeitsgrundsätze. Die NachwuchsforscherInnen werden die Weiterentwicklung der universitären Ausbildung vorantreiben, neue Geschäftsmodelle für die Gesundheitswirtschaft kreieren und die politische Agenda mitgestalten. Mit Care4Saxony verbindet sich das Ziel, das Innovationspotential der Wissenschaft zu nutzen, um auf Basis einer synergetischen Zusammenarbeit einen nachhaltigen, inhaltlichen und strukturellen Beitrag für die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Freistaates Sachsen zu liefern. Nicht zuletzt soll die NFG durch den Schulterschluss zwischen Medizin, Technik und Geisteswissenschaft die Vorreiterrolle Sachsens im Bereich Gesundheit und IuK ausbauen.
Hintergrund
a) Ausgangssituation, Bedarf
Die Versorgung der Bürger konzentriert sich bisher auf einzelne Institutionen des Gesundheitswesens (z. B. stationäre oder ambulante Einrichtungen). Zudem ist das häusliche Umfeld bisher nur schwach in die Versorgungskette integriert. Das E-Health Gesetz und der unlängst vom BMG beschlossene Innovationsfonds unterstreichen jedoch, dass die bestehenden Strukturen bereits heute an ihre Grenzen stoßen und es dringend neuer Impulse und Denkmodelle aus Forschung und Entwicklung bedarf. Es fehlt an effizienten Lösungen, die alle Stationen im Präventions-, Diagnose-, Behandlungs-, Nachsorge- und Pflegebereich tangieren. Dabei besitzen IuK-Technologien im Gesundheitswesen (E-Health) mittlerweile die Reife und das Potential, den Aufbau und Betrieb von integrierten Versorgungsmodellen effizient zu unterstützen (Stroetmann et al. 2010; Dixon 2007).
Jedoch existieren derzeit faktisch keine Nachweise hinsichtlich der Inanspruchnahme, Wirksamkeit und Qualität, welche auf systemische Effekte wie z. B. Nachhaltigkeit der Innovation oder Diffusionsfähigkeit abzielen (Black et al. 2011). Gleichzeitig mangelt es neben Transferkonzepten und Erprobungsinstrumenten an interdisziplinären Qualifikationsprofilen, um die Wirkung der Systemeffekte adäquat nachzuweisen.
b) Regionaler Bezug, arbeitsmarktpolitische Bedeutung
Sachsen weist im Vergleich zu anderen Regionen der EU eine drastisch schrumpfende und alternde Bevölkerung auf (Statistisches Bundesamt 2010). Insbesondere die medizinische und pflegerische Versorgung der Bevölkerung ist hiervon betroffen. In ländlichen Regionen Sachsens verschärft sich das Spannungsverhältnis zwischen Fachkräfteangebot und -nachfrage aufgrund der strukturellen Ungleichheit zusätzlich. Zur Abdeckung des Versorgungs- und Betreuungsbedarfs ist auch das Erhalten und der Ausbau von Arbeitsplätzen, die den besonderen Anforderungen älterer Arbeitnehmer genügen, essentiell (SMWA 2014). Care4Saxony adressiert die aus dem demografischen Wandel resultierende strukturelle Problemlage des Freistaates Sachsen und verbindet dies mit der allgemeinen Digitalisierungsbewegung. Der regionale Bezug und die arbeitsmarktpolitische Bedeutung von Care4Saxony zeigen sich sowohl auf struktureller als auch auf wissenschaftlich-konzeptioneller Ebene. Bezüglich der Strukturinnovation werden sechs NachwuchswissenschaftlerInnen in einem interdisziplinären Themenspektrum, das die Forschungsprofillinien „Gesundheitswissenschaften, Biomedizin und Bioengineering“ und „Informationstechnologien und Mikroelektronik“ abdeckt, qualifiziert sowie ein Lehrkonzept erarbeitet. Damit entstehen einzigartige Qualifikationsprofile im Spannungsfeld zwischen Technik, Wirtschaft und Medizin, die für die Weiterentwicklung der sächsischen Versorgungslandschaft und die Translation von Gesundheits-IT und Dienstleistungen in die Regelversorgung wertvoll sind. In der NFG werden demnach Persönlichkeiten aufgebaut, die aufgrund ihrer Fähigkeiten, intellektuellen Offenheit sowie thematischen Professionalität in der Lage sein werden, in zukunftsgerichteten Themenfeldern neue Geschäftsmodelle zu kreieren und damit den Wirtschaftsstandort Sachsen konkurrenzfähig zu halten.
Care4Saxony zielt somit neben der Steigerung des Versorgungsangebots auf die Verbesserungen der Arbeitsmarkt- und Fachkräftesituation im Bereich der Heil- und Pflegeberufe mit ausgewiesener Expertise hinsichtlich integrierender IuK-Technologien ab. Das Potential zur wirtschaftlichen und sozialen Innovation wird beispielsweise mithilfe einer besseren Ausschöpfung des vorhandenen Fachkräftepotenzials durch eine stärkere räumliche Entkoppelung von Angebot und Nachfrage in der Pflege und der damit einhergehenden optimierten Verteilung von Fachexpertise erreicht. Ein wichtiger Impuls geht zudem in Richtung der sächsi- schen Versorgungs- u. Forschungseinrichtungen und Innovatoren der Privatwirtschaft aus. Sie werden durch das Projekt befähigt und motiviert, neue Geschäftsmodelle zu konzipieren und Ausgründungen zu forcieren.
Ziele
Das Ziel der NFG ist die Verbesserung der Anwendung und überregionalen Verbreitung alltagsbegleitender, integrierter Versorgungsmodelle und ihrer Unterstützung durch IuK-Technologien. Damit soll in Zukunft, trotz reduzierter personeller oder monetärer Ressourcen, ein flächendeckendes Versorgungsangebot auf hohem Niveau für die sächsische Bevölkerung sichergestellt bzw. ermöglicht werden. Die Fokussierung einer bedarfsgerechten Versorgung in der eigenen Häuslichkeit verbessert zudem das Einhalten von Therapiezielen und nutzt individuelle Fähigkeiten optimal aus. Es ergeben sich folgende Teilziele:
- Die Umsetzung innovativer (telemedizinischer) Versorgungsmodelle zur Abmilderung der demografischen Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung Sachsens befördern;
- Die Nachweisbarkeit der Qualität integrierter Versorgungsmodelle ermöglichen;
- IuK-Technologien bedarfsgerecht einsetzen und ihre Auswirkungen auf die Versorgung nachweisen;
- Interdisziplinäre Qualifikationsprofile innerhalb praxisnaher Forschungstätigkeit aufbauen;
- Interdisziplinäres Lehrkonzept zur Verbesserung der akademischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung hinsichtlich E-Health-basierter Versorgungsszenarien erarbeiten.
Beiträge
AP1: Anforderungen, Auswahl und Anpassung von Versorgungsmodellen aus Netzwerk- und Patientenperspektive
- AP1 untersucht die Versorgungseffekte IuK-gestützter Versorgungsmodelle. Neben der informellen Versorgung werden dazu auch die professionelle, formelle Leistungserbringung (ambulante Pflege, stationäre Therapie, ambulante Rehabilitation) sowie die Versorgung im Netzwerkverbund analysiert. Betrachtet werden dabei die verschiedene „Versorgungsmodellphänotypen“ aus verschiedenen Perspektiven, wie bspw. aus Sicht der Finanzierungs- und Qualitätsmodelle oder bzgl. der Rolle von Technik und Innovation.
- Verantwortlich: Lorenz Harst, M. A.
AP2: Qualität und Compliance in integrierten Versorgungsmodellen
- Erarbeitung einer Methode (z.B. behandlungspfadbasierten Ansatz) zur Erhebung und Evaluation der Qualität in integrierten Versorgungsmodellen.
- Verantwortlich: Peggy Richter, M. Sc.
AP3: Technologische und regionale Innovationspotentiale in Versorgungsnetzwerken
- Schaffung eines Ordnungsrahmens (Bewertungsmethoden, Handlungsmuster etc.) für die Bewertung und Gestaltung regionaler E-Health-Lösungen am Bsp. des sächsischen E-Health-Frameworks und Ableitung von Handlungsempfehlungen (E-Health-Patterns) für die Gestaltung von infrastrukturellen Maßnahmen.
- Verantwortlich: Lena Otto, cand. Dipl.-Wirt.-Inf.
AP4: Konzeption von Smart Home AAL-Assistenzsystemen
- Das Ziel ist die Konzeption eines webbasierten Unterstützungssystems, das bedarfsgerechte (Krankheiten, Beschwerden, Assistenzwünsche) Hinweise für die Konfiguration von Assistenzsystemen vorschlägt. Qualitätsaspekte wie Funktionserfüllung, Passfähigkeit und Nachrüstbarkeit sollen wesentlicher Bestandteil der Unterstützungsalgorithmen werden. Die Konzeption wird eng mit der Bewertungsmethode aus AP3 abgestimmt.
- Verantwortlich: Dipl.-Ing. Bastian Wollschläger
AP5: Entwicklung und Überprüfung einer Qualitätssystematik in Anwendungsszenarien
- Unter Berücksichtigung akademischer, konzeptioneller und praxisbezogener Anforderungen soll eine praxistaugliche Qualitätssystematik entwickelt und evaluiert werden. Ziel des Arbeitspaketes ist es, die Zwischenergebnisse aus AP1, AP2, AP3 und AP4 anhand der entwickelten Bewertungssystematik in den Schwerpunkten Prävention, Versorgung und Nachsorge zu erproben und weiterzuentwickeln.
- Verantwortlich: Patrick Timpel, M. Sc., Dipl.-Soz.arb./ Soz.päd.
AP6: Translations- und Diffusionsförderung
- Ziel des Arbeitspaketes ist die Erarbeitung eines Translationskonzeptes inkl. Qualifizierungsprogramm, das Handlungsempfehlungen für zukünftige Projekte gibt, um die Generierung von belastbaren Qualitätsaussagen innerhalb von innovativen Versorgungsmodellen zu ermöglichen und die Fachkompetenz für die Nutzung dieser IuK-gestützten Versorgungsmodelle zu schaffen.
- Verantwortlich: Dr. Hannes Schlieter / Dr. Katja Winkler
Teilnehmer
Fak. Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insb. Systementwicklung |
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Medizinische Fakultät, Professur für Prävention und Versorgung des Diabetes |
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Medizinische Fakultät, Forschungsverbund Public Health Sachsen | Zur Webseite |
Fakultät Informatik, Lehrstuhl für Technische Informationssysteme | Zur Webseite |