Über das Forschungsprojekt Digital Gender
Digitalisierung ist längst in unseren Alltag vorgedrungen und umgibt uns in Form zahlreicher Artefakte. Viele von diesen verfügen über eine offensichtliche Geschlechterdimension, die bestehende Ungleichheiten zumeist verschärft – am deutlichsten wohl hinsichtlich der mit weiblichen Stimmen ausgestatteten Assistenz-Softwares wie Siri, Alexa und Cortana, die von ihren Entwickler:innen als fürsorglich-selbstlose Schutzgeister der häuslichen Sphäre entworfen wurden. Wo innovative Konzepte künstlicher Intelligenz sich mit überkommenen Geschlechtervorstellungen verbinden, setzt das Forschungsprojekt „Digital Gender“ an.
Das Projekt verknüpft die geistes- und sozialwissenschaftliche Geschlechterforschung mit den Erziehungswissenschaften und den MINT-Fächern und untersucht die Interaktion von Geschlechtlichkeit und Digitalität. Dabei widmet sich „Digital Gender“ einerseits den Alltagsdimensionen der Digitalisierung und fragt, wie Artefakte der digitalen Mensch-Maschine-Kommunikation in unserer Lebenswelt verankert sind und auf welche Weise so unterschiedliche Ausprägungen von Digitalität wie künstliche Intelligenz und Avatare auf Geschlechteridentitäten, Körper sowie die gesellschaftliche Geschlechterordnung wirken. Andererseits untersucht das Projekt aber auch Gegenentwürfe aus dem Bereich der Fiktion (z.B. Geschichten über Cyborg-Mischwesen), in denen sich Technik-Optimismus und zunehmende Desillusionierung angesichts unserer wachsenden Abhängigkeit von digitalen Tools gegenüberstehen. Fasst man beide Untersuchungsbereiche als Seismographen gegenwärtiger und zukünftiger Entwicklungen auf, kann systematisch erarbeitet werden, inwiefern die mit der Digitalisierung verbundenen technologischen Umbrüche zu einer Neuaushandlung von Geschlechterverhältnissen führen.
Neben dieser gendertheoretischen und kulturwissenschaftlichen Forschungsorientierung verfügt das Projekt über eine praxisorientierte Perspektive, die sich zum Ziel gesetzt hat, pädagogische Materialien zu entwickeln, um den digitalen Wandel in der Schule zu begleiten. Es leistet nicht zuletzt einen Beitrag zur Gleichstellungs- und Diversitätsstrategie der TU Dresden wie des Freistaates Sachsen, indem es untersucht, unter welchen Voraussetzungen Digitalisierung zum Innovationstreiber hin zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft werden kann und wie sich letztere gestalten lässt.
Diese Maßnahme wurde mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. Das Projekt begann im Sommersemester 2020 und lief bis Juli 2022.