20.02.2024
Messungen von TUD-Forscher:innen: Wie viel Eis verliert die Antarktis?
Die Auswirkungen des globalen Klimawandels zeigen sich auch in den Veränderungen der Eismasse in der Antarktis. Mithilfe geodätischer Methoden messen Forscher:innen der TU Dresden, wie stark und an welchen Orten diese Veränderungen auftreten. Sie nutzen dafür GPS-Messungen vor Ort in der Antarktis sowie Satellitendaten.
„Um den Verlust der Eismasse in der Antarktis ableiten zu können, müssen wir auch verstehen, wie die feste Erde auf Eismassenänderungen reagiert“, erklärt Maria Kappelsberger. Die Geodätin der TU Dresden ist selbst schon mit dem Polarforschungsschiff „Polarstern“ des Alfred-Wegener-Instituts in die Antarktis gereist, um vor Ort Messungen durchzuführen. Die dort erhobenen Daten sind von großer Bedeutung, um zu berechnen, wie viel Eis die Antarktis verliert und in welchen Regionen der Rückgang am stärksten ist.
„Eis ist nicht gleich Eis“, erläutert Dr. Matthias Willen, der ebenfalls an der Professur für Geodätische Erdsystemforschung tätig ist. Es wird zwischen Meereis, gefrorenem Meerwasser, das auf dem Ozean schwimmt, und Gletschereis an Land unterschieden. Am Südpol bedeckt Gletschereis einen ganzen Kontinent: Antarktika. Dieser Eisschild ist mehrere Kilometer dick und umfasst fast 70 Prozent des gesamten Süßwassers der Erde. „Wenn nun mehr Gletschereis in den Ozean rutscht, als durch Schnee nachkommt, dann ändert sich die Masse dieses Antarktischen Eisschildes.“
Solche Änderungen werden seit 2002 von der Satellitenmission GRACE und ihrer Nachfolgemission GRACE Follow-on gemessen. Das Prinzip dahinter: Zwei baugleiche Satelliten, die sich auf derselben Bahn immerzu folgen, messen das Schwerefeld der Erde. Wenn einer der Satelliten von einer großen Eismasse angezogen wird und sich dieser nähert, folgt der andere ihm hinterher. Aus den Änderungen der Bahn und der Abstände der Satelliten zueinander lässt sich berechnen, wie sich die Eismasse auf der Erde verändert. Das Ergebnis der Daten ist eine Zeitreihe, welche die monatlichen Änderungen sichtbar macht. Auch wo die Veränderungen am stärksten sind, ist aus den Daten ablesbar.
Die Forschungen von Maria Kappelsberger zeigen zudem, dass die Eismassenänderungen auch einen direkten Effekt auf den darunterliegenden Kontinent haben. Das Gestein unter dem Gletscher wird durch das Gewicht des Eises verformt und senkt sich. Nimmt die Eismasse nun ab, hat dies wiederum eine Hebung der festen Erde zur Folge. „Diese Deformationen können wir messen – mit GPS und anderen Satellitennavigationssystemen direkt vor Ort in der Antarktis“, beschreibt die Forscherin. In der Westantarktis, wo die größten Verluste der Eismasse zu beobachten sind, gibt es dementsprechend auch die größten Deformationen. „Dort sehen wir Hebungen im Bereich von mehreren Zentimetern pro Jahr.“ Die Änderungen der Eismasse führen auch zu Bewegungen im zähflüssigen Mantelmaterial der Erde. Die Satelliten der Mission GRACE und GRACE Follow-on werden auf ihrer Bahn nicht nur von den Änderungen des Eises, sondern auch durch die Massenumverteilungen im Erdinneren beeinflusst
„Die Massenänderungen in der Antarktis sind nur ein Teil der Auswirkungen des globalen Klimawandels“, unterstreicht Matthias Willen. „Die Messung des Eismasseverlusts führt uns jedoch deutlich vor Augen, dass die Antarktis in Zukunft sehr stark zum globalen Meeresspiegelanstieg und damit zum Wandel des Klimasystems der Erde beitragen wird.“ Auch aktuell befinden sich Wissenschaftler:innen der TU Dresden auf einer Expedition mit der „Polarstern“ in der Antarktis, um noch mehr über die Auswirkungen des Klimawandels am Südpol herauszufinden.
Über ihre Forschungen haben Maria Kappelsberger und Matthias Willen auch im Videoformat »Kurze Frage« gesprochen. Zum Video: https://youtu.be/X7Vus2HU4S8