Erst beobachten, dann reflektieren
Lehramtsstudenten unterstützen Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache im Unterricht – alle profitieren davon
Beate Diederichs
Im Seminar »Das Spannungsfeld von Spracherwerb, Interkulturalität und pädagogischen Beziehungen« unterstützen Lehramtsstudenten Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in ihrem Unterricht. Danach werten sie ihre Ergebnisse im universitären Teil des Seminars wissenschaftlich aus und entwickeln sie weiter. Eine Win-win-Situation für Lehrer, Studenten und Schüler, meint Julia Welchering, Dozentin im Seminar und Koordinatorin des Projekts »Spracherwerb im Spannungsfeld interkultureller pädagogischer Beziehungen«, zu dem die Lehrveranstaltung gehört.
Praxiserfahrungen nützen immer. Egal ob bei einem Schulpraktikum mit eigenen Stunden oder als Helfer im Unterricht – angehende Lehrer ergreifen gern die Chance, bereits vor dem späteren Vorbereitungsdienst – dem Referendariat – mit ihrer zukünftigen Zielgruppe arbeiten zu können. Eine Möglichkeit dafür bietet auch das Werkstattseminar »Das Spannungsfeld von Spracherwerb, Interkulturalität und pädagogischen Beziehungen«, das beim Erweiterungsfach Deutsch als Zweitsprache des Instituts für Germanistik angesiedelt ist. »Dabei folgen wir dem Service-Learning-Prinzip: Die Teilnehmer unterstützen Lehrkräfte für DaZ im Unterricht, ohne selbst ganze Stunden zu übernehmen. Sie schauen dabei, wie Lehrer und Schüler miteinander agieren, und halten ihre Ergebnisse in einem Beobachtungsprotokoll fest«, berichtet Julia Welchering. So erzählten ihr zwei Studentinnen von einem Sprachlernspiel, einer komplexen pädagogischen Situation, die sie miterlebten: Sie notierten Details zur Rolle des Lehrers, zu seiner Intention und zum Konkurrenzverhalten der Schüler untereinander. »Alles in allem brachten sie unglaublich viel daraus mit«, lobt die Dozentin. Sie und ihr Kollege Frank Beier begleiten die Studenten beim universitären Part des Seminars: Nach einer Einführung in die Materie helfen sie ihnen, ihre Beobachtungen aus der Praxis wissenschaftlich einzuordnen und damit ein fundiertes Reflexionsprotokoll zu erstellen. »Die Studierenden sind ehrenamtlich an den Schulen tätig und nehmen als Lohn gewissermaßen die Erfahrungen mit. Manchmal bleiben sie auch über das Seminar hinaus in Kontakt mit den Lehrern. Dadurch können sich weitere Möglichkeiten für Praxiserfahrungen oder Austausch ergeben«, erläutert Julia Welchering. Die Dozentin koordiniert das übergeordnete Projekt, das ähnlich heißt wie das Seminar: »Spracherwerb im Spannungsfeld interkultureller pädagogischer Beziehungen«. Wenn die Studenten erfolgreich am Seminar teilgenommen haben, erhalten sie Credit Points. Die Lehrveranstaltung ist für Interessenten aller Lehramtsstudiengänge offen. »Bisher haben aber nur Studierende von DaZ teilgenommen«, sagt Julia Welchering. Bis zu zwölf Studenten können sich pro Semester für das Seminar einschreiben. Es findet im Wintersemester 2018/19 zum zweiten Mal statt. Julia Viehof, Studentin für das Lehramt an Beruflichen Schulen, nahm innerhalb ihrer Weiterbildung für Deutsch als Zweitsprache an dem Werkstattseminar teil. »Die Einsätze an der Grundschule waren für mich eine wunderbare Gelegenheit, mich praktisch auszuprobieren. Ich hatte zuvor nie mit Grundschülern gearbeitet. So hat es meinen pädagogischen Horizont sehr erweitert, mit dieser Altersgruppe tätig zu sein. Ich kann es nur empfehlen, diese Erfahrung zu machen«, resümiert sie.
Die Schule, von der die Studentin berichtet, ist die Grundschule »Johanna«, die die Organisatoren als Kooperationspartnerin der Veranstaltung gewinnen konnten. Dort betreut DaZ-Lehrer Holm Buchner die Studenten im Unterricht. Demnächst soll eine Oberschule als zweite Kooperationsschule hinzukommen, später vielleicht noch ein Gymnasium. Die fernere Zukunft ist ungewiss – Ende 2019 wird das Projekt voraussichtlich auslaufen, an das das Seminar gebunden ist. Damit würde auch die Win-win-Situation wegfallen, die die Veranstaltung für alle Beteiligten bietet: Die Studenten sammeln erste Lehrerfahrungen und reflektieren sie wissenschaftlich. Die Lehrkräfte bekommen regelmäßig sachkundige Hilfe im Unterricht. Die Schüler profitieren von einem besseren Betreuungsschlüssel und vom Kontakt mit jungen Leuten mit pädagogischen Kenntnissen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 19/2018 vom 27. November 2018 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.