Man erlebt seine Träume, wenn man dranbleibt
Ezchial Wendtoin Nikiema aus Burkina Faso erhält den DAAD-Preis 2018 der TU Dresden
Anne Vetter
Auf Youtube gibt es eine Dokumentation über den Besuch von Ezchial Wendtoin Nikiema an der Ohio State University und in Columbus (USA), bei der man erlebt, was ihn antreibt: die Verständigung von und mit Menschen über Musik und Bewegung, der Brückenschlag zwischen verschiedenen Kulturen. »Es tut gut, diesen jungen Mann aus Burkina Faso zu sehen, der einen Master in Germanistik macht, Musiker ist und mit Immigranten in Deutschland arbeitet. Der über seine Musik diese besondere Atmosphäre schafft, der so viele verschiedene Pfade geht. Das lässt die Menschen anders über die Welt denken und zeigt, was möglich ist«, sagt einer der Dozenten.
In Dresden ist Ezchial besser bekannt unter seinem Spitznamen Ezé. Eigentlich gesprochen, wie geschrieben – mit „e“. Die meisten haben die Aussprache aber an das englische Wort ‚easy‘ angelehnt, wie leicht. Vielleicht weil es so gut zu der Leichtigkeit und Lebensfreude passt, die er ausstrahlt. Dabei hat der junge Mann aus Burkina Faso in den vergangenen Jahren ein Programm absolviert, das schwindlig werden lässt. Seit dem Sommersemester 2016 studierte der 27-Jährige am Institut für Germanistik der TU Dresden im Masterstudiengang Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften. Im Juli 2018 schloss er das Studium mit Bestnoten ab. Für seine Masterarbeit »Zur Arbeit mit Musik im DaF-Unterricht: Möglichkeiten und Potenziale anhand einer Fallstudie in Burkina Faso« erarbeitete Ezé Niekiema im Herbst 2017 in Deutschland die Theorie. Im Dezember 2017 folgte der Praxistest in dem westafrikanischen Land. Während seines USA-Besuchs im Frühsommer 2018 hielt er bereits Vorträge und Workshops zu seiner Arbeit.
Passion: Musik und Sprache
Als wäre das nicht Herausforderung genug, engagiert sich Ezé Nikiema in Burkina Faso für mehr Bildung. In Deutschland bietet er für Kinder und Erwachsene Workshops zur interkulturellen Bildung an und ist Referent des PASCH-Mentoring-Programms, einer Initiative des Auswärtigen Amtes zur weltweiten Vernetzung von Schulen, an denen die deutsche Sprache einen hohen Stellenwert hat. Was Ezé Nikiema in Dresden allerdings besonders bekannt gemacht hat, ist seine Leidenschaft für Musik und die Mitgliedschaft bei Banda Internationale, einer Weltmusikband, die für ihren Einsatz für Respekt, Toleranz und Solidarität populär ist.
Jetzt erhält Ezé Nikiema für seine hervorragenden akademischen Leistungen und sein soziokulturelles Engagement den DAAD-Preis 2018 der TU Dresden – eine mit 1000 Euro dotierte Würdigung für internationale Studenten, die die Hochschulen in außergewöhnlicher Weise bereichern.
Vorgeschlagen hat ihn Dr. Ulrich Zeuner, Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Professur Deutsch als Fremdsprache (Institut für Germanistik). »Immer wieder bewundernswert war und ist für mich, wie es Herrn Nikiema gelang, seine sehr guten Studienleistungen mit seinem beeindruckenden gesellschaftlichen und interkulturellen Engagement zu verbinden«, sagt Dr. Zeuner. »Ich durfte seine Masterarbeit betreuen. Ich sage bewusst ›durfte‹, weil es zum einen eine Freude für mich war, mit einem so intelligenten, sehr interessierten und vielseitigen Studenten zusammenzuarbeiten. Zum anderen untersuchte Herr Nikiema ein neues Problemfeld im Bereich der Fremdsprachenvermittlung, weshalb seine Arbeit auch wissenschaftlich sehr interessant ist.«
Traum: Deutsch singen
»Wenn man im Ausland eine Chance bekommt, darf man nicht zögern, es richtig zu machen«, meint Ezé Nikiema. Seitdem er ab der 11. Klasse in seiner Geburtsstadt Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, Deutsch lernen konnte, hatte er davon geträumt, als Musiker in Deutschland auf Deutsch zu singen. »Ich war so tief beeindruckt von der Sprache, dass ich zu Hause weiter nach Wörtern gesucht und Texte für meine Musik geschrieben habe.«
Die These seiner späteren Masterarbeit, dass Musik das Lernen einer Fremdsprache erleichtert, erfuhr Ezé Nikiema damals zuerst an sich selbst. Nach seinem Schulabschluss entschied er sich für ein Germanistikstudium. Doch mit dem Bachelor 2013 war Schluss, weil es an der Universität keinen weiterführenden Master gab. »Da habe ich als Dolmetscher gearbeitet, vor allem aber der Musik Platz gegeben«, erzählt er. Sie führte ihn über Umwege tatsächlich nach Deutschland. Auf einer Tour durch Europa im Jahr 2013 besuchte der junge Musiker eine Familie in Dresden, die er in Burkina Faso kennengelernt hatte. Nach seiner Rückkehr reifte der Gedanke, sich für ein Studium in Deutschland zu bewerben. »Ein langer Weg mit vielen Anträgen«, sagt er. Schon als er 2015 in Berlin den »Afrika-Sonderpreis« für seinen »Eine-Welt-Song« bekam, wäre er gern geblieben. Doch so schnell wie Ezé Nikiema bewegt sich der deutsche Amtsschimmel nicht. »2016 hat es endlich geklappt. Ich war so unfassbar glücklich!« Seitdem ist er fest überzeugt: »Man erlebt seine Träume, wenn man dranbleibt.«
Zwar kannte er außer seiner Gastfamilie fast niemanden in Dresden, aber das änderte sich schnell. Durch einen glücklichen Zufall hatte er über Facebook die Dresdner Künstlerin Anna Mateur kennengelernt, die ihm wiederum den Kontakt zu Banda Internationale vermittelte. »Die erste Probe hat so gut funktioniert, dass ich dabeigeblieben bin«, erzählt Ezé Nikiema.
Schwerer als das Ankommen in der Dresdner Musikszene war der Studienstart: »Ich hatte am Anfang viel Angst, aus dem System zu fliegen. Das war schon megakrass. Aber ich wollte das Studium unbedingt in zwei Jahren schaffen.« Auch dank der sehr guten Betreuung von Dr. Ulrich Zeuner und Dr. Claudia Oechl-Metzner während der Masterarbeit sei es ihm tatsächlich gelungen.
Vision: Lach mal, Mensch!
Dass er selbst Freude am Lehren hat, zeigt die Begeisterung, mit der er über seine Masterarbeit spricht. »Die Entwicklung war ein langer Prozess. Mein Ziel war es unter anderem, nicht frontal zu unterrichten, sondern die Schüler ins Zentrum des Lernens zu stellen und zu erproben, ob durch Aktivitäten wie Musik und Tanz die Motivation zum Lernen erhöht wird.« Ezé Nikiema entschied sich, ein eigenes Lied zu schreiben, das gemeinsam mit den Schülern arrangiert werden sollte. Beiläufig gab es dabei Übungen zu Aussprache, Grammatik und Wortschatz. Der Titel ist typisch für ihn: »Lach mal, Mensch!«. »Nachdem mir die Lehrer vorab gesagt hatten, die Aufgabe sei zu schwer, war ich positiv überrascht, was bei der Aufführung herausgekommen ist.« Noch vor Silvester begann Ezé Nikiema mit der Auswertung, die bestätigte, was er gesehen hatte: »Musik, Bewegung und Theater bringen viel Motivation, auch bei Schülern, die sonst nicht gern mitmachen.«
Doch Ezé wäre nicht er selbst, wenn er den Aufenthalt in Burkina Faso nicht für soziales Engagement genutzt hätte. 2014 hatte er einen Verein zur Förderung von Bildung, Kunst und Kunsthandwerk gegründet mit dem Ziel, eine Schule aufzubauen. »Über 70 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten. Ich möchte benachteiligten Kindern die Chance geben, lesen, schreiben und ein konkretes Handwerk zu lernen, damit sie unabhängig sein können.« Mit zahlreichen Benefizkonzerten hatte er Geld für einen Brunnen gesammelt, dessen Bau er vor Ort betreute.
Jetzt, wo der Master geschafft ist, steht für Ezé Nikiema die schwere Frage, wie es weiter geht. Das Schulprojekt nimmt viel Raum ein, er hat auch eine neue CD aufgenommen. Doch die Wissenschaft lässt ihn nicht los: »Ich möchte schon promovieren, gern auch in Dresden«, sagt er. Denn obwohl Ezé in der Hochphase von Pegida ankam und einige schlechte Erfahrung machen musste, fühlt er sich dank vieler Freunde meistens wohl in der Stadt: »Ich habe so viel Liebe zurückbekommen. Das ist, was einen hält.« Oder, wie es in einem seiner Lieder heißt: »Nu, nu, Dresden, ich liebe dich«.
Der DAAD-Preis 2018 wird am 28. November, 16.30 Uhr, im Festsaal Dülferstraße zur Begrüßung der DAAD-Stipendiaten an Ezé Wendtoin Nikiema verliehen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 19/2018 vom 27. November 2018 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.