Nov 17, 2020
»Plug & produce« für die Industrie 4.0

Das Gründungsteam von Semodia: Henry Bloch, Jan Funke, Anna Menschner und Stephan Hensel (v.l.n.r.).
Durch »Semodia«, ein Spin-off der TUD und der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, lernen Produktionsanlagen miteinander zu sprechen
Frauke Posselt
Was passiert, wenn bei einem Medikament die Zusammensetzung verändert werden soll? Bisher heißt das, riesige Kabelbäume zu kappen und den kompletten Herstellungsprozess neu aufzusetzen. Doch warum? In produzierenden Unternehmen wird unter anderem mit Anlagen gearbeitet, die sich aus Modulen unterschiedlicher Hersteller zusammensetzen. Deren Steuerungen können allerdings nicht miteinander kommunizieren. Aus dem Alltag kennt das jeder, der versucht hat ein iPhone und eine Android-Smartwatch zu verbinden. Eine Lösung für das Problem hat die Semodia GmbH entwickelt, ein Spin-off der TU Dresden und der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Ihre Software rund um das »Module Type Package« bildet eine Kommunikationsschnittstelle, die eine standardisierte Beschreibung der jeweiligen Anlagenmodule ermöglicht. Anlagen können so nicht nur nebeneinander, sondern in einem sinnhaften Austausch miteinander arbeiten. Das bedeutet für den Herstellungsprozess: »plug & produce« wird möglich. Ist ein neuer Prozessschritt erforderlich, kann einfach ein zusätzliches Modul ergänzt werden. Wie beim LEGO-Prinzip wird ein weiterer Baustein auf die Bauplatte gesteckt und nicht alles komplett neu aufgebaut.
»Mit unserer Technologie können sowohl die Modulhersteller als auch die Betreiber von chemischen und pharmazeutischen Anlagen ihre Prozesse optimieren«, erklärt Henry Bloch, Mitgründer von Semodia. »Wir ermöglichen den Unternehmen nicht nur mehr Flexibilität, sie sparen zudem enorme Kosten in Form von Material, Anlagen und vor allem Arbeitszeit.«
Anna Menschner, Stephan Hensel und Henry Bloch entdeckten das Kommunikationsproblem im Rahmen eines Forschungsprojektes. Menschner und Hensel forschten an der TU Dresden, Bloch in Hamburg. Sie beschäftigten sich mit der Modularisierung in der Verfahrens- und Automatisierungstechnik und waren in zahlreichen Gremien zur Standardisierung aktiv. Im Frühjahr 2018 stellten sie fest, dass sie der gleiche Lösungsansatz umtreibt. Schnell entschieden sie, die Idee in einem eigenen Unternehmen umzusetzen.
Mit Unterstützung des Start-up-Service dresden|exists beantragten sie erfolgreich ein EXIST-Gründerstipendium. Das Stipendium sichert unter anderem für bis zu drei Personen den Lebensunterhalt für ein Jahr. Mithilfe eines Technologiegründerstipendiums konnte auch der vierte Gründer, Jan Funke, zum Projekt stoßen. So begann das Team ab April 2019 in Vollzeit an ihrer Software zu arbeiten und den Markteintritt vorzubereiten. »In dieser Zeit haben wir das breite Angebot von dresden|exists genutzt. Das hat uns sehr geholfen. Von Kundenkommunikation bis Vertriebsaufbau haben wir uns mit allen Themen beschäftigt, die Gründer bewegen«, sagt Stephan Hensel. Bereits früh sind die Gründer auf die Industrie zugegangen und haben ihren Prototypen vorgestellt. Das frühzeitige – manchmal auch kritische – Feedback hat ihnen geholfen, die Software entscheidend zu verbessern.
Obwohl die Covid-19-Pandemie starke Einschränkungen mit sich brachte, hat das junge Unternehmen 2020 viel erreicht. Trotz ausgefallener Messen hat das Team neue Produkte auf den Markt gebracht. Im Sommer konnte es den Technologiegründerfonds Sachsen als Investor gewinnen und eine sieben-stellige Finanzierungsrunde abschließen. Auch für die nächsten Jahre haben die Gründer viel vor. »Wir haben gerade vier neue Mitarbeiter eingestellt und möchten weiterwachsen. Aktuell fokussieren wir uns auf die chemisch-pharmazeutische Industrie, aber wir sehen weitere Branchen und internationale Märkte, die für uns sehr interessant sind«, so Anna Menschner.
Weitere Informationen unter:
https://semodia.com
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 18/2020 vom 17. November 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.