17.11.2020
AHA-Regeln haben sich immer bewährt
Professor Lutz Jatzwauk erläuterte auf Krankenhaushygiene-Online-Konferenz auch, warum alle Maskentypen sinnvoll sind
Dagmar Möbius
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH) besteht 2020 drei Jahrzehnte. Der zu diesem Anlass geplante Kongress im Frühjahr fiel coronabedingt aus. Jetzt würdigten die Krankenhaushygieniker/innen das Jubiläum mit einer Online-Live-Konferenz. Zum Zeitpunkt der dreitägigen Veranstaltung Anfang November 2020 zählte der tägliche Lagebericht des Robert Koch-Instituts weit mehr als eine halbe Million Corona-Virus-Infektionen und 10 500 Verstorbene in Deutschland. Die USA mussten bis dato mehr als neun Millionen Infektionen und knapp 230 000 Verstorbene verzeichnen. Weil das Thema COVID-19 aktuell alltagsbestimmend ist, war das Live-Programm nicht nur Wissenschaftler/innen, sondern allen Interessierten kostenfrei zugänglich. TUD-Professor Lutz Jatzwauk vom Zentralbereich Krankenhaushygiene und Umweltschutz des Universitätsklinikums Dresden erläuterte, wie gut die AHA-Regeln sind.
Auf 150 Jahre Geschichte können die Krankenhaushygieniker in Deutschland zurückblicken. Dennoch stehen sie selten in der Öffentlichkeit. Selbst eine der Pionierinnen der Disziplin, die Krankenschwester Florence Nightingale (1820–1910), die Standardwerke der Hygiene verfasste, ist für diese Verdienste weniger bekannt. Noch in den 1970er-Jahren fanden sich in deutschen Medizinlehrbüchern keine eigenen Kapitel
zur Hygiene. Sie war noch keine eigenständige wissenschaftliche Disziplin. Als solche tauchte sie erstmals 1980 in einer »Denkschrift« auf.
Professor Lutz Jatzwauk gehörte 1990 übrigens zu den Gründungsmitgliedern der DGKH. Bei »Hygiene live« erklärte er, wie Nahbereichsinfektionen entstehen und warum die AHA-Regeln (mindestens 1,5 m Abstand zu anderen Personen halten; Husten und Niesen in die Armbeuge oder ein Taschentuch, regelmäßig Hände waschen und desinfizieren, Alltagsmaske tragen) nach wie vor sinnvoll sind.
Die in Mikrometern gemessenen Größen von Tröpfchen und Aerosolen (Tröpfchenkerne) spielen eine Rolle beim Verteilen in Räumen. Doch man muss weder Physiker oder Mathematikern sein, um zu verstehen: »Tröpfchen ab fünf Mikrometern haben ein großes
Volumen. Sie übertragen damit eine große Erregermenge.« Zudem verdunsten Tröpfchen ab 10 Mikrometern durch ihre geringe Oberfläche nicht. Erreger trocknen deshalb nicht ein und lagern sich fast komplett im Atmungstrakt ab. »Sie bleiben aktiv und sind deshalb
gefährlicher«, erklärt der Mikrobiologe. Sein Fazit: Das Abstandsgebot ist auf jeden Fall sinnvoll. Gleiches gilt für die Hustenetikette und Händehygiene. Vor allem weil Hände mit Sekreten aus dem Mund- und Nasenraum in Berührung kommen und auf Schleimhäute übertragen werden. Trägt man Gesichtsmasken, können Partikel nicht so leicht in die Atemwege gelangen.
Jatzwauk erinnerte in dem Zusammenhang auch an medial verbreitete Widersprüche durch Ärztefunktionäre zu Beginn der Corona-Pandemie: An einem Tag waren Masken sinnlos, am nächsten Tag sinnvoll. Hier wie generell in der Wissenschaft gelte der Grundsatz: »Following the science!« Und: »In mancher Hinsicht wissen wir noch nicht genug.« Krankenhaushygieniker wissen sicher: »Was nicht nach Normengeprüft ist, hat keine Wirkung.« Wer sich für Prüfmodelle von Gesichts- bzw. Atemschutzmasken und deren experimentell ermittelte Wirksamkeit interessiert, wird in wissenschaftlichen
Publikationen oder auf diversen Webseiten von Medizintechnikanbietern fündig. Nach SARS wurden auch an der TU Dresden Studien durchgeführt (Reitmeier et.al. 2004).
Von Textilmasken ist bekannt, dass sie eine etwa 95-prozentige Abscheideeffizienz aufweisen. »Einen 100-prozentigen Schutz gibt es durch keine Maske«, sagte Jatzwauk. Aber: Im Gesundheitswesen wurden schon immer Masken getragen. Auch wenn man Grippe nicht mit Corona vergleichen könne, erinnerte er an Soldaten, die sich 1918 mit Baumwollmasken vor Influenza-Infektionen schützten. Zusammenfassend erklärte er: »Atemschutzmasken, medizinische Masken und Alltagsmasken reduzieren das Einatmen von Tröpfchen, die größer als fünf Mikrometer sind. Die Unterschiede in der Filtrationswirkung betragen bei dieser Partikelgröße weniger als zehn Prozent. Zum Schutz vor Tröpfcheninfektionen sind daher alle Typen von Gesichtsmasken sinnvoll. Die AHA-Regeln haben sich immer bewährt.«
Die derzeitige Vermutung, 500 bis 1000 Corona-Viren einatmen zu müssen, um zu erkranken, müsse in den nächsten Jahren experimentell untersucht werden. »Ich halte die Zahlen für realistisch«, beantwortete der Krankenhaushygieniker eine Frage aus dem Online-Publikum. Und eine weitere Botschaft gab er mit auf den Weg: »Masken sind ein Baustein, aber nicht der einzige. Antiseptische Spüllösungen helfen auch.« Nun müssten die Wissenschaftler herausfinden, welche Masken einfach und zweifach schützen, sowie
vieles über das Aufbereiten lernen.
Weitere Informationen unter:
www.krankenhaushygiene.de
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 18/2020 vom 17. November 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.