10.08.2020
Eine Bugholzkonstruktion ganz ohne Kleber und Metall
BenDit misst im Durchmesser drei Meter und schwebt im Biologie-Bau
Prof. Daniel Lordick
Der großzügige Lichthof des Biologie-Baus ist um eine Attraktion reicher: Das BenDit, eine kugelförmige Konstruktion aus gebogenem Holz, hängt scheinbar frei schwebend und in luftiger Höhe an nur einem Seil. BenDit entstand als Demonstrator im EU-Projekt AFTB (Towards Adhesive Free Timber Buildings), das konstruktiven Holzbau ohne Kleber und Metall zum Ziel hat. Als Teil von AFTB werden an der TU Dresden unter Leitung von Prof. Peer Haller die Möglichkeiten zur Anwendung von Bugholz untersucht. Bugholz ist hygrothermisch geformtes Holz und im Möbelbau wohlbekannt: Der Wiener Kaffeehaus-Stuhl von Thonet mit seinen geschwungenen Linien ist seit 1859 in millionenfacher Auflage weltweit präsent.
Dagegen werden im Bauwesen für gekrümmte Bauteile üblicherweise Bretter gestapelt und in Pressformen verleimt oder die Teile werden mit viel Verschnitt aus Brettschichtblöcken gefräst. Der synthetische Kleber erschwert überdies die Wiederverwertung. Bugholz hat diese Defizite nicht. Seine Herstellung benötigt nur Wärme und Dampf. Außerdem werden für Bugholz bevorzugt Laubhölzer eingesetzt, die am Bau bislang kaum Verwendung finden. So befördert Bugholz nebenbei einen naturnahen Waldbau. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des damit einhergehenden Fichtensterbens ist das ein durchaus zukunftsweisender Effekt.
Der wesentliche Vorteil des Bugholzes aber ist, dass kraftflussgerechte, organische und damit materialsparende Konstruktionen aus Holz möglich sind. Gebogenes Holz bietet eine neue Gestaltungsfreiheit, die tatsächlich das ganze Holz in seiner Tragfähigkeit nutzt. Allerdings bedarf es innovativer Konzepte, um das Holzbiegen aus dem Möbelbau in den konstruktiven Holzbau zu skalieren. Eine der Herausforderungen ist, während des Biegeprozesses die Stauchdrücke im Holz in den Griff zu bekommen. Diese steigen bei zunehmender Dicke der Profile nämlich exponentiell. Insofern geht es darum, die Grenzen des Machbaren schrittweise zum großen Maßstab zu verschieben und Konstruktionstechniken anzupassen.
Der Entwurf des BenDit integriert diese Aspekte und zeigt exemplarische Gestaltungslösungen in einer Größenordnung zwischen Möbel und Bauwerk. BenDit besteht aus 24 ebenen Vollholz-Esche-Rahmen, die reversibel zu einer selbsttragenden Gesamtstruktur mit einem Durchmesser von drei Meter gefügt sind. Die 24 Rahmen sind mit Rücksicht auf die Produktion und für eine messbare Wiederholgenauigkeit alle gleich: Sie basieren auf einem drachenförmigen Viereck. Somit liegt BenDit ein spezielles konvexes Polyeder zugrunde, das Deltoidalikositetraeder, woraus sich in Kombination mit dem englischen Verb »to bend« der leichter sprechbare Name BenDit ableitet.
Jeder Rahmen besteht aus genau einem Stück und nutzt die gesamte Länge der handelsüblich vier Meter langen Hölzer aus der Bodenseeregion. Gedämpft und gebogen wurden sie in einem Schweizer Betrieb, der normalerweise Davoser Schlitten fertigt. Die exakte Kristallstruktur des BenDit diente während der Montage als Prüfstein für das Verfahren, denn das Polyeder sollte sich am Ende über die 96 keilförmigen Verbinder passgenau schließen.
BenDit entstand im harmonischen Zusammenspiel von geometrischer Form, wissenschaftlich-technischer Vision, materialgerechtem Entwurf und solider Handwerkskunst. Mit seiner aufgelösten Kantenstruktur und den runden Ecken deutet es das zugrundeliegende Polyeder im Sinne der platonischen Ideenlehre nur an. Aus der Sphäre des Geistigen kommend, gibt BenDit uns ein sinnliches Leitbild für die Zukunft und fügt sich mit seiner warmen Materialität kontrastreich in die Architektur des Biologie-Baus ein. Der Werkstoff Holz steht für das zyklische Werden und Vergehen. Ihm wohnen alle Eigenschaften inne, mit der wir technische Lösungen und nachwachsende Rohstoffe versöhnen können.
BenDit:
Wissenschaftliche Leitung: Prof. Peer Haller
Entwurf: Prof. Daniel Lordick
Film zur Entstehung des BenDit: https://www.youtube.com/watch?v=QOwNEqEb3Oo
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 12/2020 vom 23. Juni 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.