Jan 19, 2021
Kette auf Kur
Die Amtskette der TUD-Rektorin wurde jetzt im Grünen Gewölbe restauriert
Luise Anter
Eine Werkstatt im Grünen Gewölbe, halb Atelier, halb OP-Saal. An den Wänden stehen Werkbänke und Glasschränke mit Prunkstücken, in der Mitte ein Metalltisch. Darauf liegen 312 Gramm Universitätsgeschichte: die Amtskette der TU Dresden. Nach 127 Jahren war es Zeit für ihre Restaurierung, die das Rektorat der TU Dresden beauftragt und die Kustodie organisiert hat. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) haben ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und eine Restauratorin engagiert, Katharina Klein. »Die Arbeit mit so einem historischen Stück ist alles andere als alltäglich«, sagt sie. Fast einen Monat lang hat sie sich der Aufgabe gewidmet. SKD-Restaurator Michael Wagner hat zuvor ein Gutachten erstellt. »Die Kette«, sagt er, »ist auch für die Stadtgeschichte von großer, musealer Bedeutung.«
Es ist das Jahr 1890. Aus dem »Königlich Sächsischen Polytechnikum« wird die »Königlich Sächsische Hochschule«. Rektor Dr. Walther Hempel findet: Er und seine Nachfolger im Rektorenamt benötigen eine Amtskette. Die wäre eine »Würdigung der großen Bedeutung, welche die technischen Wissenschaften für unser ganzes Staatsleben haben«, schreibt er in einem Brief an Kultusminister Kurt Damm Paul von Seydewitz.
Hofjuwelier Scharffenberg fertigte 1893 die Kette an
Der Rektor hat Erfolg: König Albert von Sachsen stiftet eine Rektorkette. Im April 1893 erhält Hofjuwelier G. A. Scharffenberg den Auftrag, die Kette »für höchstens 3000 Mark« anzufertigen. Die Kette ist 93 cm lang, vereint 14 größere, ovale und 13 kleinere, runde Glieder aus Gelbgold. Die größeren haben einen Kern aus roter Emaille, die kleineren sind geschmückt mit blau emaillierten Blüten. Das Brustteil enthält ein Medaillon mit dem Bildnis König Alberts. Unterhalb führen drei Ketten zu einem ovalen Anhänger, auf dem eine reliefartige Figur abgebildet ist. Sie ist umgeben von Zirkel, Zahnrad, Büchern – eine allegorische Darstellung der Technischen Künste. Dieses Prachtstück bekommt im Herbst 1893 Rudolph Heyn überreicht, Hempels Nachfolger.
Doch die Zweisamkeit von Rektor und Kette verlief nicht immer reibungslos. Im Jahr 1926 wurde sie fast geklaut, aber Universität und Kultusminister von Seydewitz konnten sich nicht einigen, wie man sie schützen sollte: Safe oder Versicherung? Am Ende bekam die Kette keinen Schutz – dafür einige Jahre später kurzzeitig ein Hakenkreuz. Der damalige Rektor Gerhard Kowalewski wollte es 1935 auf dem Medaillon anbringen lassen. Der zuständige Oberregierungsrat lehnte zwar ab, doch Kowalewskis vorauseilender Gehorsam war schneller. Das Hakenkreuz musste wieder entfernt werden.
Als aus der »Technischen Hochschule « im Jahr 1961 eine »Technische Universität « wurde, ließ die Uni eine neue Rektorkette gestalten. Fast 30 Jahre verschwand die historische Kette im Tresor, bis der erste frei gewählte Rektor, Prof. Günter Landgraf, sie 1990 zurück in den Rektorenalltag holte. Doch der brachte häufigen Einsatz mit sich, die Kette verschliss. Um sie zu schützen, entschied man sich während des Rektorats von Prof. Achim Mehlhorn für die Anfertigung eines Duplikates. Der beauftragte Uhrmachermeister Frank Godörkiewicz übergab 2008 eine Kette, die dem Original nahezu ebenbürtig ist. Man muss beide nebeneinanderlegen, um Unterschiede zu sehen: Nicht nur guckt der König auf dem Duplikat-Medaillon in die andere Richtung. Das Original ist zudem feiner gearbeitet, wirkt insgesamt edler.
Unsachgemäße Behandlung schadete dem Schmuckstück
Auch das Original kam weiter zum Einsatz, etwa bei Investituren. Doch das blieb nicht ohne Folgen. Eine der blauemaillierten Blüten ist verloren, eine andere hat sich gelöst, ist aber noch vorhanden. Zudem ist eines der Kettenglieder deutlich heller. »Es wurde wahrscheinlich in ein Reinigungsbad gelegt«, sagt Restauratorin Katharina Klein. »Das schadet irreversibel dem Material.« Sie hat die Kette demontiert und die Glieder neu angeordnet, so dass die Abweichung kaum auffällt. Auch die Blüte hat die Restauratorin angebracht und die Emaillierungen befestigt. Schließlich hat Klein die Kette gereinigt und von Anlaufspuren befreit – mit Wattebausch, Schlämmkreide und einem Ethanol-Wasserbad. »Ich war wahnsinnig vorsichtig«, sagt sie. Die Emaillierungen seien schlaganfällig, die Goldlegierung spröde.
Rektorin Prof. Ursula M. Staudinger ist sich dessen bewusst. Die Kette sei ein »Insignium der langen und eindrucksvollen Geschichte unserer Universität.« Sie will die Amtskette nur bei wichtigen Anlässen tragen, wie im Herbst bereits zu ihrer Investitur und der feierlichen Immatrikulation. Denn, so Staudinger: »Ein solches Artefakt ist ein wichtiges Symbol des Amtes, das unabhängig von ›modern‹ oder ›traditional‹ Bedeutung hat für die Institution.«
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 01/2021 vom 19. Januar 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.