Mar 02, 2021
Kunst und Wissenschaft begegnen sich im Rektorat
Petra Kasten: Malerei und universitäre Objektkulturen
Gwendolin Kremer
Neben den zentralen Aufgaben der professionellen Sammlungsarbeit, das Sammeln, Bewahren und Forschen (Deutscher Museumsbund), wird die öffentliche Wahrnehmung von Sammlungen durch Ausstellungen bestimmt. Das Rektorat der TUD ist neben der Universitätsgalerie der Kustodie im Görges- Bau und der Dauerausstellung der Kustodie im Bürogebäude Zellescher Weg (BZW) ein weiterer zentraler Ort auf dem Campus, an dem herausragende Werkgruppen, Schenkungen und Sonderpräsentationen den umfangreichen universitären Kunstbesitz und die Lehrsammlungen zeigen.
Nachdem 2018 mit der Schenkung des Dresdner Künstlers und Architekten Peter Albert (geboren 1936 in Dresden, lebt in Dresden) 37 abstrakte Werke aus seinem Frühwerk bis zur Gegenwart vorgestellt werden konnten, richtet die aktuelle Schau ihr Augenmerk auf das Zusammenspiel von Werken der Malerin Petra Kasten (geboren 1955 in Dresden, lebt in Pulsnitz) aus dem Kunstbesitz der TUD und wissenschaftlichen Objekten.
Im Kunstbesitz befinden sich insgesamt sieben Werke der Künstlerin Petra Kasten. In den 1990er-Jahren wurden figurative Grafiken aus der Vorwendezeit erworben, 2018 und 2021 konnten nochmals vier abstrakte Gemälde und Papierarbeiten – vorrangig aus den 2010er- Jahren – angekauft werden.
In der als Interaktion angelegten Präsentation von Kunstwerken und Exponaten aus den naturwissenschaftlich-technischen Sammlungen stehen die Verbindungen von Kunst und Wissenschaft bzw. den universitären Objektkulturen im Vordergrund.
Seit den 1990er-Jahren erforscht Petra Kasten in ihren Gemälden, Radierungen und Zeichnungen das Zusammenspiel von Abstraktion und Gegenständlichkeit. Die Auslotung von Grenzbereichen charakterisiert ihre Bildfindungen, die als serielle Kompositionen angelegt sind. Die Variabilität von Gitterstrukturen, Linienverläufen und Erkundungen eines Farbspektrums sind dabei zentrale Anliegen. Immer wieder zeigen sich auch Rückgriffe, oder gar Vorgriffe auf Gegenständliches. Verweise auf Objekte und Materialität, die sich nicht als bestimmendes Sujet, sondern beiläufig in die strengen farbig angelegten Geometrien von Petra Kastens malerischem und grafischem Œuvre einfügen.
Alltagsgegenstände wie Gläser, aber auch Referenzen an Flora und Fauna oder technische Elemente, fungieren als abstrahierte Zeichen, die in ihrer formalen Reduktion auf eine Umrisslinie und den Verzicht auf Flächigkeit die semiotische Bedeutung des Dings nicht nur aktivieren, sondern auch forcieren.
Die ausgewählten Lehrobjekte aus der Sammlung des Botanischen Gartens, der Zoologischen Lehrsammlung, der Farbstoffsammlung und der Getriebemodellsammlung erweitern und spezifizieren in ihrer wissenschaftlichen Kontextualisierung und zugleich in ihrer Dreidimensionalität den Wissensund Zeigeraum der zweidimensionalen Kunstwerke von Petra Kasten.
Petra Kastens Querformat mit dem Titel »Gläser« (2012) zeigt vor einem in mehreren Malschichten aufgebauten Bildgrund in Grau, Blau, Zinnoberrot und Neapelgelb ein Konvolut an Gläsern und Flaschen, die den Bildvordergrund und -mittelgrund dominieren. Sie sind als zeichenhafte Objekte in schwarzer Ölfarbe angelegt. Die in einer Vitrine präsentierten Farbstoffe aus der Historischen Farbstoffsammlung der TUD erweitern den Bildraum und zeigen exemplarisch die Bezüglichkeit von Material, dem Pigment und den Farbstoffen, sowie der Malerei als künstlerischer Gattung auf.
Diese Gegenüberstellung thematisiert gleichermaßen die dringlichsten Fragen und Aufgabenstellungen von wissenschaftlichen Konzepten und gesellschaftspolitischen Handlungsfeldern, die auch und gerade an einer Universität erforscht, diskutiert und definiert werden. Welche Herausforderungen bringen die rasanten technologischen Umwälzungen der Gegenwart mit sich, wie lässt sich die Gesellschaft der Zukunft gestalten? Welche Rolle kann die Wissenschaft und die Kunst gleichermaßen in diesem Transformationsprozess für sich beanspruchen? Der umfangreiche universitäre Kunstbesitz und die Lehrsammlungen der Kustodie der TUD können darauf keine expliziten Antworten geben, aber sie schaffen einen Ort der Betrachtung für eine komplexe, auch spekulative und damit sinnstiftende Einordnung von Welt und Wissen.
Der Kunstbesitz mit rund 3000 Werken aller Gattungen (Gemälde, Grafik, Fotografie, baugebundene Kunst, Skulptur) wird von der Kustodie der TUD betreut. Der Bestand setzt sich zusammen aus einem sogenannten »Altkunstbesitz« (vor 1945) und der Sammlung ab 1951. Ab 1951 sammelte die TUD dann systematisch Kunst. In über sechs Jahrzehnten ist so eine umfangreiche und repräsentative Sammlung entstanden. Das Gros dieser 3000 Arbeiten, Gemälde, Grafiken, Skulpturen und baugebundene Kunst, entstand von den 1950er-Jahren bis zur Wende 1989/90 und weist einen starken regionalen Fokus mit dem Schwerpunkt auf die Dresdner Kunstszene auf.
Seit 2017 wird die Ankaufstätigkeit für den Kunstbesitz weitergeführt. Das Profil der Sammlung wird beibehalten und weiter ausgebaut, indem vorrangig Werke sächsischer bzw. in Sachsen lebender Künstlerinnen und Künstler, die einen Bezug zum Kunstbesitz der TU Dresden bzw. zu Sachsen aufweisen, angekauft werden. Von besonderem Interesse sind dabei künstlerische Positionen mit einem dezidierten Bezug zu wissenschaftlich- technischen sowie technikhistorischen Fragestellungen. Die Ankäufe werden von einem Fachbeirat begleitet und in einer jährlich stattfindenden Sonderschau der Öffentlichkeit vorgestellt.
Bis heute dient der Kunstbesitz der Repräsentation und Ausstattung der öffentlichen Gebäude auf dem Campus und der Arbeits- und Sitzungsräume der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Leihgesuche können direkt an die Kustodie gestellt werden. Die Kustodie berät zudem in Fragen der Erweiterung des Kunstbesitzes, der künstlerischen und innenarchitektonischen Gestaltung sowie der Denkmalpflege.
Die Präsentation im Rektorat wird durch Leihgaben der Künstlerin ergänzt.
Mehr zur Kustodie der TU Dresden und ihren Lehrsammlungen und dem Kunstbesitz:
https://tu-dresden.de/kustodie
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 04/2021 vom 2. März 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.