16.02.2021
Literatur und historische Orte im böhmisch-sächsischen Grenzraum entdecken
TUD, HTW und TU Liberec erarbeiten eine interaktive Wissensplattform – bereits mehr als 220 Gedenkorte sind enthalten
Claudia Trache
Otfried Preußler (1923–2013) und seine Werke wie »Räuber Hotzenplotz« oder »Krabat« kennen sicher viele Literaturinteressierte. Vielen ist sicher auch bekannt, dass er in Liberec/Reichenberg geboren wurde und seine Familie nach dem zweiten Weltkrieg durch Zwangsaussiedlung in Bayern eine neue Heimat fand. Wer aber weiß, dass in der schlesischen Gemeinde Osoblaha, zu Deutsch Hotzenplatz, nahe der polnischen Grenze zu Ehren des Räubers Hotzenplotz im Juni 2018 eine Holzstatue errichtet wurde? Otfried Preußler ist einer von derzeit 67 Autor:innen (Stand 12. Februar 2021), deren Wirkungsorte und Lebensstationen Interessierte in der böhmischsächsischen Literaturlandschaft virtuell unter www.lis-map.eu entdecken können. Das literarische Spektrum ist dabei groß: Neben den aus dem Böhmischen stammenden Literaten Jaroslav Havlíček (1896–1943) und Vladimír Holan (1905–1980), erfährt man auch Interessantes über die Dalimil-Chronik aus dem 14. Jahrhundert und lernt Giacomo Casanova (1725–1798) näher kennen.
Interaktive Wissensplattform
Das Projekt böhmisch-sächsische Literaturlandschaft entstand von Januar 2017 bis September 2020 in Kooperation zwischen der TU Dresden als Lead Partner sowie der Technischen Universität Liberec und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden, gefördert vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen des INTERREG-Förderprogramms Sachsen/ Tschechische Republik. Dreizehn Mitarbeiter aus Kulturwissenschaft, Germanistik, Informatik und Geschichte sowie die jeweils beteiligten Professuren der TU Dresden, der HTW Dresden und der TU Liberec schufen eine dreisprachige Wissensplattform (Englisch, Deutsch, Tschechisch) mit dem Ziel, das gemeinsame kulturelle Erbe am Beispiel der Literaturgeschichte beidseits der Grenze generationsübergreifend zu vermitteln. Dementsprechend soll dieses Literarische Informationssystem ein breites Publikum ansprechen: Schüler:innen, Wissenschaftler:innen aber auch Bürger:innen, die die Literatur entdecken und den sächsisch-böhmischen Grenzraum touristisch erkunden möchten. Je nach Interessenslage können die Nutzer:innen Informationen zu den Autor:innen auf drei Ebenen (Entdecken – Vertiefen – Material) erlangen.
Auf literarischen Spuren wandeln
Die interaktive Karte gibt nicht nur Lese- sondern auch Reiseanregungen. Wer bisher nur die Werke von Johann Wolfgang von Goethe gelesen hat, kann mithilfe des Literarischen Informationssystems nun auf dessen Spuren im sächsisch-böhmischen Grenzraum wandeln und sich eine Reiseroute entlang der 19 aufgeführten Erinnerungsstellen, die mit ihm im Zusammenhang stehen, zusammenstellen. Der Weg könnte dabei ins vogtländische Adorf führen, wo der Dichter am 3. Juli 1795 auf seinem Weg nach Böhmen Am Markt 8, dem Gebäude der ehemaligen Posthalterei, übernachtet hat oder auf die Burg Krupka/Graupen nach Nordböhmen, wo Goethe zwischen 1810 und 1813 dreimal weilte. Daran erinnern heute eine Gedenktafel bzw. ein Gedenkstein.
Wer beispielsweise mehr über den Hofnarr Joseph Fröhlich (1694–1755) wissen möchte, erhält neben Informationen über Leben und Werk sowie zwei Erinnerungsstellen in Dresden bzw. Moritzburg, auf der Ebene »Vertiefen « Wissenswertes zur Rezeption seiner Person. Auf der Ebene »Material « wiederum finden sich Angaben zur Primär- und Sekundärliteratur sowie didaktisches Material für den Schulunterricht.
Projekt entwickelt sich stetig weiter
Seit der Präsentation des Projekts im März 2020 hat sich die Anzahl der Autor:innen von 41 auf 67 erhöht. »Im Verlaufe des Projekts wurden es immer mehr Orte und Autor:innen, die uns wichtig schienen«, erläutert Dr. Annette Teufel, Projektleiterin und Geschäftsführerin des Zentrums Mittleres und Östliches Europa. »Teilweise haben wir diese selbst entdeckt, teilweise haben wir Hinweise von Nutzer:innen erhalten. Darum ist LIS auch so gewachsen. Beantragt war ursprünglich, dass zirka 80 Gedenkorte eingetragen werden sollten. Inzwischen sind es knapp 220.« Das Projekt darf auch weiter wachsen. »Gern nehmen wir weitere Empfehlungen für Ergänzungen von Erinnerungsorten auf«, betont Dr. Annette Teufel.
Weitere Informationen unter:
www.lis-map.eu
Wer Hinweise geben möchte, wendet sich bitte an das Zentrum Mittleres und Östliches Europa der TU Dresden. E-Mail:
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 03/2021 vom 16. Februar 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.