18.05.2021
Medikamentenrückstände belasten das Abwasser
Beim Trend zu weniger Antibiotika-Verordnungen weist der Freistaat Sachsen die bundesweit niedrigste Verordnungsrate auf
Dagmar Möbius
Gibt es Schnittpunkte zwischen Krankenhaushygiene und Wasserwirtschaft? Ja, sagt Peter Krebs von der Professur für Siedlungswasserwirtschaft der TU Dresden. Der Leiter des Instituts für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft berichtete im Rahmen des Symposiums »Green Hospital« beim 15. Kongress für Krankenhaushygiene über »Antibiotika im Abwasser von Krankenhäusern«.
Das Thema Antibiotika-Einsatz beschäftigt interdisziplinäre Forschungsgruppen seit vielen Jahren, nicht zuletzt vor dem Problem der Resistenzen. Wasserwirtschaftler interessieren sich in dem Zusammenhang unter anderem dafür, wie Überlastungen von Kläranlagen vermieden werden können. »Krankenhaus- Abwässer werden auch in die Kanalisation geleitet«, sagt Prof. Krebs und fragt: »Was machen wir damit?« Eine Untersuchung über neun Jahre (2005 bis 2013) mit repräsentativen Verschreibungsdaten einer Krankenkasse der Region Dresden offenbarte eine verordnete Menge Antibiotika zwischen 350 und 430 Kilogramm pro Jahr, am häufigsten Amoxicillin und Penicillin.
Die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen gilt als bedeutendes weltweites Public-Health-Problem. Aufgrund eines jahrzehntelang breiten und häufig nicht sachgemäßen Einsatzes von Antibiotika sehen sich Patienten und Mediziner immer häufiger mit Bakterienstämmen konfrontiert, die Unempfindlichkeit gegenüber vielen gängigen Wirkstoffen aufweisen. Infolge des vermehrten Auftretens von Antibiotikaresistenzen steigen Behandlungsdauer, Morbidität und Mortalität durch schwerwiegende Infektionen sowie die daraus resultierenden Versorgungskosten, führt der Versorgungsatlas-Bericht 19/07 an.
»Bekanntlich werden Arzneimittel über den Urin ausgeschieden«, so Krebs. Je nach Wirkstoffgruppe fließen einige mehr, andere weniger unverändert ins Abwasser. Das synthetische Antibiotikum Ciprofloxacin wird beispielsweise zu 40 bis 50 Prozent unverändert ausgeschieden. Manche Stoffe werden bereits im Kanal zum Klärwerk abgebaut, andere verbleiben in höchster Konzentration im Kläranlagenablauf. Während sich Schmerzmedikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen sommers wie winters gut eliminieren lassen, sieht das bei vielen Antibiotika und anderen Medikamentengruppen deutlich schlechter aus. Prof. Krebs kann mit einer Hitliste der drei am häufigsten aufgetretenen Arzneimittel im Abwasser für die ausgewerteten ambulanten und stationären Verordnungen aufwarten. Im Jahr 2012 lieferte die Klinikapotheke 105 Kilogramm Cefuroxim auf die Stationen des Uniklinikums, davon 26 Kilogramm an die Chirurgie. Für das mit 161 Kilogramm, davon 44 Kilogramm für die Chirurgie, meistverordnete Piperacillin maßen die Wasserwirtschaftler vergleichsweise nur 58 μg/l im Klinikabwasser. Das am zweithäufigsten verordnete Antibiotikum Cefuroxim fand sich in höchster Konzentration (71 μg/l) im Abwasser. Im Zulauf des Klärwerkes betrug die Cefuroxim- Konzentration noch 1,59 μg/l und im Ablauf noch 0,60 μg/l, das damit als Beispiel für schlecht gelöste Arzneimittel gelten muss.
Messungen der Isolate in den Kläranlagen wiesen häufig Antibiotika-Resistenzen auf. Auch Resistenzgene wurden im Dresdner Abwasser zu unterschiedlichen Jahreszeiten gemessen. »Wir rätseln, wie nicht verwendete Medikamente entsorgt und resorbiert werden können«, sagt Prof. Krebs, dessen Kernkompetenz die Stoffflussmodellierung ist. Im Einzugsgebiet der Elbe werteten die Forschenden verschiedene Maßnahmen aus. Zwei Kriterien sind für die Gewässerqualität entscheidend: »die Kilometer im nichtkritischen Zustand und die Frachtverringerung am Gebietsauslass «. Für Laien verständlicher ist ein Resultat: »Wir haben verhindert, dass Stoffe aus dem Krankenhaus ins Abwasser kommen.« Welche Maßnahmen am wirksamsten sind, hängt vom Einzugsgebiet, von der Substanz und von der Zielsetzung ab. Und: »Nur eine Kombination verschiedener Maßnahmen verspricht Erfolg.«
Für Krankenhaus und die Medizin schlussfolgert Krebs Folgendes: »Kliniken spielen nur stoffspezifisch eine wichtige Rolle. Grundsätzlich Krankenhauskläranlagen zu bauen ist deshalb nicht effizient. Für Reserveantibiotika und gegebenenfalls Röntgenkontrastmittel sollte ein Rückhalt an der Quelle, beispielsweise separate Toiletten und Urinbeutel, vorgesehen werden.« Die Medizin bilde mit den Hydrowissenschaften eine sehr wichtige Schnittstelle. Das Entwickeln besser abbaubarer Medikamente sei sinnvoll. Und auch wenn der Wasserwissenschaftler kein Arzt ist und sich nicht anmaßt, in medizinische Expertise hineinzureden, empfiehlt er vor allem künftigen Medizinerinnen und Medizinern: »Nur so viel wie nötig zu verschreiben, denn alles, was verordnet wird, geht ins Wasser.«
Ein Blick in den Versorgungsatlas des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland verdeutlicht regionale Unterschiede der medizinischen Versorgung. Die auf bundesweiten Abrechnungsdaten der vertragsärztlichen Versorgung basierenden Analysen ergaben bezüglich der Antibiotika-Verordnung des ambulanten Sektors, dass der Bundesschnitt 40 Prozent über dem Minimalwert liegt, der Maximalwert 80 Prozent über dem Minimalwert. Zwar wurden zwischen 2010 und 2018 deutlich weniger Antibiotika verordnet als zuvor, doch die Verordnungsrate im Jahr 2018 wies zwischen dem höchsten Stand im Saarland mit 572 Verordnungen pro 1000 Versicherte und der niedrigsten Verordnungsrate in Sachsen mit 317 Verordnungen pro 1000 Versicherte eine große Spannbreite auf.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 09/2021 vom 18. Mai 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.