19.10.2021
Neues Zentrum verbessert Chancen für erfolgreichen Schulbesuch
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie richtet acht tagesklinische Plätze für spezielle Diagnostik und schulisch-therapeutische Förderung ein
Holger Ostermeyer
In enger Zusammenarbeit mit dem Christlichen Sozialwerk (CSW) hat die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Dresdner Uniklinikums ein neues tagesklinisches Angebot aufgebaut. Im Mittelpunkt stehen Patientinnen und Patienten, die aufgrund einer geistigen oder tiefgreifenden Entwicklungsstörung verschiedenste Probleme haben. Das neue »Zentrum für Entwicklungsstörungen« nimmt sich der Mädchen und Jungen an, deren Handicaps es ihnen massiv erschweren, den Alltag altersentsprechend zu bewältigen. Brennpunkt ist hier zumeist der Schulbesuch, der bei den Betroffenen aufgrund von Verhaltensproblemen häufig zur Disposition steht. Das Konzept des Zentrums basiert auf der schulisch-therapeutischen Zusammenarbeit der Klink mit der St. Franziskusschule – ein vom CSW getragenes Schulzentrum zur Förderung des Lernens. Die dafür eingesetzten pädagogischen Fachkräfte werden in der Startphase durch eine Spende des Rotary Clubs Dresden-Goldener Reiter mitfinanziert.
Besonders Kindern und Jugendlichen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung in Kombination mit geistigen oder anderweitigen tiefgreifenden Entwicklungsstörungen verhaltensauffällig sind und zudem mit großen Lernschwierigkeiten zu kämpfen haben, fehlt es an qualifizierten Angeboten zur Integration in den Schulalltag. An diesem Punkt setzt das neue Zentrum für Entwicklungsstörungen an. Im Rahmen einer auf etwa zwölf Wochen angelegten tagesklinischen Behandlung werden die Probleme dieser Kinder und Jugendlichen umfassend diagnostiziert und im schulischen Setting eine Behandlung mit dem Ziel einer besseren Alltagsbewältigung initiiert. Dies erfolgt in Teamarbeit mit den pädagogischen Kräften des CSW und den auf Psycho- und Verhaltenstherapie spezialisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Dresdner Uniklinikums. »Um nachhaltige Lösungen zu finden, reicht es in diesen oft sehr komplexen Fällen nicht aus, ›nur‹ therapeutisch oder ›nur‹ pädagogisch zu agieren. Erst in dem jetzt etablierten Setting, in dem Pädagogen und Therapeuten gemeinsam mit den Betroffenen in alltäglichen Situationen agieren, lässt sich die Basis für nachhaltige Erfolge schaffen«, sagt Prof. Veit Rößner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Um die Kinder und Jugendlichen optimal versorgen zu können, werden schulisch-therapeutische Maßnahmen individuell erprobt und zugleich die Diagnostik weiter vorangetrieben. Ziel des dreimonatigen tagesklinischen Angebotes ist es, die Betroffenen wieder in ihr gewohntes schulisches Umfeld zu integrieren. Deshalb werden die während des Aufenthalts entwickelten Maßnahmen in der Stammschule selbst erprobt.
Der tagesklinische Aufenthalt beginnt mit einer individuell angelegten, zwei- bis vierwöchigen schulisch-therapeutischen Diagnostikphase. Davon profitieren die Kinder und Jugendlichen, deren geistige beziehungsweise tiefgreifende Entwicklungsstörung häufig mit einer fehlenden verbalen Ausdrucksmöglichkeit verbunden ist. Deshalb greifen die psychiatrisch-psychologischen Standardverfahren zur Diagnostik nicht. In diesem Rahmen wird ein mehrdimensionales Verständnis des Falls erarbeitet. Im Mittelpunkt steht die Betrachtung des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen bezüglich seiner körperlichen, psychischen und erlernten Verhaltensmerkmale sowie die Beziehungen in seinem unmittelbaren Umfeld. Hinzu kommt die Analyse konkreter Bedingungen hinsichtlich sensorischer, sozialer, kommunikativer und alltagspraktischer Anforderungen. Daran schließt sich die Behandlung mit individuellen Wochenzielen an, mit denen es gelingen soll, sich den Hauptzielen anzunähern. Das Vorgehen folgt pädagogischen und therapeutischen Strategien, die unter dem Aspekt der Gleichzeitig- und Gleichsinnigkeit in den Behandlungsalltag integriert werden. Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen dazu anzuleiten, die erlernten, für sie günstigen Verhaltensstrategien in ihr konkretes Lebensumfeld zu übernehmen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 16/2021 vom 19. Oktober 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.