05.12.2022
Nie mehr weiße Weihnachten?
Essay von Dr. Valeri Goldberg, Senior Lecturer an der Professur für Meteorologie an der TU Dresden.
Der Traum vom Weihnachtsfest im Winterkleid ist kein Phänomen der Neuzeit. Zahlreiche historische Motive auf Postkarten und Adventskalendern und viele Weihnachtslieder zeugen von dieser Sehnsucht der Menschen. Doch stimmt dieser Wunsch mit der Realität überein? Und hat sich das Wetter zum Weihnachtsfest in unserer Region verändert, und wird es sich weiter verändern?
Ein Blick in die Temperaturstatistik von Dresden zeigt, dass das Wetter an Heiligabend sehr unterschiedlich sein kann (Abb. 1). In den 137 Beobachtungsjahren seit 1884 gab es sowohl klirrende Kälte mit bis zu minus 18 °C wie im Jahr 1962 als auch frühlingshafte Milde mit fast 15 °C plus wie im Jahr 1977. Genau 35-mal lag an Heiligabend eine Schneedecke in Dresden, d. h. im statistischen Mittel trat die weiße Weihnacht etwa jedes vierte Jahr auf. Die grüne Weihnacht ist also der Regelfall und die weiße Weihnacht die Ausnahme. Das hat zwei wesentliche Ursachen. Zum einen sind auch frostige Weihnachstage häufig schneefrei. Zum anderen stellt sich häufig kurz vor Weihnachten die Wetterlage um. Eine oft vorherrschende winterliche Witterungsperiode wird dann abgelöst von einer Westwetterlage, die mit dem Zustrom von milden atlantischen Luftmassen verbunden ist. Das „Weihnachtstauwetter“ setzt ein und beendet den Traum von einer weißen Weihnacht.
Die Wetterstatistik zeigt außerdem, dass die Jahre mit weißer Weihnacht in der jüngeren Klimageschichte ungleichmäßig verteilt sind. So gab es bereits zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehr wenige weiße Weihnachten (3 in 20 Jahren). Möglicherweise war dieses Phänomen eine der Ursachen für den deutlichen Anstieg von Weihnachtsmotiven mit Schnee auf Postkarten und Kalendern in dieser Zeit. Gänzlich ohne Schnee zum Weihnachtsfest mussten die Menschen in den 1970er Jahren (den Kindheitsjahren des Autors) auskommen.
Auf der anderen Seite gab es z. B. in den 1950er und 1960er Jahren sehr häufig weiße Weihnachten. Dies erklärt möglicherweise die Schwärmerei der Großelterngeneration von zuverlässigem Schnee zu Weihnachten in der Vergangenheit. Viele werden sich aber auch an den kalten und schneereichen Dezember 2010 erinnern, welcher der Dresdner Bevölkerung und ihren Gästen ein traumhaftes Weihnachtsfest mit einer 20-30 cm hohen Schneedecke bescherte. Seitdem warten wir auf den Schnee zum Weihnachtsfest. Diese mittlerweile längste durchgängige Periode von Jahren mit grünen Weihnachtsfeiertagen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen lässt auf den Einfluss der globalen Erwärmung schließen. Tatsächlich besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Erwärmung der Atmosphäre und der Ozeane und der abnehmenden Häufigkeit weißer Weihnachten in Mitteleuropa. Die Ursache liegt in der abnehmenden Wahrscheinlichkeit von Schneewetterlagen im Winter. Um eine durchgängige Schneedecke im Tiefland zu bilden, muss sich eine Wetterlage einstellen, mit der frostige aber auch feuchte Luftmassen aus dem Polargebiet nach Mitteleuropa gelangen. Eine solche Winterwetterlage zum Weihnachtsfest trat zum Beispiel im Jahr 1986 ein (Abb. 2): Zwischen einem Tiefdruckgebiet über Osteuropa und einem Hochdruckgebiet über dem Atlantik wurde maritime arktische Luft herangeführt, die zu ausgiebigen Schneefällen bei Minusgraden in Sachsen führte. Im Ergebnis lag an Heiligabend eine 30 cm hohe Schneedecke in Dresden.
Mit der zunehmenden Erwärmung der Arktis im Winter nimmt jedoch die Wahrscheinlichkeit dafür ab, dass die von dort zu uns gelangenden Luftmassen ausreichend kalt sind für Niederschlag in Form von Schnee. Gleichzeitig verschiebt sich mit der globalen Erwärmung die Häufigkeit der Wetterlagen in unseren Breiten. In den Wintermonaten Mitteleuropas ist z. B. eine Zunahme subtropischer Hochdruckwetterlagen und milder Südwestwetterlagen zu beobachten, wodurch die Häufigkeit von Schneewetterlagen im Winter ebenfalls abnimmt. Der Deutsche Wetterdienst zeigt in einer Studie vom vergangenen Jahr, dass in den meisten Regionen Deutschlands das Auftreten einer weißen Weihnacht deutlich rückläufig ist und mittlerweile bei einer Frequenz von 10 Jahren liegt. Dieser Trend ist gekoppelt mit der bereits beobachteten Zunahme der Wintertemperatur in Deutschland. So ist das Wintermittel (mittlere Lufttemperatur in den Monaten Dezember-Februar) in Dresden in den letzten 60 Jahren um ca. 1,2 °C angestiegen. In den Klimaprojektionen wird eine Erwärmung der Winter Mitteleuropas um 3-4 °C für das Ende des 21. Jahrhunderts projiziert, so dass eine weiße Weihnacht in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts zu einem sehr seltenen Ereignis wird.
Ein Fünkchen Hoffnung bleibt. Ein sehr seltenes Ereignis bedeutet nicht gänzlich ausgeschlossen, und vielleicht klappt es ja bereits in diesem Jahr mit der weißen Weihnacht.