NeuroFAST
The Integrated Neurobiology of Food Intake, Addiction, and Stress (NeuroFAST), Arbeitspaket: “Interrelations between eating disorders and substance use disorders”.
NeuroFAST ist ein multidisziplinäres Projekt, an dem zwölf europäische Forschungseinrichtungen aus sieben Ländern beteiligt sind. Das Hauptziel besteht darin, die neurobiologischen Grundlagen von Substanzmissbrauch und -abhängigkeit zu erforschen und in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob diese Mechanismen auch beim Essen bestimmter Nahrungsmittel oder bei Personen mit gestörtem Essverhalten eine Rolle spielen. Der Zusammenhang zwischen gestörtem Essverhalten bzw. Essstörungen und Substanzmissbrauch bzw. -abhängigkeit ist sowohl durch längsschnittliche wie auch querschnittliche (Komorbiditäts-) und Familienstudien dokumentiert: Erhöhter Alkoholkonsum hat sich als Risikofaktor für die Entwicklung von Bulimia nervosa erwiesen, Substanz- und Essstörungen sind häufige komorbide Störungen und Substanzstörungen treten gehäuft in den Familien Essgestörter im Vergleich zu gesunden Kontrollgruppen auf. Allerdings weisen insbesondere die bisherigen Risikofaktorenstudien eine Reihe von ernsthaften Einschränkungen auf. Die Stichproben sind häufig zu klein für die Identifikation von Risikofaktoren für vollsyndromale Essstörungen und es ist unklar, ob die Risikofaktoren für vollsyndromale Störungen identisch mit denen für subklinische Störungen oder gestörtem Essverhalten sind. Darüber hinaus bedürfen viele Faktoren einer Replikation und weder die Interaktion zwischen den Faktoren noch deren Spezifität für Essstörungen haben bislang Berücksichtigung gefunden, da keine anderen Outcomes eingeschlossen waren. Schließlich sind familiale und genetische Assoziationen und Interaktionen selten untersucht worden. Im Rahmen von NeuroFAST sollen diese Lücken geschlossen werden.
Die genannten Zusammenhänge wurden anhand einer großen, populationsbasierten, prospektiv-longitudinalen Studie (EDSP: Early Developmental Stages of Psychopathology-Studie) mit 4 Erhebungswellen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen überprüft.
Erste Ergebnisse:
Bisher wurden die alters- und geschlechtsspezifischen Prävalenzen (12-Monate und Lebenszeit), sowie die kumulierten Lebenszeitinzidenzen auf Störungsebene zu den verschiedenen Erhebungszeitpunkten ermittelt. In unserer Stichprobe liegt die Wahrscheinlichkeit bis zum Alter von 34 Jahren alkoholabhängig zu werden bei 11% (Nikotinabhängigkeit: 28.5%). Für Essstörungen liegt die Wahrscheinlichkeit mit 4.7% niedriger.
Weiterhin wurden die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Störungsbildern beleuchtet. So konnten wir z. B. herausfinden, dass das Risiko, eine Substanzstörung zu entwickeln, bei essgestörten Patientinnen zwei- bis dreifach erhöht ist. Vor allem Patientinnen mit einer Bulimie-Diagnose sind häufig davon betroffen.
Die querschnittliche Betrachtung von Komorbiditätsmustern anhand von 12-Monatsprävalenzen ergab unterschiedliche Ergebnisse für Anorexia Nervosa (AN) und Bulimia Nervosa (BN): Signifikante Zusammenhänge für Substanzstörungen konnten nur für BN gefunden werden, während depressive Störungen einen solchen Zusammenhang nur mit AN aufwiesen. Demgegenüber wurden für Angststörungen signifikante Komorbidiäten sowohl mit AN als auch mit BN gefunden. Die längsschnittliche Betrachtung der Daten ergab bedeutsame Zusammenhänge für AN und BN mit allen diagnostischen Gruppen der depressiven-, Angst- und Substanzstörungen bezogen auf kumulative Lebenszeitinzidenzen bis zu einem maximalen Alter von 34 Jahren. Unterschiede zwischen AN und BN konnten weiterhin für das chronologische Auftreten von komorbiden Ess- und Substanzstörungen gefunden werden: Während eine AN-Erkrankung mehrheitlich nach dem Vorliegen einer Substanzstörung einsetzte, ging eine Erkrankung an BN dem Einsetzen einer Substanzstörung in den meisten Fällen voraus. Weiterhin wurden etwas größere Stabilitätsraten für AN als für BN sowie für Essstörungen auf klinischem- als auf subklinischem oder symptomatischem Niveau gefunden. Im Bereich der Substanzstörungen wies Nikotinabhängigkeit die größte Stabilität auf, zudem waren hier Stabilitätsraten für jüngere Studienteilnehmer am größten. Das Risiko, nach Remission einer Essstörung an Missbrauch oder Abhängigkeit von illegalen Drogen oder einer depressiven Störung zu erkranken war für Personen mit initialer Essstörungsdiagnose im Vergleich zu Personen ohne Essstörung signifikant erhöht. Unter Personen mit remittierter Substanzstörung konnte kein erhöhtes Risiko für eine inzidente Essstörung gefunden werden, allerdings wiesen Personen mit initialer Nikotinabhängigkeit ein erhöhtes Risiko für inzidente depressive Störungen sowie Personen mit irgendeiner remittierten Substanzstörung ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Angststörung auf.