Statement der TU Dresden zur PPP-Studie
25.02.2021
Hintergrund
Im Januar 2019 wurde gegen einen zu diesem Zeitpunkt emeritierten Professor der TU Dresden der Vorwurf erhoben, dass Daten im Rahmen einer Feldstudie nicht durchgängig ordnungsgemäß erhoben worden seien. Die Studie führte der Professor im Auftrag einer Organisation unter dem Dach der Gesellschaft für Wissenschafts- und Technologietransfer (GWT; einer Tochtergesellschaft der TUDAG) durch.
Die TU Dresden verfügt im Rahmen ihres Qualitätsmanagements für solche Fälle über effiziente Regularien. Die Vorwürfe wurden zunächst an die Vertrauensperson der Fakultät und dann an die damalige Ombudsperson der TUD herangetragen, die eine Eingangsprüfung vornahm und dann dem Rektorat empfahl, eine Untersuchungskommission einzusetzen. Im April 2019 beauftragte der Rektor die für solche Fälle vorgesehene Untersuchungskommission unter dem Vorsitz eines externen Experten. Diese Kommission entschied nach weiteren Vorprüfungen, dass ein förmliches Untersuchungsverfahren zu erfolgen hat, da es nicht möglich war, die Vorwürfe anhand der vorliegenden Stellungnahmen der Beteiligten auszuräumen.
Die Komplexität und der Umfang des zu prüfenden Materials führte zu einem erheblichen Prüfaufwand und einem entsprechend umfangreichen Verfahren. Am 24. Februar 2021 ist der finale Bericht des förmlichen Untersuchungsverfahrens an die Rektorin der TU Dresden übergeben worden.
Bericht der Untersuchungskommission und Konsequenzen
Die Untersuchungskommission kommt in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass in vielfacher Hinsicht vorsätzliche Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis vorliegen und die Verantwortung dafür vornehmlich beim Projektleiter liegt. Die Untersuchungskommission wirft dem Projektleiter schwerwiegende Datenmanipulation und Datenfälschung in verschiedenen Punkten und einer Vielzahl von Fällen vor. Im Ergebnis sei die Nachvollziehbarkeit, Nachprüfbarkeit und vollständige Dokumentation der betroffenen Studie nicht gegeben.
Das Erweiterte Rektorat der TU Dresden ist bestürzt über ein solches Fehlverhalten eines Mitgliedes unserer Universität. Gleichzeitig ist es zutiefst davon überzeugt, dass die Angehörigen der TU Dresden ihre Forschungen mit hohem Anspruch an wissenschaftliche Redlichkeit betreiben.
Wissenschaftliche Redlichkeit und Transparenz zählen zu den Grundwerten der TU Dresden. Deshalb ist es im Interesse aller Angehörigen der TUD nicht nur notwendig, den Fall lückenlos aufzuklären, sondern es ist nun auch wichtig, die entsprechenden Konsequenzen aus dem Vorfall zu ziehen.
Aufgrund der durch die Untersuchungskommission festgestellten schwerwiegenden Vergehen gegen die Prinzipien guter wissenschaftliche Praxis prüft die Universität derzeit sowohl akademische Konsequenzen, als auch etwaige dienst-, zivil- und strafrechtlichen Folgen.
Die TU Dresden arbeitet mit Unterstützung durch die gegenwärtige Ombudsperson und in Zusammenarbeit mit der betroffenen Fakultät daran, dass noch in der Mentorenschaft des Professors laufende Promotionsverfahren in Abstimmung mit den Promovend:innen an andere Betreuer:innen übergeben werden.
Ferner werden alle Hochschulen über das Ergebnis der Untersuchungskommission informiert, die in der Vergangenheit akademische Grade und Titel an den Professor verliehen haben.
Da es sich bei der betroffenen Studie nicht um eine von der TU Dresden durchgeführte Studie handelt, wird die TUD darauf hinwirken, dass auch der Auftragnehmer der Studie, die GWT, rechtliche Konsequenzen prüft.
Gute wissenschaftliche Praxis (GWP) an der TU Dresden
Die TU Dresden vertraut ihren Mitarbeiter:innen und will ihnen ein optimales und attraktives Arbeitsumfeld an einer angesehenen und leistungsstarken Institution bieten, damit die hier tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiterhin international sichtbare und exzellente Forschung realisieren können.
Das neue Rektorat hat deshalb mit seinem Amtsantritt im August 2020 begonnen, die durch den Fall zutage getretenen Schwachstellen bei der Umsetzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis zu identifizieren und Wege zu finden, diese zu beseitigen. Zentrale Aufgabe war und ist es, die vorhandenen Instrumente zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis weiterzuentwickeln, die es in Zukunft noch unwahrscheinlicher werden lassen, dass sich solches Fehlverhalten wiederholen kann.
Als ein erstes Ergebnis konnte nach Diskussionen mit Promovierendenvertretung, Senat, Rektorat und Justitiariat am 22. Dezember 2020 eine neue Satzung zur guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) vom Rektorat verabschiedet werden. Sie beinhaltet unter anderem die Begleitung der Promotion durch eine zweite wissenschaftliche Betreuungsperson und die Beurteilung durch mindestens ein:e externe:r Gutachter:in. Darüber hinaus wird die regelmäßige Teilnahme an einer GWP-Schulung für alle Wissenschaftler:innen verpflichtend. Die Graduiertenakademie wird entsprechende Kurse anbieten und Kursleiter:innen für die Fakultäten ausbilden. Auch für Professor:innen wird es entsprechende Angebote geben.
Zudem hält die TU Dresden niedrigschwellige Beschwerdeangebote vor – sowohl zentral als auch in den einzelnen Fakultäten. Für Verdachtsfälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten steht die Ombudsperson als Ansprechpartner:in, Ratgeber:in und Vermittler:in zur Verfügung. Sie wird von einem Netzwerk aus jeweils zwei professoralen Vertrauenspersonen in den Fakultäten und zusätzliche Ansprechpartner:innen in der Graduiertenakademie unterstützt. Des Weiteren gibt es eine Beschwerdestelle für Diskriminierung und Belästigung sowie Angebote der Konfliktberatung und Mediation. Die Antikorruptionsbeauftragte ist für die Untersuchung beim Verdacht auf finanzielles Fehlverhalten zuständig.
Darüber hinaus sollen klare Prozesse der unmittelbaren Verfolgung von Beschwerden dafür sorgen, Whistleblower zu schützen und beschuldigte Personen nicht vorzuverurteilen, bis die Untersuchung abgeschlossen ist. Die TUD wird in den nächsten Monaten ein elektronisches Hinweisgebersystem zum Schutz von Whistleblowern einführen. Es wird darüber hinaus sichergestellt, dass Hinweisgeber:innen keine wissenschaftlichen und/oder dienstliche Nachteile oder emotionale Belastungen aus ihrer Hinweisgeberschaft erwachsen.
Im Rahmen seiner Strategie ‚2020-2025‘ hat das Erweiterte Rektorat außerdem ein Projekt zur Führungskultur angeschoben. Ziel ist die Entwicklung von Führungsleitlinien sowie eines Führungskompetenzmodells. Damit sollen die Bereitschaft und Fähigkeit zu kritischer Selbstreflexion, proaktiver Veränderung sowie zur Übernahme von Verantwortung auf allen Ebenen gestärkt werden. Dieses Projekt ist im Kontext der übergreifenden Zielsetzung des Erweiterten Rektorat zu sehen: Die TUD zu einer global bezogenen und regional verankerten Spitzenuniversität, die den Werten der Redlichkeit, des respektvollen Umgangs, der Transparenz und Offenheit und der Vielfalt verpflichtet ist, weiterzuentwickeln.
Einen Überblick über die aktuellen Angebote und Maßnahmen zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis an der TU Dresden ist im Web zusammengestellt.
Open Science Initiative der Fakultät Psychologie
Die Open Science Initiative der Fakultät Psychologie erarbeitet konkrete Handlungsempfehlungen, um die Verlässlichkeit von Forschungsarbeiten zu verbessern. Sie steht Wissenschaftler:innen der Fakultät auf allen Ebenen ihrer akademischen Laufbahn als Ansprechpartnerin in Fragen der guten wissenschaftlichen Praxis zur Verfügung. Sie veranstaltet Weiterbildungen, berät und unterstützt bei der Implementierung von Open Science Praktiken.