10.12.2021
Mit Resilienz und Zusammenhalt durch die vierte Welle
Essay von Dr. Olga Klimecki, Eleonore-Trefftz-Gastprofessorin an der Fakultät Psychologie
Die vierte Welle der Covid-19 Pandemie trifft uns alle mit voller Wucht. Trotz des enormen Impffortschritts sind die Infektionszahlen so hoch wie noch nie, die Krankenhäuser sind am Limit, Weihnachtsmärkte wurden aufgebaut und dann doch nicht eröffnet. Viele sind selbst am Virus erkrankt und/oder in Selbstisolation, unzählige Unternehmen und Mitarbeiter mussten herbe Rückschläge in Kauf nehmen. Jeder ist in irgendeiner Form von der Pandemie betroffen. Besonders hart ist, dass dieser Krisenzustand nun schon seit weit über einem Jahr den Alltag prägt. Und ein ersehntes Ende ist nicht in Sicht.
Die Unsicherheit und der Dauerstress im Krisenzustand stellen eine enorme Belastung dar. Durch die Pandemie kam es zu einem sprunghaften Anstieg an psychologischen und gesundheitlichen Problemen, zu einem enormen Ausmaβ von häuslicher Gewalt und zu einer tiefen gesellschaftlichen Spaltung. Es stellt sich die Frage: Wie können wir als Individuen und als Gesellschaft mit diesen Belastungen umgehen?
Zunächst einmal ist jede Krise auch eine Chance für Wandel. Aus der psychologischen Forschung wissen wir, dass ein guter Umgang mit Krisen Menschen darin stärken kann, unbeschadet durch zukünftige Krisen zu kommen (Resilienz). Ein zentraler Bestandteil von Resilienz sind positive Emotionen. Und die lassen sich gezielt stärken. Gemeinsam mit Kollegen konnten wir zeigen, dass positive Emotionen, deren neuronale Basis und der adaptive Umgang mit stressigen Situationen sich gezielt stärken lassen – auch im Erwachsenenalter.
Man kann zum Beispiel im Alltag vermehrt Dinge tun, die einen glücklich machen. Vielleicht ist das ein Spaziergang in der Natur, Sport oder ein Telefonat mit Freunden. Zudem können positive Emotionen durch gezielte Trainings gefördert werden. Eine Form von Training, die positive Emotionen und Resilienz fördert, ist Meditationstraining. Angebote hierzu gibt es mittlerweile viele – sowohl innerhalb der TU Dresden, als auch außerhalb.
Zudem wird Resilienz durch sichere soziale Beziehungen gefördert. Soziale Beziehungen sind für uns Menschen überlebenswichtig. So wissen wir aus der Forschung, dass soziale Isolation der gröβte Risikofaktor für Sterblichkeit ist. Damit liegt soziale Isolation noch vor anderen Risikofaktoren, wie z.B. Drogenmissbrauch. Leider sind es gerade die sozialen Beziehungen, die in der Pandemie zu kurz kommen. Begegnungen, die früher selbstverständlich waren, wie das gemeinsame Mittagessen mit Kollegen, groβe Familienfeiern oder der gemeinsame Besuch von Cafés und Restaurants, sind plötzlich ein rarer Luxus geworden. Durch den Rückgang an sozialen Kontakten merken wir besonders deutlich, wie wertvoll soziale Beziehungen sind.
Dies kann eine Motivation für Veränderungen sein, die sich auf soziale Gemeinschaft, oder gar die Gesellschaft auswirken. Es ist eine Chance, dass unsere Gesellschaft sich weg bewegt von der Praxis des “blaming and shaming” – einer Praxis, bei der anderen pauschal Schuld zugewiesen wird. Wie wir aus der Forschung wissen, trägt blaming and shaming nicht dazu bei, Konflikte zu lösen, sondern vertieft die Spaltung der Gesellschaft. Der Zusammenhalt, der für jeden von uns so wichtig ist, wird dadurch noch mehr bedroht.
Die Pandemie ist eine Chance, Dinge gemeinsam anzupacken und kreativ zu werden. So können wir in dieser Zeit die Initiativen würdigen, die es geschafft haben, den sozialen Zusammenhalt trotz der widrigen Umstände zu stärken. Meine Nachbarn zum Beispiel haben im Lockdown damit begonnen, jede Woche online Parties zu veranstalten. So haben sie die Kontakte zu ihren Freunden nah und fern vertiefen und wiederbeleben können. In meiner Straβe wurde neulich ein kleines Straβenfest angemeldet. Gewappnet mit Masken unterhielten sich die Anwohner angeregt, während die Kinder gemeinsam spielten. Man kann auch Freunde unterstützen, die gerade in Selbstisolation sind. Oft reicht schon das einfache Zuhören am Telefon oder eine freundliche Nachricht. Viele Menschen in Selbstisolation freuen sich über Blumen oder etwas zu Essen vor der Tür. Vielleicht kann man die Zeit auch nutzen, mal wieder einen Brief zu schreiben. Es gibt unzählige Arten, aktiv zu werden, die eigene Resilienz zu stärken und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. So können wir für uns und für die Gemeinschaft einen Beitrag dazu leisten, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.