Resilienz für alle
Die innere Widerstandsfähigkeit, die es ermöglicht, nach Rückschlägen weiterzumachen und wieder aufzustehen, wird in der Psychologie als Resilienz bezeichnet (Kriebs 2019: 17). Menschen, die resilient sind, können Stress und Krisen besser regulieren, wachsen an diesen und entwickeln Handlungspraxen, durch die sie sich erfolgreich fühlen (doing resilient) (Rolfe 2019: 23). Anders als noch vor einigen Jahren, wird heute nicht mehr davon ausgegangen, dass Resilienz ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal ist (Kriebs 2019: 18), sondern eine Fähigkeit, die im Laufe des Lebens „in der Interaktion mit der Umwelt sowie durch die erfolgreiche Bewältigung altersspezifischer Entwicklungsaufgaben“ (Wustmann 2004: 20) erlernt, trainiert und gestärkt werden kann. Das kann sowohl direkt (z. B. durch Übungen zur Selbstwirksamkeit), als auch indirekt (durch Rollenmodelle) in Lehr-Lernsettings geschehen.
Resilienz von Lernenden
Ein wesentlicher Schutzfaktor, der dafür sorgt, dass eine Krise nicht zur Belastung wird, ist eine verlässliche Beziehung. Diese kann sowohl innerhalb einer Familie als auch innerhalb der (Hoch-)schule, beispielsweise zwischen Lehrenden und Lernenden, aufgebaut werden. Lehrende fördern Resilienz, wenn sie im “pädogogische[n] Sinne ausgewogen mit Blick auf die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung” (Diers 2016: 425f) der Lernenden handeln und somit ein Bewusstsein über vorhandene fachliche und soziale Ressourcen unterstützen. So werden “Selbstwirksamkeitserfahrungen, Selbstwerterleben und Selbstvertrauen” (ebd.) gefördert. Die fachlichen und sozialen Ressourcen von Lernenden individuell zu fördern, hilft neben dem Ausgestalten der Zone der nächsten Entwicklung also auch der Bildung von Resilienz. Auch Mitbestimmungsmöglichkeiten tragen dazu bei, die eigene Wirksamkeit zu erfahren und ermöglichen Lernenden Anerkennung, Autonomie und Einflussnahme.
Diers (2016) fasst die Merkmale resilienzfördernder Beziehungen wie folgt zusammen:
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Einen wertschätzenden und anerkennenden Umgang mit Meinungen
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Ein reflexiver Umgang miteinander
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Positive Rollenvorbilder
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Ein professionellen Umgang miteinander (ebd.: 423)
Faktoren wie Einsamkeit und Isolation schwächen Resilienz (Böhme 2019). Mit Beginn eines Studiums können Studierende eine isolierende Situation wahrnehmen: Das eigene Leben zu organisieren und sich in der Hochschule/Universität zu behaupten, oft an einem neuen Wohnort und ohne den bewährten Freundes- und Bekanntenkreis, stellt eine große Herausforderung dar und erschwert das institutionell-organisierte Lernen. Um einer möglichen Isolation entgegenzuwirken, auch in der eigenen Lehre, sind auf der Seite “Kooperation der Lernenden” Materialien zur Gruppenbildung zu finden. Auch die Bereitschaft zur Kommunikation und die Verfügbarkeit von Lehrenden für Gespräche wirken einer Isolation entgegen (Diers 2016: 430). Darüber hinaus ist es für Lehrende Personen wichtig anzuerkennen, dass Lern- und Entwicklungsprozesse nicht linear verlaufen (Jugel, Steffens 2019: 86). Lernenden auch in krisenhaften Lernprozesse zur Seite zu stehen und zu ermutigen, ist ebenfalls bedeutsam für die Entwicklung von Resilienz.
Resilienz von Lehrenden
Damit Lehrende Resilienz fördern können, müssen sie selbst diese Fähigkeit haben. Studien zeigen, dass die Belastung von Lehrkräften negativ mit der Motivation von Lernenden zusammenhängt (Arens, Marin 2016; Klusmann et al. 2016; McLean, Mc Donald Connor 2015). Daher kann der Umgang mit Belastungen, also die Fähigkeit zur Resilienz von Lernenden, nicht ohne die der Lehrenden gedacht werden.
Gerade im Lehrberuf zeigt sich eine erhöhte Belastungs- und Beanspruchungssymptomatik (Cramer, Merk, Wesselborg 2014; Bauknecht, Wesselborg 2021), da sie sowohl hohe qualitative, als auch quantitative Anforderungen bewältigen müssen. Die Forsa Umfrage der Robert Bosch Stiftung 2022 (n= 1.017 Lehrer*innen) zeigt außerdem, dass insbesondere die Maßnahmen im Kontext von Corona eine besondere Belastung für die Lehrenden darstellten.
Um möglichst resilient durch den Lehralltag zu kommen, konnten positive Rückmeldungen durch Lernende, Eltern oder Kolleg*innen als Resilienzfaktoren ausgemacht werden (Wesselborg, Bauknecht 2022). Besonders Resilienzfördernd ist die direkte Kooperation im Kollegium. Einen tieferen Einblick in das Thema gibt der Videomitschnitt, in dem Prof. Bärbel Wesselborg und Christoph Köhler zu “Resilienz im Lehrerberuf - Umgang mit Anforderungen und Ressourcen” sprechen.
Resilienz liegt nicht allein in der Verantwortung der Lehrenden. In der Resilienzforschung wird daher auch zwischen der individuellen Resilienz der Menschen in Bildungseinrichtungen und der organisationalen Resilienz der Bildungseinrichtung unterschieden. Beide Dimensionen stehen in einem direkten Zusammenhang (Sucliffe, Vogus 2003) und werden von der Prof.in. Dr.in. Esther Dominique Klein in einem Video näher erläutert.